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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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kaum. Da tat es uns so wohl, dass uns das seelenvolle Grün nicht auch so wegflog, wie <strong>de</strong>r Bach, und <strong>de</strong>r<br />

schöne Frühling uns so still+ hielt, wie ein zahmer Vogel, aber nun ist er <strong>de</strong>nnoch über <strong>die</strong> Berge.<br />

Wir lächelten über <strong>de</strong>m Worte+, wiewohl das Trauern uns näher war.<br />

So sollt’ auch unsre eigne Seligkeit dahingehn, und wir sahen’s voraus.<br />

O Bellarmin! wer darf <strong>de</strong>nn sagen+, er stehe fest, wenn auch das Schöne seinem Schicksal so entgegenreift,<br />

wenn auch das Göttliche sich <strong>de</strong>mütigen muss, und <strong>die</strong> Sterblichkeit mit allem Sterblichen teilen!<br />

HYPERION AN BELLARMIN<br />

Ich hatte mit <strong>de</strong>m hol<strong>de</strong>n Mädchen noch vor ihrem Hause gezögert, bis das Licht <strong>de</strong>r Nacht in <strong>die</strong> ruhige+<br />

Dämmerung schien, nun kam ich in Notaras Wohnung zurück, gedankenvoll, voll überwallen<strong>de</strong>n<br />

heroischen Lebens, wie immer, wenn ich aus ihren Umarmungen ging. Es war ein Brief von Alabanda<br />

gekommen.<br />

Es regt sich, Hyperion, schrieb+ er mir, Russland hat <strong>de</strong>r Pforte <strong>de</strong>n Krieg erklärt; man kommt mit einer<br />

Flotte in <strong>de</strong>n Archipelagus *(im Jahr 1770); <strong>die</strong> Griechen sollen frei sein, wenn sie mit aufstehn, <strong>de</strong>n Sultan<br />

an <strong>de</strong>n Euphrat zu treiben. Die Griechen wer<strong>de</strong>n das Ihre tun, <strong>die</strong> Griechen wer<strong>de</strong>n frei sein und mir ist<br />

herzlich wohl, dass es einmal wie<strong>de</strong>r etwas zu tun gibt. Ich mochte <strong>de</strong>n Tag nicht sehn, so lang es noch so<br />

weit nicht war.<br />

#*107*#Bist du noch <strong>de</strong>r Alte, so komm! Du findst mich in <strong>de</strong>m Dorfe vor Koron, wenn du <strong>de</strong>n Weg von<br />

Misistra kommst. Ich wohne am Hügel, in <strong>de</strong>m weißen Landhause am Wal<strong>de</strong>.<br />

Die Menschen, <strong>die</strong> du in Smyrna bei mir kennen lerntest, hab’ ich verlassen. Du hattest Recht mit <strong>de</strong>inem<br />

feinern Sinne, dass du in ihre Sphäre nicht tratest.<br />

Mich verlangt, uns Bei<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m neuen Leben wie<strong>de</strong>rzusehn. Dir war bis jetzt <strong>die</strong> Welt zu schlecht, um ihr<br />

dich zu erkennen zu geben. Weil du nicht Knechts<strong>die</strong>nste tun mochtest, tatest du nichts, und das Nichtstun<br />

machte dich grämlich und träumerisch.<br />

Du mochtest im Sumpfe nicht schwimmen. Komm nun, komm, und lass uns ba<strong>de</strong>n in offener See!<br />

Das soll uns wohl tun, einzig Geliebter!<br />

So schrieb+ er. Ich war betroffen im ersten Moment. Mir brannte das Gesicht vor Scham, mir kochte das<br />

Herz, wie heiße Quellen, und ich konnt’ auf keiner Stelle bleiben, so schmerzt’ es mich, überflogen zu sein<br />

von Alabanda, überwun<strong>de</strong>n auf immer. Doch nahm ich nun auch um so begieriger <strong>die</strong> künftige Arbeit ans<br />

