die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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HYPERION AN BELLARMIN<br />
Ich habe nichts, wovon ich sagen+ möchte, es sei mein eigen.<br />
Fern und tot sind meine Geliebten, und ich vernehme+ durch keine Stimme+ von ihnen nichts mehr.<br />
Mein Geschäft auf Er<strong>de</strong>n ist aus. Ich bin voll Willens an <strong>die</strong> Arbeit gegangen, habe geblutet darüber, und<br />
<strong>die</strong> Welt um keinen Pfenning reicher gemacht.<br />
Ruhmlos und einsam kehr’ ich zurück und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Totengarten, weit<br />
umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer <strong>de</strong>s Jägers, <strong>de</strong>r uns Griechen, wie das Wild <strong>de</strong>s<br />
Wal<strong>de</strong>s, sich zur Lust hält.<br />
Aber du scheinst noch, Sonne <strong>de</strong>s Himmels! Du grünst noch, heilige Er<strong>de</strong>! Noch rauschen <strong>die</strong> Ströme ins<br />
Meer, und schattige Bäume säuseln im Mittag. Der Wonnegesang+ <strong>de</strong>s Frühlings singt+ meine sterblichen<br />
Gedanken in Schlaf. Die Fülle <strong>de</strong>r alllebendigen Welt ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend<br />
Wesen.<br />
O selige Natur! Ich weiß nicht, wie mir geschiehet, wenn ich mein Auge erhebe vor <strong>de</strong>iner Schöne, aber<br />
alle Lust <strong>de</strong>s Himmels ist in <strong>de</strong>n Tränen, <strong>die</strong> ich weine vor dir, <strong>de</strong>r Geliebte vor <strong>de</strong>r Geliebten.<br />
Mein ganzes Wesen verstummt+ und lauscht+, wenn <strong>die</strong> zarte Welle <strong>de</strong>r Luft mir um <strong>die</strong> Brust spielt.<br />
Verloren ins weite Blau, blick’ ich oft hinauf an <strong>de</strong>n Äther und hinein #*16*#ins heilige Meer, und mir ist,<br />
als öffnet’ ein verwandter Geist mir <strong>die</strong> Arme, als löste <strong>de</strong>r Schmerz <strong>de</strong>r Einsamkeit sich auf ins Leben <strong>de</strong>r<br />
Gottheit.<br />
Eines zu sein mit Allem, das ist Leben <strong>de</strong>r Gottheit, das ist <strong>de</strong>r Himmel <strong>de</strong>s Menschen.<br />
Eines zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wie<strong>de</strong>rzukehren ins All <strong>de</strong>r Natur, das ist<br />
<strong>de</strong>r Gipfel <strong>de</strong>r Gedanken und Freu<strong>de</strong>n, das ist <strong>die</strong> heilige Bergeshöhe, <strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>r ewigen Ruhe+, wo <strong>de</strong>r<br />
Mittag seine Schwüle und <strong>de</strong>r Donner seine Stimme+ verliert und das kochen<strong>de</strong> Meer <strong>de</strong>r Woge <strong>de</strong>s<br />
Kornfelds gleicht.<br />
Eines zu sein mit Allem, was lebt! Mit <strong>die</strong>sem Worte+ legt <strong>die</strong> Tugend <strong>de</strong>n zürnen<strong>de</strong>n Harnisch, <strong>de</strong>r Geist<br />
<strong>de</strong>s Menschen <strong>de</strong>n Zepter weg, und alle Gedanken schwin<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ewig einigen Welt, wie <strong>die</strong><br />
Regeln <strong>de</strong>s ringen<strong>de</strong>n Künstlers+ vor seiner Urania, und das eherne Schicksal entsagt <strong>de</strong>r Herrschaft, und<br />
aus <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wesen schwin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Tod, und Unzertrennlichkeit und ewige Jugend beseliget,<br />
