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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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O ewiges Irrsal! dacht’ ich bei mir, wann reißt <strong>de</strong>r Mensch aus <strong>de</strong>inen Ketten sich los?<br />

Wir sprechen+ von unsrem Herzen, unsern Planen, als wären sie unser, und es ist doch eine frem<strong>de</strong> Gewalt,<br />

<strong>die</strong> uns herumwirft und ins Grab legt, wie es ihr gefällt, und von <strong>de</strong>r wir nicht wissen, von wannen sie<br />

kommt, noch wohin sie geht.<br />

Wir wollen wachsen dahinauf, und dorthinaus <strong>die</strong> Äste und <strong>die</strong> Zweige breiten, und Bo<strong>de</strong>n und Wetter<br />

bringt uns doch, wohin es geht, und wenn <strong>de</strong>r Blitz auf <strong>de</strong>ine Krone fällt, und bis zur Wurzel dich<br />

hinunterspaltet, armer Baum! was geht es dich an?<br />

#*48*#So dacht’ ich. Ärgerst du dich daran, mein Bellarmin! Du wirst noch an<strong>de</strong>re Dinge hören+.<br />

Das eben, Lieber! ist das Traurige, dass unser Geist so gerne <strong>die</strong> Gestalt <strong>de</strong>s irren Herzens annimmt, so<br />

gerne <strong>die</strong> vorüberfliehen<strong>de</strong> Trauer festhält, dass <strong>de</strong>r Gedanke, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Schmerzen heilen sollte, selber krank<br />

wird, dass <strong>de</strong>r Gärtner an <strong>de</strong>n Rosensträuchen, <strong>die</strong> er pflanzen sollte, sich <strong>die</strong> Hand so oft zerreißt, o! das<br />

hat manchen zum Toren gemacht vor an<strong>de</strong>rn, <strong>die</strong> er sonst, wie ein Orpheus, hätte beherrscht, das hat so oft<br />

<strong>die</strong> e<strong>de</strong>lste Natur zum Spott gemacht vor Menschen, wie man sie auf je<strong>de</strong>r Straße fin<strong>de</strong>t, das ist <strong>die</strong> Klippe<br />

für <strong>die</strong> Lieblinge <strong>de</strong>s Himmels, dass ihre Liebe mächtig ist und zart, wie ihr Geist, dass ihres Herzens<br />

Wogen stärker oft und schneller sich regen, wie <strong>de</strong>r Tri<strong>de</strong>nt, womit <strong>de</strong>r Meergott sie beherrscht, und darum,<br />

Lieber! überhebe ja sich keiner.<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Kannst du es hören+, wirst du es begreifen, wenn ich dir von meiner langen kranken Trauer sage+?<br />

Nimm mich, wie ich mich gebe, und <strong>de</strong>nke, dass es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil<br />

man nie gelebt! Nei<strong>de</strong> <strong>die</strong> Lei<strong>de</strong>nsfreien nicht, <strong>die</strong> Götzen von Holz, <strong>de</strong>nen nichts mangelt, weil ihre Seele<br />

so arm ist, <strong>die</strong> nichts fragen+ nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was <strong>de</strong>r Pflege bedürfte.<br />

Ja! ja! es ist recht sehr leicht, glücklich, ruhig+ zu sein mit seichtem Herzen und eingeschränktem Geiste.<br />

Gönnen kann man’s euch; wer ereifert sich <strong>de</strong>nn, dass <strong>die</strong> bretterne Scheibe nicht wehklagt+, wenn <strong>de</strong>r<br />

Pfeil sie trifft, und dass <strong>de</strong>r hohle Topf so dumpf klingt, wenn ihn einer an <strong>die</strong> Wand wirft?<br />

Nur müsst ihr euch beschei<strong>de</strong>n, lieben Leute, müsst ja in aller Stille+ euch wun<strong>de</strong>rn, wenn ihr nicht<br />

begreift, dass andre nicht auch so glücklich, auch so selbstgenügsam sind, #*49*#müsst ja euch hüten, eure<br />

Weisheit zum Gesetz zu machen, <strong>de</strong>nn das wäre <strong>de</strong>r Welt En<strong>de</strong>, wenn man euch gehorchte.<br />

