die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Sein Herz fing an, ihn zu überwältigen und er riss sich von mir und sprang ins Schiff, um sich und mir <strong>de</strong>n<br />
Abschied abzukürzen. Ich fühlte <strong>die</strong>sen Augenblick, wie einen Wetterschlag, <strong>de</strong>m Nacht und Totenstille+<br />
folgte, aber mitten in <strong>die</strong>ser Vernichtung raffte meine Seele sich auf, ihn zu halten, <strong>de</strong>n teuren Schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
und meine Arme zückten von selbst nach ihm. Weh! Alabanda! Alabanda! rief+ ich, und ein dumpfes<br />
Lebewohl hört’+ ich vom Schiffe herüber.<br />
#*157*#HYPERION AN BELLARMIN<br />
Zufällig hielt das Fahrzeug, das nach Kalaurea mich bringen sollte, noch bis zum Abend sich auf, nach<strong>de</strong>m<br />
Alabanda schon <strong>de</strong>n Morgen seinen Weg gegangen war.<br />
Ich blieb am Ufer, blickte still+, von <strong>de</strong>n Schmerzen <strong>de</strong>s Abschieds müd’, in <strong>die</strong> See, von einer Stun<strong>de</strong> zur<br />
an<strong>de</strong>rn. Die Lei<strong>de</strong>nstage <strong>de</strong>r langsam sterben<strong>de</strong>n Jugend überzählte mein Geist, und irre, wie <strong>die</strong> schöne<br />
Taube, schwebt’ er über <strong>de</strong>m Künftigen. Ich wollte mich stärken, ich nahm mein längstvergessenes<br />
Lautenspiel hervor, um mir ein Schicksalslied+ zu singen+, das ich einst in glücklicher<br />
unverständiger Jugend meinem Adamas nachgesprochen.<br />
Ihr wan<strong>de</strong>lt droben im Licht<br />
auf weichem Bo<strong>de</strong>n, selige Genien!<br />
Glänzen<strong>de</strong> Götterlüfte<br />
rühren euch leicht,<br />
wie <strong>die</strong> Finger <strong>de</strong>r Künstlerin+<br />
heilige Saiten+.<br />
Schicksallos, wie <strong>de</strong>r schlafen<strong>de</strong><br />
Säugling, atmen <strong>die</strong> Himmlischen;<br />
keusch bewahrt<br />
in beschei<strong>de</strong>ner Knospe,<br />
blühet ewig<br />
ihnen <strong>de</strong>r Geist,<br />
und <strong>die</strong> seligen Augen<br />
blicken in stiller+<br />
ewiger Klarheit.<br />
Doch uns ist gegeben,<br />
auf keiner Stätte zu ruhn+,<br />
es schwin<strong>de</strong>n, es fallen<br />
<strong>die</strong> lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Menschen<br />
blindlings von einer<br />
#*158*#Stun<strong>de</strong> zur an<strong>de</strong>rn,<br />
wie Wasser von Klippe<br />
zu Klippe geworfen,<br />
Jahr lang ins Ungewisse hinab.<br />
So sang+ ich in <strong>die</strong> Saiten+. Ich hatte kaum geen<strong>de</strong>t, als ein Boot einlief, wo ich meinen Diener gleich<br />
erkannte, <strong>de</strong>r mir einen Brief von Diotima überbrachte.<br />
So bist du noch auf Er<strong>de</strong>n? schrieb+ sie, und siehest das Tageslicht noch? Ich dachte dich an<strong>de</strong>rswo zu<br />
fin<strong>de</strong>n, mein Lieber! Ich habe früher, als du nachher wünschtest, <strong>de</strong>n Brief erhalten, <strong>de</strong>n du vor <strong>de</strong>r<br />
Schlacht bei Tschesme schriebst+ und so lebt’ ich eine Woche lang in <strong>de</strong>r Meinung, du habst <strong>de</strong>m Tod dich<br />
in <strong>die</strong> Arme geworfen, ehe <strong>de</strong>in Diener ankam mit <strong>de</strong>r frohen Botschaft, dass du noch lebest. Ich hatt’ auch<br />
ohne<strong>die</strong>s noch einige Tage nach <strong>de</strong>r Schlacht gehört+, das Schiff, worauf ich dich wusste, sei mit aller<br />
Mannschaft in <strong>die</strong> Luft geflogen.<br />
Aber o süße Stimme+! noch hört’+ ich dich wie<strong>de</strong>r, noch einmal rührte, wie Mailuft, mich <strong>die</strong> Sprache+<br />
<strong>de</strong>s Lieben, und <strong>de</strong>ine schöne Hoffnungsfreu<strong>de</strong>, das hol<strong>de</strong> Phantom unsers künftigen Glücks, hat einen<br />
Augenblick auch mich getäuscht.<br />
Lieber Träumer, warum muss ich dich wecken? warum kann ich nicht sagen+, komm, und mache wahr <strong>die</strong><br />
schönen Tage, <strong>die</strong> du mir verheißen! Aber es ist zu spät, Hyperion, es ist zu spät. Dein Mädchen ist<br />
verwelkt, seit<strong>de</strong>m du fort bist, ein Feuer in mir hat mählich mich verzehrt, und nur ein kleiner Rest ist<br />
übrig. Entsetze dich nicht! Es läutert sich alles Natürliche, und überall win<strong>de</strong>t <strong>die</strong> Blüte <strong>de</strong>s Lebens freier<br />
und freier vom gröbern Stoffe sich los.<br />
Liebster Hyperion! du dachtest wohl nicht, mein Schwanenlied+ in <strong>die</strong>sem Jahre zu hören+.<br />
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