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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Hyperion und Alabanda diskutieren über <strong>die</strong> Be<strong>de</strong>utung von Diotimas Brief. In <strong>die</strong>sem und <strong>de</strong>m<br />

davorliegen<strong>de</strong>n Brief Hyperions tauschten sie ihre Gefühle aus, <strong>de</strong>nn Hyperion fühlte sich so<br />

entehrt und zerstört, dass er es für besser hielt, seiner geliebten Diotima zu entsagen. Sie drückt<br />

ihm wie<strong>de</strong>rum mit ihrem Brief, mit Worten also, ihre Nachsicht und Vergebung aus.<br />

Nun, im Schutt <strong>de</strong>s heiteren Athens, nun ging mir’s selbst zu nah, wie sich das Blatt gewandt, dass jetzt <strong>die</strong><br />

Toten oben über <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gehn und <strong>die</strong> Lebendigen, <strong>die</strong> Göttermenschen drunten sind, nun sah ich’s auch<br />

zu wörtlich und zu wirklich dir aufs Angesicht geschrieben, nun gab ich dir auf ewig Recht. (Schmidt,<br />

1994: 143)<br />

Dies schreibt Diotima an Hyperion. Sie erklärt, wie sie ihn kennengerlent hat. Das Verb „schreiben”<br />

steht hier metaphorisch für 'zu erkennen geben' und bezieht sich auf <strong>de</strong>n Charakter, <strong>die</strong> Gefühle<br />

und <strong>die</strong> Weltanschauung Hyperions.<br />

o du weißt es, wie ich hoffe, noch nicht, hast noch <strong>de</strong>n Unglücksbrief nicht in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n ich vor <strong>de</strong>r<br />

letzten Schlacht dir schrieb? Da wollt’ ich sterben, Diotima, und ich glaubt’, ein heilig Werk zu tun.<br />

(Schmidt, 1994: 146)<br />

Im genannten Brief hatte Hyperion Diotima seine nie<strong>de</strong>rgeschlagenen Gefühle und seine Absicht<br />

erklärt, sich in <strong>die</strong> Arme <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s zu werfen.<br />

Lass mich! mache mich nicht klein und fasse Glauben an mein Wort! Ich weiß so gut, wie du, ich könnte<br />

mir ein Dasein noch erkünsteln, könnte, weil <strong>de</strong>s Lebens Mahl verzehrt ist, mit <strong>de</strong>n Brosamen noch spielen,<br />

aber das ist meine Sache nicht; auch nicht <strong>die</strong> <strong>de</strong>ine. Brauch’ ich mehr zu sagen? Sprech’ ich nicht aus <strong>de</strong>iner<br />

Seele dir? Ich dürste nach Luft, nach Kühlung, Hyperion! Meine Seele wallt mir über von selbst und<br />

hält im alten Kreise nicht mehr. [...] – dich wun<strong>de</strong>rt <strong>die</strong> Re<strong>de</strong>? Liebster! alle Schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n sprechen, wie<br />

Trunkne, und nehmen gerne sich festlich. (Schmidt, 1994: 153 f.)<br />

Alabanda möchte sich von Hyperion verabschie<strong>de</strong>n und gesteht ihm zum ersten Mal, dass auch<br />

er in Diotima verliebt ist. Er weiß, dass er keine Chance gegen Hyperion hat, weil Diotima schon<br />

in ihn verliebt ist. Deswegen glaubt er, verschwin<strong>de</strong>n zu müssen. Diese tiefsten Gefühle teilt<br />

Alabanda Hyperion durch seine Worte mit, an <strong>die</strong> Hyperion glauben soll, so schwer es ihm auch<br />

fällt.<br />

Es war ein eigner Gewinn, ihn noch zu hören, in <strong>de</strong>r Nacht darauf, nach<strong>de</strong>m ein je<strong>de</strong>r für seine eigne Reise<br />

gesorgt, und wir vor Tagesanbruch wie<strong>de</strong>r hinausgegangen waren, um noch einmal allein zusammen zu<br />

sein.<br />

Weißt du, sagt’ er unter andrem, warum ich nie <strong>de</strong>n Tod geachtet? Ich fühl’ in mir ein Leben, das kein Gott<br />

geschaffen, und kein Sterblicher gezeugt. Ich glaube, dass wir durch uns selber sind, und nur aus freier Lust<br />

so innig mit <strong>de</strong>m All verbun<strong>de</strong>n.<br />

So etwas hab’ ich nie von dir gehört, erwi<strong>de</strong>rt’ ich. (Schmidt, 1994: 154 f.)<br />

Das Verb „hören“ präsupponiert nicht unbedingt auch 'verstehen'. Beim ersten „hören“ ist <strong>die</strong>s<br />

aber schon <strong>de</strong>r Fall, <strong>de</strong>nn es ist für Hyperion ein Gewinn, mit Alabanda allein zusammen zu sein<br />

und seine tiefen Bekenntnisse zu hören. Dieser Kontext impliziert, dass <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n sich gefühlsmäßig<br />

ausgetauscht haben. Die innige Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>m All, <strong>die</strong> Alabanda seinem Freud<br />

mitteilt, ist eher ein Gefühl als eine Information.<br />

Ach! oft mit schwerer süßer Mühe bin ich noch, so lang ich’s konnte, auf <strong>die</strong> Höhe gegangen, wo du bei<br />

Notara gewohnt, und habe von dir mit <strong>de</strong>m Freun<strong>de</strong> gesprochen, so leichten Sinns, als möglich war, damit<br />

er nichts von mir dir schreiben sollte; bald aber, wenn das Herz zu laut ward, schlich <strong>die</strong> Heuchlerin sich<br />

hinaus in <strong>de</strong>n Garten (Schmidt, 1994: 159)<br />

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