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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Ich fand dich, wie du bist. Des Lebens erste Neugier trieb mich an das wun<strong>de</strong>rbare Wesen.<br />

Unaussprechlich+ zog <strong>die</strong> zarte Seele mich an und kindischfurchtlos spielt’ ich um <strong>de</strong>ine gefährliche<br />

Flamme. – Die schönen Freu<strong>de</strong>n unserer Liebe sänftigten dich; böser Mann! nur, um dich wil<strong>de</strong>r zu<br />

machen. Sie besänftigten, sie trösteten auch mich, sie machten mich vergessen, dass du im Grun<strong>de</strong> trostlos<br />

warst, und #*143*#dass auch ich nicht fern war, es zu wer<strong>de</strong>n, seit ich dir in <strong>de</strong>in geliebtes Herz sah.<br />

In Athen, bei <strong>de</strong>n Trümmern <strong>de</strong>s Olympion ergriff es mich von neuem. Ich hatte sonst wohl noch in einer<br />

leichten Stun<strong>de</strong> gedacht, <strong>de</strong>s Jünglings Trauer sei doch wohl so ernst und unerbittlich nicht. Es ist so selten,<br />

dass ein Mensch mit <strong>de</strong>m ersten Schritt ins Leben so mit Einmal, so im kleinsten Punkt, so schnell, so tief<br />

das ganze Schicksal seiner Zeit empfand, und dass es unaustilgbar in ihm haftet, <strong>die</strong>s Gefühl, weil er nicht<br />

rau genug ist, um es auszustoßen, und nicht schwach genug, es auszuweinen, das, mein Teurer! ist so<br />

selten, dass es uns fast unnatürlich dünkt.<br />

Nun, im Schutt <strong>de</strong>s heiteren Athens, nun ging mir’s selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, dass jetzt <strong>die</strong><br />

Toten oben über <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gehn und <strong>die</strong> Lebendigen, <strong>die</strong> Göttermenschen drunten sind, nun sah ich’s auch<br />

zu wörtlich und zu wirklich dir aufs Angesicht geschrieben+, nun gab ich dir auf ewig Recht. Aber zugleich<br />

erschienst du mir auch größer. Ein Wesen voll geheimer Gewalt, voll tiefer unentwickelter Be<strong>de</strong>utung+, ein<br />

einzig hoffnungsvoller Jüngling schienst du mir. Zu wem so laut das Schicksal spricht+, <strong>de</strong>r darf auch<br />

lauter sprechen+ mit <strong>de</strong>m Schicksal, sagt’+ ich mir; je unergründlicher er lei<strong>de</strong>t, um so unergründlich<br />

mächtiger ist er. Von dir, von dir nur hofft’ ich alle Genesung. Ich sah dich reisen. Ich sah dich wirken. O<br />

<strong>de</strong>r Verwandlung! Von dir gestiftet, grünte wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Aka<strong>de</strong>mus Hain über <strong>de</strong>n horchen<strong>de</strong>n+ Schülern und<br />

heilige Gespräche+ hörte+, wie einst, <strong>de</strong>r Ahorn <strong>de</strong>s Ilissus wie<strong>de</strong>r.<br />

Den Ernst <strong>de</strong>r Alten gewann in <strong>de</strong>iner Schule <strong>de</strong>r Genius unserer Jünglinge bald, und seine vergänglichen<br />

Spiele wur<strong>de</strong>n unsterblich, <strong>de</strong>nn er schämte sich, hielt für Gefangenschaft <strong>de</strong>n Schmetterlingsflug. –<br />

Dem hätt’, ein Ross zu lenken, genügt; nun ist er ein Feldherr. Allzu genügsam hätte <strong>de</strong>r ein eitel<br />

Liedchen+ gesungen+; nun ist er ein Künstler+. Denn <strong>die</strong> Kräfte <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> Kräfte <strong>de</strong>r Welt hattest du<br />

aufgetan vor ihnen in offenem Kampf; <strong>die</strong> Rätsel <strong>de</strong>ines Herzens hattest du ihnen #*144*#zu lösen<br />

gegeben; so lernten <strong>die</strong> Jünglinge Großes vereinen, lernten verstehn+ das Spiel <strong>de</strong>r Natur, das seelenvolle,<br />

und vergaßen <strong>de</strong>n Scherz. – Hyperion! Hyperion! hast du nicht mich, <strong>die</strong> Unmündige, zur Muse gemacht?<br />

So erging’s auch <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn.<br />

Ach! nun verließen so leicht sich nicht <strong>die</strong> geselligen Menschen; wie <strong>de</strong>r Sand im Sturme <strong>de</strong>r Wildnis irrten<br />

sie untereinan<strong>de</strong>r nicht mehr, noch höhnte sich Jugend und Alter, noch fehlt’ ein Gastfreund <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n<br />

und <strong>die</strong> Vaterlandsgenossen son<strong>de</strong>rten nimmer sich ab und <strong>die</strong> Lieben<strong>de</strong>n entlei<strong>de</strong>ten alle sich nimmer; an<br />