Ich lebte nun sehr still+, sehr anspruchslos in Tina. Ich ließ auch wirklich <strong>die</strong> Erscheinungen <strong>de</strong>r Welt<br />

vorüberziehn, wie Nebel im Herbste, lachte manchmal auch mit nassen Augen über mein Herz, wenn es<br />

hinzuflog, um zu naschen, wie <strong>de</strong>r Vogel nach <strong>de</strong>r gemalten Traube, und blieb still+ und freundlich dabei.<br />

Ich ließ nun je<strong>de</strong>m gerne seine Meinung, seine Unart. Ich war bekehrt, ich wollte niemand mehr bekehren,<br />

nur war mir traurig, wenn ich sah, dass <strong>die</strong> Menschen glaubten, ich lasse darum ihr Possenspiel<br />

unangetastet, weil ich es so hoch und teuer achte, wie sie. Ich mochte nicht gera<strong>de</strong> ihrer Albernheit mich<br />

unterwerfen, doch sucht’ ich sie zu schonen, wo ich konnte. Das ist ja ihre Freu<strong>de</strong>, dacht’ ich, davon leben<br />

sie ja!<br />

Oft ließ ich sogar mir gefallen, mitzumachen, und wenn ich noch so seelenlos, so ohne eignen Trieb dabei<br />

war, das merkte keiner, da vermisste keiner nichts, und hätt’ ich gesagt+, sie möchten mir’s verzeihen, so<br />

wären sie dagestan<strong>de</strong>n und hätten sich verwun<strong>de</strong>rt und gefragt+: was hast du <strong>de</strong>nn uns getan? Die<br />

Nachsichtigen!<br />

Oft, wenn ich <strong>de</strong>s Morgens dastand unter meinem Fenster und <strong>de</strong>r geschäftige Tag mir entgegenkam,<br />

konnt’ auch ich mich augenblicklich vergessen, konnte mich umsehn, als möcht’ ich etwas vornehmen,<br />

woran mein Wesen seine Lust noch hätte, wie ehmals, aber da schalt ich mich, da besann ich mich, wie<br />

einer, <strong>de</strong>m ein Laut+ aus seiner Muttersprache+ entfährt, in einem Lan<strong>de</strong>, wo sie nicht verstan<strong>de</strong>n+ wird –<br />

wohin, mein Herz? sagt’+ ich verständig zu mir selber und gehorchte mir.<br />

Was ist’s <strong>de</strong>nn, dass <strong>de</strong>r Mensch so viel will? fragt’+ ich oft; was soll <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> Unendlichkeit in seiner<br />

Brust? Unendlichkeit? wo ist sie <strong>de</strong>nn? wer hat sie <strong>de</strong>nn vernommen+? Mehr will er, als er kann! das<br />

möchte wahr sein! O! das hast du oft genug erfahren. Das ist auch nötig, wie es ist. Das gibt das süße,<br />

schwärmerische Gefühl <strong>de</strong>r Kraft, dass sie #*50*#nicht ausströmt, wie sie will, das eben macht <strong>die</strong> schönen<br />

Träume von Unsterblichkeit und all <strong>die</strong> hol<strong>de</strong>n und <strong>die</strong> kolossalischen Phantome, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n Menschen<br />

tausendfach entzücken, das schafft <strong>de</strong>m Menschen sein Elysium und seine Götter, dass seines Lebens Linie<br />

nicht gerad’ ausgeht, dass er nicht hinfährt, wie ein Pfeil, und eine frem<strong>de</strong> Macht <strong>de</strong>m Fliehen<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

Weg sich wirft.<br />

Des Herzens Woge schäumte nicht so schön empor, und wür<strong>de</strong> Geist, wenn nicht <strong>de</strong>r alte stumme+ Fels,<br />

das Schicksal, ihr entgegenstän<strong>de</strong>.<br />

Aber <strong>de</strong>nnoch stirbt <strong>de</strong>r Trieb in unserer Brust, und mit ihm unsre Götter und ihr Himmel.<br />

Das Feuer geht empor in freudigen Gestalten, aus <strong>de</strong>r dunkeln Wiege, wo es schlief, und seine Flamme<br />

steigt und fällt, und bricht sich und umschlingt sich freudig wie<strong>de</strong>r, bis ihr Stoff verzehrt ist, nun raucht und<br />

ringt sie und erlischt; was übrig ist, ist Asche.<br />

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