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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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mit Antonym von „Streit“. Der Autor nützt <strong>die</strong>se Zwei<strong>de</strong>utigkeit bewusst aus, <strong>de</strong>nn es passt sehr<br />

gut zu seiner Vorstellung <strong>de</strong>s Einen in sich selber unterschie<strong>de</strong>nen, dass mehrere individuelle<br />

Töne zusammen zu einem harmonischen einzigen Ganzen wer<strong>de</strong>n. Viele Klänge klingen somit<br />

nicht gegeneinan<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn einträchtig wie etwas, das wun<strong>de</strong>rbar schön und erhaben ist, z.B.<br />

wie bei einem „Saitenspiel“. Wenn Hyperion sagt, dass er sein Leben über<strong>de</strong>nkt und ihm seine<br />

Vergangenheit irgendwie „lautet“, dann benutzt er das Verb in einer ungewöhnlichen Be<strong>de</strong>utung,<br />

<strong>die</strong> eher mit einem an<strong>de</strong>ren Verb wie 'dünkt, <strong>de</strong>ucht, erscheint' auszudrücken wäre. Mit <strong>die</strong>ser<br />

Metapher will er wahrscheinlich vermitteln, dass <strong>de</strong>r Gedanke nicht einfach so in seinem Inneren<br />

da ist, son<strong>de</strong>rn dass er vielmehr tönt, dass er wie eine Melo<strong>die</strong> – d.h. wie ein Satz <strong>de</strong>r heiligen<br />

Sprache – empfun<strong>de</strong>n wird. Diese Sprache ist ein<strong>de</strong>utig <strong>die</strong> heilige, weil Hyperion <strong>die</strong>se Gedanken<br />

nur in <strong>de</strong>n Sinn kommen, wenn er aufs Meer hinausschaut und also in Kontakt mit <strong>de</strong>r göttlichen<br />

Natur kommt.<br />

Mir ist lange nicht gewesen, wie jetzt.<br />

Wie Jupiters Adler <strong>de</strong>m Gesange <strong>de</strong>r Musen, lausch’ ich <strong>de</strong>m wun<strong>de</strong>rbaren unendlichen Wohllaut in mir.<br />

Unangefochten an Sinn und Seele, stark und fröhlich, mit lächeln<strong>de</strong>m Ernste, spiel’ ich im Geiste mit <strong>de</strong>m<br />

Schicksal und <strong>de</strong>n drei Schwestern, <strong>de</strong>n heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlockt mein ganzes Wesen<br />

über sich selbst, über Alles. Wie <strong>de</strong>r Sternenhimmel, bin ich still und bewegt. (Schmidt, 1994: 57)<br />

Hyperion vergleicht sich selbst mit <strong>de</strong>m „Sternenhimmel“, er ist „still“ – und das kann entwe<strong>de</strong>r<br />

'wortlos' o<strong>de</strong>r 'ruhig' be<strong>de</strong>uten – und „bewegt“ – und das be<strong>de</strong>utet 'unruhig, berührt' – also muss<br />

„still“ 'wortlos' be<strong>de</strong>uten. Hyperion ist also wortlos, aber sein ganzes Wesen ist voll göttlicher<br />

Freu<strong>de</strong>. Des Weiteren vergleicht er das, was sich in seinem Geist bewegt, mit einem Wohllaut,<br />

<strong>de</strong>n er <strong>de</strong>m Gesang <strong>de</strong>r Musen gleichsetzt. Die Natur und Hyperion sind tief verbun<strong>de</strong>n, und<br />

kommunizieren auf eine wortlose Weise, <strong>die</strong> wie Musik ist.<br />

Wir sprachen sehr wenig zusammen. Man schämt sich seiner Sprache. Zum Tone möchte man wer<strong>de</strong>n und<br />

sich vereinen in Einen Himmelsgesang.<br />

Wovon auch sollten wir sprechen? Wir sahn nur uns. Von uns zu sprechen, scheuten wir uns.<br />

Vom Leben <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sprachen wir endlich.<br />

So feurig und kindlich ist ihr noch keine Hymne gesungen wor<strong>de</strong>n. (Schmidt, 1994: 63)<br />

Hyperion erzählt von seiner himmlischen Liebesbeziehung zu Diotima. Um sich miteinan<strong>de</strong>r zu<br />

vereinigen, waren Worte fehl am Platz, lieber wollten sie nicht sprechen – hier ist von <strong>de</strong>r alltäglichen<br />

Sprache <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> –, aber sie wollten schon zum Ton wer<strong>de</strong>n, und das Ergebnis ihrer Vereinigung<br />

wäre ein Himmelsgesang – und hier ist von <strong>de</strong>r heiligen Sprache <strong>die</strong> Re<strong>de</strong>, durch <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> zwischenmenschliche Vereinigung und <strong>die</strong> Vereinigung <strong>de</strong>s Menschen mit <strong>de</strong>r göttlichen Natur<br />

möglich sind –. Diese heilige Sprache ist hier wortlos, viel eher wie Musik. Später kommen<br />

<strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Lieben<strong>de</strong>n endlich zur Sprache und sprechen von einem tiefen, wesentlichen Thema,<br />

„vom Leben <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>“. Ihre Sprache wird „so feurig und kindisch“, dass sie nicht mehr <strong>die</strong> normale<br />

alltägliche Sprache ist, sie besingt <strong>die</strong> Herrlichkeit <strong>de</strong>r Natur und hat wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Rang <strong>de</strong>r<br />

heiligen Sprache erreicht, aber <strong>die</strong>smal schon mit Worten.<br />

Nur ihren Gesang sollt’ ich vergessen, nur <strong>die</strong>se Seelentöne sollten nimmer wie<strong>de</strong>rkehren in meinen unaufhörlichen<br />

Träumen.<br />

Man kennt <strong>de</strong>n stolz hinschiffen<strong>de</strong>n Schwan nicht, wenn er schlummernd am Ufer sitzt.<br />

Nur, wenn sie sang, erkannte man <strong>die</strong> lieben<strong>de</strong> Schweigen<strong>de</strong>, <strong>die</strong> so ungern sich zur Sprache verstand.<br />

Da, da ging erst <strong>die</strong> himmlische Ungefällige in ihrer Majestät und Lieblichkeit hervor; da weht’ es oft so<br />

bittend und so schmeichelnd, oft, wie ein Göttergebot, von <strong>de</strong>n zarten blühen<strong>de</strong>n Lippen. Und wie das<br />

Herz sich regt’ in <strong>die</strong>ser göttlichen Stimme, wie alle Größe und Demut, alle Lust und alle Trauer <strong>de</strong>s Lebens<br />

verschönert im A<strong>de</strong>l <strong>die</strong>ser Töne erschien!<br />

Wie im Fluge <strong>die</strong> Schwalbe <strong>die</strong> Bienen hascht, ergriff sie immer uns alle.<br />

Es kam nicht Lust und nicht Bewun<strong>de</strong>rung, es kam <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Himmels unter uns.<br />

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