<strong>de</strong>inen Quellen, Natur, erfrischten sie sich, ach! an <strong>de</strong>n heiligen Freu<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> geheimnisvoll aus <strong>de</strong>iner<br />

Tiefe quillen und <strong>de</strong>n Geist erneun; und <strong>die</strong> Götter erheiterten wie<strong>de</strong>r <strong>die</strong> verwelkliche Seele <strong>de</strong>r Menschen;<br />

es bewahrten <strong>die</strong> herzerhalten<strong>de</strong>n Götter je<strong>de</strong>s freundliche Bündnis unter ihnen. Denn du, Hyperion! hattest<br />

<strong>de</strong>inen Griechen das Auge geheilt, dass sie das Lebendige sahn, und <strong>die</strong> in ihnen, wie Feuer im Holze<br />

schlief, <strong>die</strong> Begeisterung hattest du entzün<strong>de</strong>t, dass sie fühlten <strong>die</strong> stille+ stete Begeisterung <strong>de</strong>r Natur und<br />

ihrer reinen Kin<strong>de</strong>r. Ach! nun nahmen <strong>die</strong> Menschen <strong>die</strong> schöne Welt nicht mehr, wie Laien <strong>de</strong>s Künstlers+<br />

Gedicht+, wenn sie <strong>die</strong> Worte+ loben und <strong>de</strong>n Nutzen drin ersehn. Ein zauberisch Beispiel wur<strong>de</strong>st du,<br />

lebendige Natur! <strong>de</strong>n Griechen, und entzün<strong>de</strong>t von <strong>de</strong>r ewig jungen Götter Glück war alles Menschentun,<br />

wie einst, ein Fest; und zu Taten geleitete, schöner als Kriegsmusik, <strong>die</strong> jungen Hel<strong>de</strong>n Helios Licht.<br />

Stille+! stille! Es war mein schönster Traum, mein erster und mein letzter. Du bist zu stolz, dich mit <strong>de</strong>m<br />

bübischen Geschlechte länger zu befassen. Du tust auch recht daran. Du führtest sie zur Freiheit und sie<br />

dachten an Raub. Du führst sie siegend in ihr altes Lacedämon ein und <strong>die</strong>se Ungeheuer plün<strong>de</strong>rn und<br />

verflucht+ bist du von <strong>de</strong>inem Vater, großer Sohn! und keine Wildnis, keine Höhle ist sicher genug für dich<br />

auf <strong>die</strong>ser griechischen Er<strong>de</strong>, <strong>die</strong> du, wie ein Heiligtum, geachtet, <strong>die</strong> du mehr, wie mich, geliebt.<br />

O mein Hyperion! ich bin das sanfte Mädchen nicht #*145*#mehr, seit ich das alles weiß. Die Entrüstung<br />

treibt mich aufwärts, dass ich kaum zur Er<strong>de</strong> sehen mag und unablässig zittert mein beleidigtes Herz.<br />

Wir wollen uns trennen. Du hast recht. Ich will auch keine Kin<strong>de</strong>r; <strong>de</strong>nn ich gönne sie <strong>de</strong>r Sklavenwelt<br />

nicht, und <strong>die</strong> armen Pflanzen welkten mir ja doch in <strong>die</strong>ser Dürre vor <strong>de</strong>n Augen weg.<br />

Lebe wohl! du teurer Jüngling! geh du dahin, wo es dir <strong>de</strong>r Mühe wert scheint, <strong>de</strong>ine Seele hinzugeben. Die<br />

Welt hat doch wohl Einen Walplatz, eine Opferstätte, wo du dich entledigen magst. Es wäre scha<strong>de</strong>, wenn<br />

<strong>die</strong> guten Kräfte alle, wie ein Traumbild, so vergingen. Doch wie du auch ein En<strong>de</strong> nimmst, du kehrest zu<br />

<strong>de</strong>n Göttern, kehrst ins heilge, freie, jugendliche Leben <strong>de</strong>r Natur, wovon du ausgingst, und das ist ja <strong>de</strong>in<br />

Verlangen nur und auch das meine.<br />

So schrieb+ sie mir. Ich war erschüttert bis ins Mark, voll Schrecken und Lust, doch sucht’ ich mich zu<br />

fassen, um Worte+ zur Antwort+ zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Du willigest ein, Diotima? schrieb+ ich, du billigest mein Entsagen? konntest es begreifen? – Treue Seele!<br />

darein konntest du dich schicken? Auch in meine finstern Irren konntest du dich schicken, himmlische<br />

Geduld! und gabst dich hin, verdüstertest dich aus Liebe, glücklich Schoßkind <strong>de</strong>r Natur! und wardst mir<br />

gleich und heiligtest durch <strong>de</strong>inen Beitritt meine Trauer? Schöne Heldin! welche Krone ver<strong>die</strong>ntest du?<br />

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