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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Der Genitiv drückt unter an<strong>de</strong>rem Besitz bzw. Zugehörigkeit aus, so dass <strong>de</strong>r Ausdruck umformuliert<br />

wer<strong>de</strong>n kann und ergibt, dass <strong>de</strong>r Genitiv zum Subjekt und das Bezugswort zum Objekt<br />

<strong>de</strong>s Verbs 'haben' wer<strong>de</strong>n. Das Herz Hyperions hat <strong>de</strong>mnach „Melo<strong>die</strong>n“. Da aber Hyperion kein<br />

Komponist ist, präsupponiert man, dass sein Herz – bzw. im Allgemeinen das Herz eines je<strong>de</strong>n<br />

Menschen – Gefühle birgt, doch keine Musik, und das impliziert, dass <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong>n metaphorisch<br />

für <strong>de</strong>n Wunsch nach Harmonie mit <strong>de</strong>r Welt stehen. Der „Schellenklang“ gehört zum selben<br />

Prototyp wie <strong>die</strong> „Melo<strong>die</strong>n“, und es gibt tatsächlich einen Parallelismus bei<strong>de</strong>r Substative.<br />

Denn <strong>die</strong> Welt hat ihrerseits einen Schellenklang, einen musikalischen Schall also, <strong>de</strong>r aus vielen<br />

individuellen Tönen besteht. Der Inhalt von Hyperions Herzen will als einer <strong>die</strong>ser Töne verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> zum gesamten Einklang beitragen. Hyperion spricht also hier von sich selbst<br />

und stellt dar, wie einsam er unter Menschen war, <strong>die</strong> <strong>die</strong> heilige Sprache nicht verstan<strong>de</strong>n, und<br />

schil<strong>de</strong>rt, dass dagegen <strong>die</strong> Welt für ihn eine Musik war, <strong>die</strong> mit <strong>de</strong>r Musik in seinem Herzen<br />

übereinstimmte.<br />

<strong>die</strong> Hel<strong>de</strong>n haben ihren Ruhm, <strong>die</strong> Weisen ihre Lehrlinge verloren. Große Taten, wenn sie nicht ein e<strong>de</strong>l<br />

Volk vernimmt, sind mehr nicht als ein gewaltiger Schlag vor eine dumpfe Stirne, und hohe Worte, wenn<br />

sie nicht in hohen Herzen wi<strong>de</strong>rtönen, sind, wie ein sterbend Blatt, das in <strong>de</strong>n Kot herunterrauscht.<br />

(Schmidt, 1994: 36)<br />

Dies sagt Alabanda, <strong>de</strong>r ein Mann <strong>de</strong>r Tat ist, zu Hyperion. Die „hohen Worte“ stehen hier für<br />

<strong>die</strong> heilige Sprache, <strong>die</strong> fähig ist, Göttliches auszudrücken und es auch in <strong>die</strong> Tat umzusetzen.<br />

Weil sie hohe Worte sind, sagt Alabanda nicht, dass sie wi<strong>de</strong>rhallen, son<strong>de</strong>rn dass sie „wi<strong>de</strong>rtönen“,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>die</strong> heilige Sprache ist wie Musik.<br />

O Himmel und Er<strong>de</strong>! rief ich, das ist Freu<strong>de</strong>! – Das sind andre Zeiten, das ist kein Ton aus meinem kindischen<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt, das ist nicht <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n, wo das Herz <strong>de</strong>s Menschen unter seines Treibers Peitsche<br />

keucht. – Ja! ja! bei <strong>de</strong>iner herrlichen Seele, Mensch! Du wirst mit mir das Vaterland erretten. (Schmidt,<br />

1994: 37)<br />

Alabanda und Hyperion sind froh, einan<strong>de</strong>r gefun<strong>de</strong>n zu haben und sich in lei<strong>de</strong>nschaftlicher<br />

freundschaftlicher Liebe zu vereinen. Da sprechen sie <strong>die</strong>selbe Sprache, <strong>die</strong> heilige Sprache, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Menschen miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>t, und <strong>die</strong> ist wie Musik, <strong>de</strong>swegen sagt Hyperion „Ton“, wo<br />

er 'Auffassung, Haltung, Erinnerung' hätte sagen können.<br />

Von <strong>die</strong>sem Tag an wur<strong>de</strong>n wir uns immer heiliger und lieber. Tiefer unbeschreiblicher Ernst war unter uns<br />

gekommen. Aber wir waren nur um so seliger zusammen. Nur in <strong>de</strong>n ewigen Grundtönen seines Wesens<br />

lebte je<strong>de</strong>r, und schmucklos schritten wir fort von einer großen Harmonie zur an<strong>de</strong>rn. Voll herrlicher<br />

Strenge und Kühnheit war unser gemeinsames Leben. (Schmidt, 1994: 38)<br />

Alabanda und Hyperion gehen eine tiefe Freundschaft ein, <strong>die</strong> sie auf heilige Weise verbin<strong>de</strong>t.<br />

Da gibt es keinen Raum mehr für <strong>die</strong> alltägliche Sprache, und <strong>de</strong>swegen ist ihre Beziehung unbeschreiblich.<br />

Eben <strong>de</strong>shalb ist ihre tiefe Kommunikation nur mit <strong>de</strong>r Sprache <strong>de</strong>r Musik vergleichbar.<br />

Bei<strong>de</strong> Wörter – „Grundtönen“ und „Harmonie“ – gehören zum Prototyp <strong>de</strong>r musikalischen<br />

Ausdrücke.<br />

O<strong>de</strong>r schau’ ich aufs Meer hinaus und über<strong>de</strong>nke mein Leben, sein Steigen und Sinken, seine Seligkeit und<br />

seine Trauer und meine Vergangenheit lautet mir oft, wie ein Saitenspiel, wo <strong>de</strong>r Meister alle Töne durchläuft,<br />

und Streit und Einklang mit verborgener Ordnung untereinan<strong>de</strong>rwirft. (Schmidt, 1994: 56)<br />

Die Worte „lauten“, „Saitenspiel“ und „Ton“ gehören ein<strong>de</strong>utig zum selben Prototyp, nämlich<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Musik. Das Substantiv „Einklang“ ist zwei<strong>de</strong>utig: Einerseits be<strong>de</strong>utet es 'das Zusammenklingen<br />

von zwei o<strong>de</strong>r mehr Tönen auf <strong>de</strong>rselben Tonhöhe o<strong>de</strong>r im Oktavabstand', und dann<br />

gehört es auch zum genannten Prototyp, an<strong>de</strong>rerseits ist es ein Synonym für 'Harmonie' und so­<br />

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