Herz. –<br />

Ich bin zu müßig gewor<strong>de</strong>n, rief+ ich, zu frie<strong>de</strong>nslustig, zu himmlisch, zu träg! – Alabanda sieht in <strong>die</strong><br />

Welt, wie ein edler Pilot, Alabanda ist fleißig und sucht in <strong>de</strong>r Woge nach Beute; und dir schlafen <strong>die</strong><br />

Hän<strong>de</strong> im Schoß? und mit Worten+ möchtest du ausreichen, und mit Zauberformeln+ beschwörst+ du <strong>die</strong><br />

Welt? Aber <strong>de</strong>ine Worte+ sind, wie Schneeflocken, unnütz, und machen <strong>die</strong> Luft nur trüber und <strong>de</strong>ine<br />

Zaubersprüche+ sind für <strong>die</strong> Frommen, aber <strong>die</strong> Ungläubigen hören+ dich nicht. – Ja! sanft zu sein, zu<br />

rechter Zeit, das ist wohl schön, doch sanft zu sein, zur Unzeit, das ist hässlich, <strong>de</strong>nn es ist feig! – Aber<br />

Harmodius! <strong>de</strong>iner Myrte will ich gleichen, <strong>de</strong>iner Myrte, worin das Schwert sich verbarg. Ich will umsonst<br />

nicht müßig gegangen sein, und mein Schlaf soll wer<strong>de</strong>n, wie Öl, wenn <strong>die</strong> Flamme darein kommt. Ich will<br />

nicht zusehn, wo es gilt, will nicht umhergehn und <strong>die</strong> Neuigkeit erfragen+, wann Alabanda <strong>de</strong>n Lorbeer<br />

nimmt.<br />

#*108*#HYPERION AN BELLARMIN<br />

Diotimas Erblassen, da sie Alabandas Brief las, ging mir durch <strong>die</strong> Seele. Drauf fing sie an, gelassen und<br />

ernst, <strong>de</strong>n Schritt mir abzuraten und wir sprachen+ manches hin und wi<strong>de</strong>r. O ihr Gewaltsamen! rief+ sie<br />

endlich, <strong>die</strong> ihr so schnell zum Äußersten seid, <strong>de</strong>nkt an <strong>die</strong> Nemesis!<br />

Wer Äußerstes lei<strong>de</strong>t, sagt’+ ich, <strong>de</strong>m ist das Äußerste recht.<br />

Wenn’s auch recht ist, sagte+ sie, du bist dazu nicht geboren.<br />

So scheint es, sagt’+ ich; ich hab’ auch lange genug gesäumt. O ich möchte einen Atlas auf mich la<strong>de</strong>n, um<br />

<strong>die</strong> Schul<strong>de</strong>n meiner Jugend abzutragen. Hab’ ich ein Bewusstsein? hab’ ich ein Bleiben in mir? O lass<br />

mich, Diotima! Hier, gerad’ in solcher Arbeit muss ich es erbeuten.<br />

Das ist eitel Übermut! rief+ Diotima; neulich warst du bescheidner, neulich, da du sagtest+, ich muss noch<br />

ausgehn, zu lernen.<br />

Liebe Sophistin! rief+ ich, damals war ja auch von ganz was an<strong>de</strong>rem <strong>die</strong> Re<strong>de</strong>+. In <strong>de</strong>n Olymp <strong>de</strong>s göttlich<br />

Schönen, wo aus ewig jungen Quellen das Wahre mit allem Guten entspringt, dahin mein Volk zu führen,<br />

bin ich noch jetzt nicht geschickt. Aber ein Schwert zu brauchen, hab’ ich gelernt und mehr bedarf es für<br />

jetzt nicht. Der neue Geisterbund kann in <strong>de</strong>r Luft nicht leben, <strong>die</strong> heilige Theokratie <strong>de</strong>s Schönen muss in<br />

einem Freistaat wohnen, und <strong>de</strong>r will Platz auf Er<strong>de</strong>n haben und <strong>die</strong>sen Platz erobern wir gewiss.<br />

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