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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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phänomenologische Hermeneutik von Mario J. Valdés 72 , mit <strong>de</strong>r wichtigen Ausnahme, dass er<br />

meint, <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Auslegungen eines Textes seien unerschöpflich, und <strong>de</strong>shalb sei <strong>de</strong>r<br />

Versuch, eine intersubjektive Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Textes festzustellen, vergeblich. Es muss zwar<br />

eingeräumt wer<strong>de</strong>n, dass Valdés in einem absoluten Sinn Recht hat, ebenso wie Hans Georg<br />

Gadamer, <strong>de</strong>r behauptet, dass <strong>die</strong> alleinig richtige und endgültige Interpretation eines Textes<br />

nicht existieren kann; aber dagegen ist einzuwen<strong>de</strong>n, dass, wenn man <strong>die</strong>ses Argument<br />

folgerichtig bis zu seiner letzten Konsequenz führen wür<strong>de</strong>, dann keine Wissenschaft, keine<br />

Kommunikation und gar keine menschliche Sprache mehr möglich wären. Demnach hätte <strong>die</strong><br />

vorliegen<strong>de</strong> Arbeit gar nicht erst geschrieben wer<strong>de</strong>n sollen. In <strong>de</strong>r Praxis muss man also<br />

unbedingt davon ausgehen, dass ein minimaler intersubjektiver Konsens erreichbar ist. In <strong>die</strong>sem<br />

Sinne will Paul Ricœur eine völlige Interpretationswillkür einschränken und versucht, einen<br />

Mittelpunkt zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen und manchmal radikal gegensätzlichen Interpretationstheorien<br />

zu fin<strong>de</strong>n. Sogar Wolfgang Iser, einer <strong>de</strong>r wichtigsten Vertreter <strong>de</strong>r Rezeptionstheorie,<br />

welche <strong>die</strong> Offenheit <strong>de</strong>s wirkungsästhetischen Textmo<strong>de</strong>lls und <strong>de</strong>n immer gebrochenen Charakter<br />

einer je<strong>de</strong>n Aktualisierung <strong>de</strong>s textuellen Sinnpotentials verficht, tritt dafür ein, dass <strong>die</strong><br />

Textstruktur <strong>de</strong>m rationalen Diskurs zugänglich ist und eine hinreichen<strong>de</strong>, intersubjektiv zu rekonstruieren<strong>de</strong><br />

Basis bil<strong>de</strong>t, um <strong>die</strong> Wissenschaftsfähigkeit <strong>de</strong>s kritischen Dialoges zu gewährleisten<br />

und einer relativistischen Beliebigkeit <strong>de</strong>s Spiels individueller Meinungen Einhalt zu gebieten<br />

73 .<br />

Siebtens wird beanstan<strong>de</strong>t, dass in <strong>de</strong>r Annahme, dass ein literarisches Werk ein organisches<br />

Ganzes bil<strong>de</strong>, ja dass sogar alle einzelnen Werke eines bestimmten Autors <strong>die</strong>s täten, <strong>die</strong> phänomenologische<br />

Kritik bei ihrer entschlossenen Jagd nach Einheitlichkeiten unerschrocken zwischen<br />

<strong>de</strong>n zeitlich am weitesten auseinan<strong>de</strong>r liegen<strong>de</strong>n, thematisch unterschiedlichsten Texten<br />

hin­ und herspringen kann. Gegen eine solche Willkür wird gemahnt, <strong>die</strong>s sei eine i<strong>de</strong>alistische,<br />

essentialistische, ahistorische, formalistische und organizistische Kritikform, eine Art reines Destillat<br />

aus <strong>de</strong>n blin<strong>de</strong>n Flecken, Vorurteilen und Beschränktheiten <strong>de</strong>r gesamten mo<strong>de</strong>rnen Literaturtheorie.<br />

Dies ist m.E. völlig richtig, und bei vielen Höl<strong>de</strong>rlinforschern lei<strong>de</strong>r oft <strong>de</strong>r Fall. Es<br />

ist klar, dass <strong>die</strong> unterschiedlichen Texte Höl<strong>de</strong>rlins zum Teil nicht vergleichbar o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

nicht gleichzusetzen sind, wenn sie verschie<strong>de</strong>ne chronologische Etappen im Werke <strong>de</strong>s Autors<br />

bzw. verschie<strong>de</strong>ne literarische Stile vertreten. Deswegen beschränkt sich <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong> auf einen<br />

einzigen chronologischen Abschnitt <strong>de</strong>s höl<strong>de</strong>rlinischen Werkes und analysiert <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />

literarischen Gattungen zuerst unabhängig voneinan<strong>de</strong>r, um sie dann später zu vergleichen.<br />

Wenn ein Schriftsteller im Laufe seines Lebens eine bestimmte Menge Texte hervorgebracht hat,<br />

ist es zwar möglich, dass er all <strong>die</strong> Jahre ein einziges einheitliches Konzept hatte, das er nach und<br />

nach in <strong>die</strong> Tat umsetzte. Aber <strong>die</strong>s muss keineswegs notwendigerweise <strong>de</strong>r Fall sein, und <strong>de</strong>shalb<br />

darf man nicht davon ausgehen.<br />

1.3. Linguistisches<br />

1.3.1. Für <strong>die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Arbeit relevante linguistische<br />

Theorien<br />

Seit <strong>de</strong>n 80er Jahren ten<strong>die</strong>rt <strong>die</strong> Mehrheit <strong>de</strong>r Sprachwissenschaftler immer mehr dazu, Morphologie<br />

und Syntax <strong>de</strong>r Semantik unterzuordnen, und alle drei wie<strong>de</strong>rum in <strong>die</strong> Pragmatik einzu­<br />

72<br />

Valdés, 1989: 177.<br />

73<br />

Nünning, 2001 versteht es, uns einen guten Überblick zu verschaffen: zu Fish auf S. 286, zu Gadamer auf S. 248<br />

f., zu Ricœur auf s. 246 f. und zu Iser auf S. 292.<br />

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