die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Johann Kreuzer erklärt, dass erst <strong>die</strong> Erinnerung <strong>die</strong> poetische Individualität ermöglicht, wo doch<br />
<strong>de</strong>r Dichter <strong>die</strong> AllEinheit in sich selbst verkörpern und dann auch verkün<strong>de</strong>n soll, weil durch<br />
<strong>die</strong> Erinnerung <strong>de</strong>r poetische Geist seinem Leben in <strong>de</strong>r wirklichen Welt entgegengesetzt wird,<br />
aber ohne Gegensatz, ohne Wi<strong>de</strong>rstreit, ohne logische Aporie. Die Erinnerung verwirklicht sich<br />
in <strong>de</strong>r dichterischheiligen Sprache und macht es möglich, dass das Subjekt sich selbst erkennt,<br />
d.h. sich selbst als Objekt nimmt, ohne in logische Wi<strong>de</strong>rsprüche zu geraten 169 . Anselm Haverkamp<br />
behauptet 170 , dass für Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong> Erinnerung das Vergangene getreu bewahrt, in<strong>de</strong>m sie<br />
es in ihrem eigenen Inneren sucht und hält. Claudia Kalász 171 fin<strong>de</strong>t auch, dass <strong>die</strong> poetische<br />
Sprache als Erinnerung an <strong>die</strong> einstige Einheit von Vernunft und Natur fungiert.<br />
Ulrich Häussermann ist <strong>de</strong>r Meinung, dass für Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong> Sprache ein schöpferisch formen<strong>de</strong>r<br />
Akt <strong>de</strong>s Bewusstseins sei, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r Sprache erhebe sich das Bewusstsein zur konkreten Gestalt;<br />
an das ungeschie<strong>de</strong>ne Reich <strong>de</strong>r Geschichte trete das Bewusstsein und wer<strong>de</strong> Tat als Sprache<br />
172 .<br />
Siglin<strong>de</strong> Grimm erläutert <strong>die</strong> Auffassung Höl<strong>de</strong>rlins, laut welcher <strong>die</strong> dichterische Sprache nicht<br />
nur sinnlich schön ist, son<strong>de</strong>rn auch heilig, weil sie nicht nur <strong>die</strong> objektive Wirklichkeit auffasst,<br />
son<strong>de</strong>rn auch nach <strong>de</strong>m Absoluten strebt. Dabei ist Schönheit eine subjektive Empfindung, <strong>die</strong><br />
<strong>de</strong>n Menschen zur höchsten Erkenntnis verhilft, d.h. zum Bewusstsein <strong>de</strong>r Zusammengehörigkeit<br />
mit <strong>de</strong>m All, das ewig eins ist, und somit zur Überwindung <strong>de</strong>s Gegensatzes zwischen Subjekt<br />
und Objekt 173 .<br />
2.2.4. Die heilige Sprache<br />
Höl<strong>de</strong>rlin versteht sich selbst als solch einen heroischen Eremiten, <strong>de</strong>r seine Erkenntnisse durch<br />
seine Sprache zu vermitteln versucht. So in Patmos:<br />
<strong>de</strong>r Vater aber liebt [...] am meisten, dass gepflegt wer<strong>de</strong> / <strong>de</strong>r feste Buchstab, und Bestehen<strong>de</strong>s gut / ge<strong>de</strong>utet.<br />
Dem folgt <strong>de</strong>utscher Gesang. (Schmidt, 1992a: 356, 222)<br />
Da <strong>die</strong>se Aufgabe direkt vom Gott Vater kommt, und da <strong>die</strong>se höchste Kunst <strong>die</strong>selbe Funktion<br />
hat wie <strong>die</strong> Religion – <strong>die</strong> göttliche Wahrheit zu vermitteln, d.h. <strong>die</strong> Botschaft <strong>de</strong>r Liebe zur<br />
Schönheit <strong>de</strong>s ungetrennten Seins –, so darf Höl<strong>de</strong>rlin <strong>die</strong>se Art Sprache als „heilig“ bezeichnen.<br />
So im Hyperion:<br />
dass ihre [<strong>de</strong>r alten Griechen] Kunst und ihre Religion <strong>die</strong> echten Kin<strong>de</strong>r ewiger Schönheit – vollen<strong>de</strong>ter<br />
Menschennatur – sind, [...] das zeigt sich <strong>de</strong>utlich, wenn man nur <strong>die</strong> Gegenstän<strong>de</strong> ihrer heiligen Kunst [...]<br />
sehen will, womit sie jene Gegenstän<strong>de</strong> liebten und ehrten. (Schmidt, 1994: 90, 28)<br />
Das Wort 'heilig' ist bei Höl<strong>de</strong>rlin etwa synonym für 'himmlisch', wie <strong>die</strong>se zwei Stellen <strong>de</strong>s<br />
Fragment von Hyperion nahelegen:<br />
Wir sangen heilige Gesänge. (Schmidt, 1994: 195, 4)<br />
Freilich waren es [...] himmlische Gesänge, und ewige Worte <strong>de</strong>r Weisheit. (Schmidt, 1994: 183, 18)<br />
169<br />
Kreuzer, 1985: 116 ff.<br />
170<br />
Haverkamp, 1991: 10.<br />
171<br />
Kalász, 1982: 49.<br />
172<br />
Häussermann, 1959: 74.<br />
173<br />
Grimm, 1997: 396 f.<br />
41