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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Mitten in <strong>de</strong>n glücklichen Momenten <strong>de</strong>r Liebe wird Diotima traurig und still, weil sie weiß, <strong>die</strong><br />

Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Trennung naht, und <strong>die</strong>se Trauer ist so tief, dass Diotima lieber nicht darüber spricht,<br />

und Hyperion, <strong>de</strong>r <strong>die</strong>s einsieht, verstummt auch selbst.<br />

Ich schwieg eine Weile. Ich war voll unaussprechlicher Freu<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 100)<br />

Die Freu<strong>de</strong> Hyperions ist so groß, dass ihm <strong>die</strong> Sprache völlig versagt, <strong>de</strong>nn <strong>die</strong>ser Freu<strong>de</strong> kann<br />

man mit Worten gar nicht gerecht wer<strong>de</strong>n.<br />

Nun war kein Wort mehr für uns übrig. Ich fühlte mein höchstes Herz; ich fühlte mich reif zum Abschied.<br />

Jetzt will ich fort, ihr Lieben! sagt’ ich, und das Leben schwand von allen Gesichtern. Diotima stand, wie<br />

ein Marmorbild und ihre Hand starb fühlbar in meiner. Alles hatt’ ich um mich her getötet, ich war einsam<br />

und mir schwin<strong>de</strong>lte vor <strong>de</strong>r grenzenlosen Stille, wo mein überwallend Leben keinen Halt mehr fand.<br />

Ach! rief ich, mir ist’s brennend heiß im Herzen, und ihr steht alle so kalt, ihr Lieben! und nur <strong>die</strong> Götter<br />

<strong>de</strong>s Hauses neigen ihr Ohr? – Diotima! – du bist stille, du siehst nicht! – o wohl dir, dass du nicht siehst!<br />

(Schmidt, 1994: 113 f.)<br />

Hyperion hat sich gera<strong>de</strong> von Diotima und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren verabschie<strong>de</strong>t. Jetzt muss er nur noch gehen.<br />

Das Gefühl überwältigt alle außer Hyperion und keiner spricht ein Wort außer ihm.<br />

Es wur<strong>de</strong> Licht gebracht und wir sahn von neuem mit leisem lieben<strong>de</strong>m Forschen uns an. Die Gestalt <strong>de</strong>s<br />

Teuren war sehr an<strong>de</strong>rs gewor<strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>r Hoffnung. Wie <strong>die</strong> Mittagssonne vom bleichen Himmel,<br />

funkelte sein großes ewig leben<strong>de</strong>s Auge vom abgeblühten Gesichte mich an. (Schmidt, 1994: 119)<br />

Hyperion und Alabanda treffen sich unerwartet nach langer Zeit wie<strong>de</strong>r. Ihre starken Gefühle<br />

lassen sie für eine Weile nicht zu Worte kommen. Das Adjektiv „leise“ be<strong>de</strong>utet hier 'wortlos,<br />

lautlos'.<br />

Da gilt nichts Eitles und Anerzwungenes mehr, rief Alabanda, da gehn wir schmucklos, fessellos, nackt,<br />

wie im Wettlauf zu Nemea, zum Ziele.<br />

Zum Ziele, rief ich, wo <strong>de</strong>r junge Freistaat dämmert und das Pantheon alles Schönen aus griechischer Er<strong>de</strong><br />

sich hebt.<br />

Alabanda schwieg eine Weile. Eine neue Röte stieg auf in seinem Gesichte, und seine Gestalt wuchs, wie<br />

<strong>die</strong> erfrischte Pflanze, in <strong>die</strong> Höhe.<br />

O Jugend! Jugend! rief er, dann will ich trinken aus <strong>de</strong>inem Quell, dann will ich leben und lieben. Ich bin<br />

sehr freudig, Himmel <strong>de</strong>r Nacht, fuhr er, wie trunken, fort, in<strong>de</strong>m er unter das Fenster trat, wie eine Rebenlaube,<br />

überwölbest du mich, und <strong>de</strong>ine Sterne hängen, wie Trauben, herunter. (Schmidt, 1994: 120 f.)<br />

Beim Gespräch mit Hyperion über <strong>die</strong> Zukunftspläne und <strong>die</strong> Erneuerung <strong>de</strong>r Welt gerät Alabanda<br />

in so große Begeisterung, dass er für eine Weile aufhört zu sprechen, wahrscheinlich weil <strong>die</strong><br />

Empfindung ihn überwältigt.<br />

Auch hab’ ich meinen Alabanda noch. Der hat so wenig zu gewinnen, als ich selbst. Den kann ich ohne<br />

Scha<strong>de</strong>n mir behalten! Ach! <strong>de</strong>r königliche Jüngling hätt’ ein besser Los ver<strong>die</strong>nt. Er ist so sanft gewor<strong>de</strong>n<br />

und so still. Das will mir oft das Herz zerreißen. Aber einer erhält <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn. Wir sagen uns nichts; was<br />

sollten wir uns sagen? (Schmidt, 1994: 133)<br />

Alabanda und Hyperion haben <strong>de</strong>n Krieg und <strong>die</strong> Ehre verloren, sind geächtet und verbannt. Die<br />

Erschütterung ist so groß, dass bei<strong>de</strong> still sind und sich nichts sagen.<br />

Ich war erschüttert bis ins Mark, voll Schrecken und Lust, doch sucht’ ich mich zu fassen, um Worte zur<br />

Antwort zu fin<strong>de</strong>n. (Schmidt, 1994: 145)<br />

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