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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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warmen Hügel ging, auch wenn ich <strong>de</strong>s Stroms Gesta<strong>de</strong>, <strong>die</strong> luftigen umschifft’ und alle <strong>die</strong> Inseln, <strong>die</strong> er<br />

zärtlich hegt. (Schmidt, 1994: 172)<br />

Das „Schicksal“, <strong>die</strong> Götter, <strong>die</strong> Natur, sprechen ein „Wort“ zu Hyperion und sagen ihm, er solle<br />

<strong>die</strong> Hoffnung nicht aufgeben, son<strong>de</strong>rn sich über das Wun<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>s Lebens<br />

freuen. Dieses Wort ist wie „Nachtigallgesang“, es ist ein „Lebenslied“, das „göttlich tönt“.<br />

Auch wir, auch wir sind nicht geschie<strong>de</strong>n, Diotima, und <strong>die</strong> Tränen um dich verstehen es nicht. Lebendige<br />

Töne sind wir, stimmen zusammen in <strong>de</strong>inem Wohllaut, Natur! wer reißt <strong>de</strong>n? wer mag <strong>die</strong> Lieben<strong>de</strong>n<br />

schei<strong>de</strong>n? – (Schmidt, 1994: 174)<br />

In <strong>de</strong>r heiligen Sprache kommunizieren und existieren <strong>die</strong> Menschen miteinan<strong>de</strong>r und mit <strong>de</strong>r<br />

Natur auf harmonische Weise, so <strong>die</strong> Meinung Höl<strong>de</strong>rlins. Mit <strong>die</strong>ser Vorstellung als Hintergrund<br />

kann man dann nachvollziehen, was Hyperion hier meint: Je<strong>de</strong>s Lebewesen, auch je<strong>de</strong>r<br />

Mensch, ist wie ein Ton im harmonischen, wohllauten<strong>de</strong>n Konzert <strong>de</strong>r Natur, <strong>de</strong>r Gottheit, <strong>de</strong>s<br />

Lebens.<br />

B.II.b.3.2. Sprache als Daseins­ bzw. Manifestationsform <strong>de</strong>s<br />

Göttlichen<br />

Das erste Kind <strong>de</strong>r menschlichen, <strong>de</strong>r göttlichen Schönheit ist <strong>die</strong> Kunst. In ihr verjüngt und wie<strong>de</strong>rholt <strong>de</strong>r<br />

göttliche Mensch sich selbst. Er will sich selber fühlen, darum stellt er seine Schönheit gegenüber sich. So<br />

gab <strong>de</strong>r Mensch sich seine Götter. Denn im Anfang war <strong>de</strong>r Mensch und seine Götter Eins, da, sich selber<br />

unbekannt, <strong>die</strong> ewige Schönheit war. – Ich spreche Mysterien, aber sie sind. –<br />

Das erste Kind <strong>de</strong>r göttlichen Schönheit ist <strong>die</strong> Kunst. So war es bei <strong>de</strong>n Athenern. (Schmidt, 1994: 90)<br />

Hyperion meint hier, dank <strong>de</strong>r Kunst und nur durch sie vermag <strong>de</strong>r Mensch, sich selbst zu erkennen.<br />

Denn ohne Kunst wäre <strong>die</strong> göttliche Schönheit nicht wahrnehmbar. Die Götter gibt es erst<br />

dank <strong>de</strong>r Kunst und durch sie. Kunst ist <strong>de</strong>mnach entwe<strong>de</strong>r <strong>die</strong> sprachliche Kunst, d.h. <strong>die</strong> Literatur,<br />

o<strong>de</strong>r eine als semiotisches Kommunikationssystem funktionieren<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst.<br />

o Diotima! Diotima! wann sehn wir uns wie<strong>de</strong>r?<br />

Es ist unmöglich, und mein innerstes Leben empört sich, wenn ich <strong>de</strong>nken will, als verlören wir uns. Ich<br />

wür<strong>de</strong> Jahrtausen<strong>de</strong> lang <strong>die</strong> Sterne durchwan<strong>de</strong>rn, in alle Formen mich klei<strong>de</strong>n, in alle Sprachen <strong>de</strong>s Lebens,<br />

um dir Einmal wie<strong>de</strong>r zu begegnen. Aber ich <strong>de</strong>nke, was sich gleich ist, fin<strong>de</strong>t sich bald. (Schmidt,<br />

1994: 136)<br />

Wenn Hyperion sagt, er wür<strong>de</strong> „Jahrtausen<strong>de</strong> lang <strong>die</strong> Sterne durchwan<strong>de</strong>rn“, kann er <strong>die</strong>s nicht<br />

wörtlich meinen. Um <strong>die</strong> Sterne und auch alle Formen <strong>de</strong>s Lebens zu durchwan<strong>de</strong>rn, müsste er<br />

sich in etwas an<strong>de</strong>res als in einen üblichen Menschen verwan<strong>de</strong>ln. Dass er Jahrtausen<strong>de</strong> lang<br />

nach Diotima suchen wür<strong>de</strong>, präsupponiert, dass er so lange leben wür<strong>de</strong>, doch das wäre unmöglich,<br />

wenn Hyperions Person als Hyperions Körper verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollte. Der Ausdruck<br />

„mein innerstes Leben“ bestätitgt <strong>die</strong>se Vorstellung <strong>de</strong>s Menschen als hauptsächlich geistiges<br />

Wesen. Der Parallelismus „in alle“ plus Plural Feminin und <strong>de</strong>r sinngemäße Kontext implizieren,<br />

dass das Verb „sich klei<strong>de</strong>n“ und wahrscheinlich auch <strong>de</strong>r Genitiv „<strong>de</strong>s Lebens“ für bei<strong>de</strong> Substantive,<br />

d.h. „Formen“ und „Sprachen“, gelten, so dass bei<strong>de</strong> Substantive als ungefähr synonym<br />

zu verstehen sind. Demnach sind je<strong>de</strong>s Lebewesen und je<strong>de</strong> Lebensform eine Sprache <strong>de</strong>s Lebens,<br />

eine Erscheinungsform, <strong>die</strong> durch ihr Dasein von <strong>de</strong>r Existenz <strong>de</strong>s Lebens zeugt, welches<br />

in <strong>de</strong>r Mannigfaltigkeit seiner Manifestationen eine Einheit <strong>de</strong>r Substanz bleibt. Diese philosophische,<br />

metaphysisch­ontologische Vorstellung gibt Hyperion Hoffnung, Diotima eines Tages<br />

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