die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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Die heilige Sprache kann also einerseits <strong>die</strong> Funktion <strong>de</strong>r höchsten Kommunikation unter Menschen<br />
haben. So im Fragment von Hyperion:<br />
Der heilige Frie<strong>de</strong>n ihres Herzens, <strong>de</strong>n sie mir oft auf Augenblicke mitgeteilt hatte durch Re<strong>de</strong> und Miene.<br />
(Schmidt, 1994: 187, 29)<br />
An<strong>de</strong>rerseits kann aber <strong>die</strong> heilige Sprache auch ein Mittel zur Kommunikation mit <strong>de</strong>r himmlischen<br />
Allnatur sein, wie es in Ganymed heißt:<br />
Der ist aber ferne; nicht mehr dabei. / Irr ging er nun; <strong>de</strong>nn allzu gut sind / Genien; himmlisch Gespräch ist<br />
sein nun. (Schmidt, 1992a: 319, 22)<br />
Lei<strong>de</strong>r ist <strong>die</strong>se himmlische Sprache für <strong>die</strong> gewöhnlichen Menschen nur ein unentzifferbares<br />
Gewirr, so dass man ihren Sprecher als einen Irren ausstößt, weil er sich allzu sehr von <strong>de</strong>n gemeinen<br />
Menschen erhoben hat. Er spricht nämlich mit <strong>de</strong>n Göttern im Himmel und nicht mehr<br />
mit <strong>de</strong>n Menschen auf Er<strong>de</strong>n.<br />
Höl<strong>de</strong>rlin schreibt in Frie<strong>de</strong>nsfeier:<br />
Denn nur auf menschliche Weise, nimmermehr<br />
sind jene mit uns, <strong>die</strong> frem<strong>de</strong>n Kräfte vertraut<br />
und es lehret das Gestirn dich, das<br />
vor Augen dir ist, <strong>de</strong>nn nimmer kannst du ihm gleichen<br />
<strong>de</strong>m Alllebendigen von <strong>de</strong>m<br />
viel Freu<strong>de</strong>n sind und Gesänge. (Schmidt, 1992a: 341)<br />
Hier verabschie<strong>de</strong>t sich <strong>die</strong> göttliche Sprache endgültig von <strong>de</strong>r menschlichen. Gesang ist also<br />
keine menschliche Sprache mehr. Nur noch <strong>die</strong> Natur kann uns durch ihre Gestirne etwas vom<br />
Göttlichen sagen.<br />
Uwe Beyer stellt fest, dass Höl<strong>de</strong>rlin <strong>de</strong>n Dichter als Verkün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Göttlichen in Zeiten <strong>de</strong>r<br />
Götterferne versteht, als Heilsbringer, <strong>de</strong>r in heiliger Nacht mit seinem Gesang das An<strong>de</strong>nken an<br />
<strong>die</strong> einstige Offenbarkeit <strong>de</strong>r Naturkräfte nicht nur bewahrt, son<strong>de</strong>rn auch <strong>die</strong> Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>r<br />
schönen Menschlichkeit und einer sicheren, furchtlosen Güte verheißt 177 . Ebenso Gisela Dischner,<br />
nach <strong>de</strong>ren Meinung Höl<strong>de</strong>rlin in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Götterferne <strong>die</strong> Verbindung zum Göttlichen<br />
durch das dichterische Wort aufrechterhält, <strong>de</strong>ssen Aufgabe <strong>die</strong> Offenbarung <strong>de</strong>r verborgenen<br />
Wahrheit ist. Dabei gibt sie zu be<strong>de</strong>nken, dass, wie Hei<strong>de</strong>gger erklärt hat, das griechische Wort<br />
für 'Wahrheit', ἀλήθεια, eigentlich 'Unverborgenheit <strong>de</strong>s Seins' heißt 178 .<br />
Jesús Munárriz zitiert Octavio Paz: „Das dichterische Wort ist <strong>die</strong> Vermittlung zwischen <strong>de</strong>m<br />
Heiligen und <strong>de</strong>n Menschen“. Munárriz meint, das dichterische Wort stelle eine Brücke zwischen<br />
<strong>de</strong>m Wunsch und <strong>de</strong>r Wirklichkeit dar 179 . Und Beda Allemann behauptet auf ähnliche<br />
Weise, dass <strong>de</strong>r Gesang für Höl<strong>de</strong>rlin eine heilige Schicklichkeit sei 180 . Schmidt erklärt<br />
wie<strong>de</strong>rum, dass Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong> Aufgabe <strong>de</strong>s Dichters <strong>de</strong>finiere, in<strong>de</strong>m er mit leitmotivischem<br />
Charakter Gesang und Schrift verbin<strong>de</strong>t. Aus <strong>de</strong>r Schrift falle still leuchten<strong>de</strong> Kraft. Der<br />
Zusammenhang zwischen Schrift und Dichtung liege in <strong>de</strong>r gemeinsamen Teilhabe am „Geist“<br />
begrün<strong>de</strong>t, wobei 'Geist' das Göttliche meint, das sowohl <strong>de</strong>m Menschen als auch <strong>de</strong>r Natur<br />
innewohnt 181 .<br />
177<br />
Beyer, 1992: 170 ff.<br />
178<br />
Dischner, 1996: 9 ff.<br />
179<br />
Munárriz, 1976: 15.<br />
180<br />
Allemann, 1955: 55 ff.<br />
181<br />
Schmidt, 1990: 264.<br />
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