verschönert <strong>die</strong> Welt.<br />
Auf <strong>die</strong>ser Höhe steh’ ich oft, mein Bellarmin! Aber ein Moment <strong>de</strong>s Besinnens wirft mich herab. Ich<br />
<strong>de</strong>nke nach und fin<strong>de</strong> mich, wie ich zuvor war, allein, mit allen Schmerzen <strong>de</strong>r Sterblichkeit, und meines<br />
Herzens Asyl, <strong>die</strong> ewig einige Welt, ist hin; <strong>die</strong> Natur verschließt <strong>die</strong> Arme, und ich stehe, wie ein<br />
Fremdling, vor ihr, und verstehe+ sie nicht.<br />
Ach! wär’ ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft, <strong>de</strong>r ich in <strong>de</strong>n Schacht hinunter folgte, von<br />
<strong>de</strong>r ich, jugendlich töricht, <strong>die</strong> Bestätigung meiner reinen Freu<strong>de</strong> erwartete, <strong>die</strong> hat mir alles verdorben.<br />
Ich bin bei euch so recht vernünftig gewor<strong>de</strong>n, habe gründlich mich unterschei<strong>de</strong>n gelernt von <strong>de</strong>m, was<br />
mich umgibt, bin nun vereinzelt in <strong>de</strong>r schönen Welt, bin so ausgeworfen aus <strong>de</strong>m Garten <strong>de</strong>r Natur, wo ich<br />
wuchs und blühte, und vertrockne an <strong>de</strong>r Mittagssonne.<br />
O ein Gott ist <strong>de</strong>r Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nach<strong>de</strong>nkt, und wenn <strong>die</strong> Begeisterung hin<br />
ist, steht er da, wie ein missratener Sohn, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vater aus <strong>de</strong>m #*17*#Hause stieß, und betrachtet <strong>die</strong><br />
ärmlichen Pfennige, <strong>die</strong> ihm das Mitleid auf <strong>de</strong>n Weg gab.<br />
HYPERION AN BELLARMIN<br />
Ich danke dir, dass du mich bittest, dir von mir zu erzählen+, dass du <strong>die</strong> vorigen Zeiten mir ins Gedächtnis<br />
bringst.<br />
Das trieb mich auch nach Griechenland zurück, dass ich <strong>de</strong>n Spielen meiner Jugend näher leben wollte.<br />
Wie <strong>de</strong>r Arbeiter in <strong>de</strong>n erquicken<strong>de</strong>n Schlaf, sinkt oft mein angefochtenes Wesen in <strong>die</strong> Arme <strong>de</strong>r<br />
unschuldigen Vergangenheit.<br />
Ruhe+ <strong>de</strong>r Kindheit! himmlische Ruhe+! wie oft steh’ ich stille+ vor dir in lieben<strong>de</strong>r Betrachtung, und<br />
möchte dich <strong>de</strong>nken! Aber wir haben ja nur Begriffe von <strong>de</strong>m, was einmal schlecht gewesen und wie<strong>de</strong>r gut<br />
gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe.<br />
Da ich noch ein stilles+ Kind war und von <strong>de</strong>m allem, was uns umgibt, nichts wusste, war ich da nicht<br />
mehr, als jetzt, nach all <strong>de</strong>n Mühen <strong>de</strong>s Herzens und all <strong>de</strong>m Sinnen und Ringen?<br />
Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in <strong>die</strong> Chamäleonsfarbe <strong>de</strong>r Menschen getaucht ist.<br />
Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.<br />
Der Zwang <strong>de</strong>s Gesetzes und <strong>de</strong>s Schicksals betastet es nicht; im Kind ist Freiheit allein.<br />
In ihm ist Frie<strong>de</strong>n; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichtum ist in ihm; es kennt sein Herz, <strong>die</strong><br />
Dürftigkeit <strong>de</strong>s Lebens nicht. Es ist unsterblich, <strong>de</strong>nn es weiß vom To<strong>de</strong> nichts.<br />
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