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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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stolz gewor<strong>de</strong>n, um sich’s länger gefallen zu lassen auf <strong>die</strong>sem mittelmäßigen Sterne? Aber hast du sie fliegen<br />

gelehrt, warum lehrst du meine Seele nicht auch, dir wie<strong>de</strong>rzukehren? (Schmidt, 1994: 160)<br />

Dies schreibt Diotima an Hyperion. Sie weiß, sie wird bald sterben und Hyperion wird ihr nicht<br />

rechtzeitig antworten können. Deswegen hat <strong>de</strong>r Imperativ hier nicht <strong>die</strong> Be<strong>de</strong>utung einer direkten<br />

Auffor<strong>de</strong>rung, son<strong>de</strong>rn <strong>die</strong>nt lediglich als phatischer o<strong>de</strong>r sogar emphatischer Ausdruck.<br />

Den Tag, nach<strong>de</strong>m sie dir zum letzten Mal geschrieben, wur<strong>de</strong> sie ganz ruhig (Schmidt, 1994: 163)<br />

Dies schreibt Notara an Hyperion. Er erzählt von <strong>de</strong>n letzten Lebenstagen Diotimas. Das<br />

„Schreiben“ wird hier als eine Kommunikationstätigkeit verstan<strong>de</strong>n, durch welche <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n in<br />

Kontakt blieben. Notara bezieht sich nicht auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Briefe.<br />

Ich weiß es wohl, du wirst an Alabanda mich verweisen. Aber höre nur! zertrümmert ist er! verwittert ist<br />

<strong>de</strong>r feste, schlanke Stamm. (Schmidt, 1994: 167)<br />

Der Imperativ „höre“ be<strong>de</strong>utet hier so viel wie 'pass auf' und soll einfach <strong>die</strong> Aufmerksamkeit<br />

<strong>de</strong>s Empfängers wecken, um das danach Gesagte hervorzuheben.<br />

B.II.a.3. Sprache und Gefühle<br />

B.II.a.3.1. Manchmal muss man Mut haben, um etwas zur<br />

Sprache zu bringen<br />

Ich nahm es an. Wir sprachen lange kein Wort. Was willst du? fragt’ ich endlich.<br />

Das kannst du fragen? erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r wil<strong>de</strong> Mensch mit einer Wehmut, <strong>die</strong> mir durch <strong>die</strong> Seele ging. Ich<br />

war betroffen, verwirrt.<br />

Was soll ich von dir <strong>de</strong>nken? fing ich endlich wie<strong>de</strong>r an.<br />

Das, was ich bin! erwi<strong>de</strong>rt’ er gelassen. (Schmidt, 1994: 45)<br />

Mit an<strong>de</strong>ren Worten hätte <strong>die</strong>selbe Frage auch lauten können: 'Wie kannst du es wagen, mich danach<br />

zu fragen?' Und tatsächlich sprach Hyperion lange kein Wort, <strong>de</strong>nn er brauchte Zeit, seinen<br />

Mut zusammenzunehmen.<br />

Mir ist lange nicht gewesen, wie jetzt.<br />

Wie Jupiters Adler <strong>de</strong>m Gesange <strong>de</strong>r Musen, lausch’ ich <strong>de</strong>m wun<strong>de</strong>rbaren unendlichen Wohllaut in mir.<br />

Unangefochten an Sinn und Seele, stark und fröhlich, mit lächeln<strong>de</strong>m Ernste, spiel’ ich im Geiste mit <strong>de</strong>m<br />

Schicksal und <strong>de</strong>n drei Schwestern, <strong>de</strong>n heiligen Parzen. Voll göttlicher Jugend frohlockt mein ganzes Wesen<br />

über sich selbst, über Alles. Wie <strong>de</strong>r Sternenhimmel, bin ich still und bewegt.<br />

Ich habe lange gewartet auf solche Festzeit, um dir einmal wie<strong>de</strong>r zu schreiben. Nun bin ich stark genug;<br />

nun lass mich dir erzählen. (Schmidt, 1994: 57)<br />

Hier wird präsupponiert, dass Hyperion nicht hätte erzählen o<strong>de</strong>r schreiben können, wenn er<br />

nicht stark genug gewesen wäre. Das impliziert, dass es keine leichte Aufgabe ist, über ein so<br />

großes Unglück zu sprechen wie das Hyperions, nämlich über seine tragisch en<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Liebesgeschichte<br />

mit Diotima.<br />

Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich<br />

von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch<br />

Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich nicht ergreifen soll, dass ich vergehe im Ent­<br />

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