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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Das Wort „doch“ präsupponiert, dass <strong>die</strong> Erschütterterung es Hyperion unmöglich machte, Worte<br />

zu fin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>swegen musste er sich zuerst einmal fassen.<br />

o komm, o bleib in <strong>die</strong>ser Dämmerung! Dies Schattenland ist ja das Element <strong>de</strong>r Liebe und hier nur rinnt<br />

<strong>de</strong>r Wehmut stiller Tau vom Himmel <strong>de</strong>iner Augen. (Schmidt, 1994: 148)<br />

Hyperion bittet Diotima, mit ihm in <strong>die</strong> Berge zu fliehen und dort ein neues Leben anzufangen.<br />

Sie soll ihre Krankheit und Traurigkeit überwin<strong>de</strong>n. Der „Tau“ sind Diotimas Tränen. Wenn jemand<br />

„still“ weint, dann <strong>de</strong>shalb, weil man mit Worten nichts zu sagen hat. Die Tränen drücken<br />

schon das Gefühl aus.<br />

Es war ein Feuer in seinen Augen, das, wie ein Göttergebot, mich nie<strong>de</strong>rschlug und ich schämte mich, nur<br />

ein Wort noch gegen ihn zu sagen. (Schmidt, 1994: 154)<br />

Hyperion schämt sich vor Alabanda und sein Gefühl, seine Scham, hin<strong>de</strong>rt ihn daran, etwas gegen<br />

Alabanda zu sagen.<br />

Zufällig hielt das Fahrzeug, das nach Kalaurea mich bringen sollte, noch bis zum Abend sich auf, nach<strong>de</strong>m<br />

Alabanda schon <strong>de</strong>n Morgen seinen Weg gegangen war.<br />

Ich blieb am Ufer, blickte still, von <strong>de</strong>n Schmerzen <strong>de</strong>s Abschieds müd’, in <strong>die</strong> See, von einer Stun<strong>de</strong> zur<br />

an<strong>de</strong>rn. Die Lei<strong>de</strong>nstage <strong>de</strong>r langsam sterben<strong>de</strong>n Jugend überzählte mein Geist, und irre, wie <strong>die</strong> schöne<br />

Taube, schwebt’ er über <strong>de</strong>m Künftigen. (Schmidt, 1994: 157)<br />

Hyperion ist nach <strong>de</strong>m Verlust Diotimas und Alabandas so vernichtet und lebensmü<strong>de</strong>, dass er<br />

nur noch „still“ bleiben kann, wobei das Adverb „still“ sowohl 'reglos' als auch 'sprachlos' be<strong>de</strong>utet.<br />

Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara, worin er mir schrieb:<br />

Den Tag, nach<strong>de</strong>m sie dir zum letzten Mal geschrieben, wur<strong>de</strong> sie ganz ruhig, sprach noch wenig Worte,<br />

sagte dann auch, dass sie lieber möcht’ im Feuer von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> schei<strong>de</strong>n, als begraben sein, und ihre Asche<br />

sollten wir in eine Urne sammeln, und in <strong>de</strong>n Wald sie stellen, an <strong>de</strong>n Ort, wo du, mein Teurer! ihr zuerst<br />

begegnet wärst. (Schmidt, 1994: 163)<br />

Diotima hat gewusst, dass sie sterben wird, sie hat es Hyperion in ihrem letzten Brief mitgeteilt.<br />

Unmittelbar vor ihrem Tod befand sie sich in einer ganz beson<strong>de</strong>ren Gefühlslage und be<strong>die</strong>nte<br />

sich <strong>de</strong>shalb kaum noch <strong>de</strong>r Sprache. Das Adverb „ruhig“ behält hier seine Doppel<strong>de</strong>utigkeit, einerseits<br />

in seiner Be<strong>de</strong>utung als 'gelassen, friedlich', an<strong>de</strong>rerseits in seiner Be<strong>de</strong>utung als 'wortlos'.<br />

Ich habe dir gehorcht, mein Teurer! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben; aber<br />

schwer wird mir das Wort; das darf ich wohl gestehen. Die Seligen, wo Diotima nun ist, sprechen nicht<br />

viel; in meiner Nacht, in <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>r Trauren<strong>de</strong>n, ist auch <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> am En<strong>de</strong>. (Schmidt, 1994: 165)<br />

Dies schreibt Hyperion an seinen Freund Notara, <strong>de</strong>r ihm empfohlen hat, wegzureisen, nach<strong>de</strong>m<br />

er vom Tod Diotimas erfahren hat. Er ist so traurig, dass seine Sprache am En<strong>de</strong> ist. Deswegen<br />

fällt ihm das Wort so schwer.<br />

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