die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
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O es ist jämmerlich, so sich vernichtet zu sehn; und wem <strong>die</strong>s unverständlich ist, <strong>de</strong>r frage nicht danach,<br />
und danke <strong>de</strong>r Natur, <strong>die</strong> ihn zur Freu<strong>de</strong>, wie <strong>die</strong> Schmetterlinge, schuf, und geh, und sprech in seinem Leben<br />
nimmermehr von Schmerz und Unglück. (Schmidt, 1994: 26)<br />
Hyperion war sehr unglücklich, weil niemand ihn wollte. Er fühlte sich dadurch so vernichtet,<br />
dass alle an<strong>de</strong>re Arten Schmerz und Unglück für ihn im Vergleich nichts als Lebensfreu<strong>de</strong> sind.<br />
Wer Hyperions Schmerzen nicht kennt, <strong>de</strong>r soll ihn lieber nicht fragen, <strong>de</strong>r soll lieber nicht erfahren,<br />
was das ist, <strong>de</strong>r soll sich für glücklich halten und nunmehr in Freu<strong>de</strong> leben.<br />
Geh vorerst nach Smyrna, sagte mein Vater, lerne da <strong>die</strong> Künste <strong>de</strong>r See und <strong>de</strong>s Kriegs, lerne <strong>die</strong> Sprache<br />
gebil<strong>de</strong>ter Völker und ihre Verfassungen und Meinungen und Sitten und Gebräuche, prüfe alles und wähle<br />
das Beste! (Schmidt, 1994: 27)<br />
Es geht hier nicht um <strong>die</strong> Sprache im Allgemeinen und im Wesentlichen, son<strong>de</strong>rn um <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />
einzelnen Sprachen, <strong>die</strong> in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn gesprochen wer<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong>t<br />
Hyperions Vater es ratsam, sie zu lernen, weil eine frem<strong>de</strong> Sprache <strong>de</strong>n Zugang zu ihren jeweiligen<br />
Kenntnissen und Kultur eröffnet. Deswegen empfiehlt <strong>de</strong>r Vater seinem Sohn nicht, irgen<strong>de</strong>ine<br />
beliebige Fremdsprache zu lernen, son<strong>de</strong>rn eben <strong>die</strong> eines gebil<strong>de</strong>ten Volkes, <strong>de</strong>nn beim<br />
Umgang mit ihnen wird Hyperion vieles in Erfahrung bringen können.<br />
Zur nahen Grotte trat ich dann in meinen friedlichen Träumen, da hätte <strong>de</strong>r Alte, sagen sie, seine Ilia<strong>de</strong> gesungen.<br />
Ich fand ihn. (Schmidt, 1994: 27 f.)<br />
Die mündliche Überlieferung bringt Tatsachen aus <strong>de</strong>r Antike zutage.<br />
Wie hatt’ ich meine herzliche Freu<strong>de</strong> daran! wie gläubig <strong>de</strong>utet’ ich <strong>die</strong>se freundlichen Hieroglyphen! Aber<br />
es ging mir fast damit, wie ehemals mit <strong>de</strong>n Birken im Frühlinge. Ich hatte von <strong>de</strong>m Safte <strong>die</strong>ser Bäume<br />
gehört, und dachte wun<strong>de</strong>r, was ein köstlich Getränk <strong>die</strong> lieblichen Stämme geben müssten. Aber es war<br />
nicht Kraft und Geist genug darinnen.<br />
Ach! und wie heillos war das Übrige alles, was ich hört’ und sah.<br />
Es war mir wirklich hie und da, als hätte sich <strong>die</strong> Menschennatur in <strong>die</strong> Mannigfaltigkeiten <strong>de</strong>s Tierreichs<br />
aufgelöst, wenn ich umher ging unter <strong>die</strong>sen Gebil<strong>de</strong>ten. Wie überall, so waren auch hier <strong>die</strong> Männer beson<strong>de</strong>rs<br />
verwahrlost und verwest.<br />
Gewisse Tiere heulen, wenn sie Musik anhören. Meine besser gezognen Leute hingegen lachten, wenn von<br />
Geistesschönheit <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> war und von Jugend <strong>de</strong>s Herzens. Die Wölfe gehen davon, wenn einer Feuer<br />
schlägt. Sahn jene Menschen einen Funken Vernunft, so kehrten sie, wie Diebe, <strong>de</strong>n Rücken.<br />
Sprach ich einmal auch vom alten Griechenland ein warmes Wort, so gähnten sie, und meinten, man hätte<br />
doch auch zu leben in <strong>de</strong>r jetzigen Zeit; und es wäre <strong>de</strong>r gute Geschmack noch immer nicht verloren gegangen,<br />
fiel ein an<strong>de</strong>rer be<strong>de</strong>utend ein.<br />
Dies zeigte sich dann auch. Der eine witzelte, wie ein Bootsknecht, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re blies <strong>die</strong> Backen auf und<br />
predigte Sentenzen.<br />
Es gebär<strong>de</strong>t’ auch wohl einer sich aufgeklärt, machte <strong>de</strong>m Himmel ein Schnippchen und rief: um <strong>die</strong> Vögel<br />
auf <strong>de</strong>m Dache hab’ er nie sich bekümmert, <strong>die</strong> Vögel in <strong>de</strong>r Hand, <strong>die</strong> seien ihm lieber! Doch wenn man<br />
ihm vom To<strong>de</strong> sprach, so legt’ er stracks <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> zusammen, und kam so nach und nach im Gespräche<br />
darauf, wie es gefährlich sei, dass unsere Priester nichts mehr gelten. (Schmidt, 1994: 29 f.)<br />
Das Hören präsupponiert Sprache, in <strong>die</strong>sem Fall geht es nicht um <strong>die</strong> heilige, son<strong>de</strong>rn um <strong>die</strong><br />
normale menschliche Sprache. Durch <strong>die</strong>se Sprache hat man Hyperion <strong>die</strong> Kenntnis über <strong>de</strong>n<br />
Saft <strong>de</strong>r Bäume vermittelt. Es geht hier nämlich fast <strong>die</strong> ganze Zeit um <strong>die</strong> nicht heilige Sprache,<br />
durch <strong>die</strong> man aber über alltägliche Dinge kommunizieren kann; man kann sowohl über Belangloses<br />
re<strong>de</strong>n als auch manchmal sogar ernstere Themen behan<strong>de</strong>ln. Hier wird unter Menschen Information<br />
vermittelt, auch wenn sie unwichtig bzw. gar verwerflich ist.<br />
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