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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Die Vorstellung »B.II.b.3.1. Die heilige Sprache ist wie Musik« ist ein Grundgedanke, <strong>de</strong>r an<br />

vielen an<strong>de</strong>ren Stellen vorkommt. Unter <strong>die</strong>ser Rubrik wur<strong>de</strong>n jedoch nur <strong>die</strong>jenigen Stellen gesammelt,<br />

<strong>die</strong> sonst keine weitere Sprachvorstellung aufwiesen.<br />

Die Vorstellung »B.II.b.3.2. Sprache als Daseins- bzw. Manifestationsform <strong>de</strong>s Göttlichen« ist<br />

von allen 41 <strong>die</strong> metaphysischste und unfassbarste. Demnach leben <strong>die</strong> Götter in <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Sprache ungefähr so wie <strong>die</strong> Menschen im Universum. Dabei wird das Universum mit <strong>de</strong>r<br />

Mutter Natur und somit mit <strong>de</strong>r einzigen, ewigen Gottheit gleichgesetzt. Höl<strong>de</strong>rlin hat vielmals<br />

versucht, <strong>die</strong>sen Gedanken zu erklären. Schon eine O<strong>de</strong> Pindars, <strong>die</strong> ausgerechnet Höl<strong>de</strong>rlin ins<br />

Deutsche übersetzt hat 206 , vertrat <strong>die</strong>se Vorstellung. Die Götter – o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r eine und einzige Gott,<br />

es ist einerlei – brauchen <strong>de</strong>mnach <strong>de</strong>n Menschen, um sich selbst zu erkennen, in<strong>de</strong>m sie sich<br />

von etwas an<strong>de</strong>rem unterschei<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>r Mensch braucht wie<strong>de</strong>rum <strong>die</strong> Götter, um sich selbst<br />

zu erkennen, in<strong>de</strong>m er sich von ihnen unterschei<strong>de</strong>t. Dennoch sind <strong>die</strong> Götter und <strong>de</strong>r Mensch im<br />

Grun<strong>de</strong> dasselbe. Das „große Wort <strong>de</strong>s Heraklit“ – d.h. „das Eine in sich selber Unterschie<strong>de</strong>ne“<br />

207 – läuft ebenfalls auf das Gleiche hinaus.<br />

Die Vorstellung »B.II.c.1.1. Magische Beschwörungskraft <strong>de</strong>r Sprache« gehörte z.B. in <strong>de</strong>r Antike<br />

und auch heute noch in primitiven Kulturen zu alltäglichen und weitverbreiteten Überzeugungen.<br />

Erst <strong>die</strong> Aufklärung tat sie als Aberglauben ab. Aber da Hyperion <strong>die</strong> griechische Antike<br />

neu beleben will, nennt er sich in <strong>die</strong>sem Sinne gerne „abergläubisch“.<br />

Die Vorstellung »B.II.c.1.2. Der Sprache wohnt eine große, Welt verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Kraft inne« unterschei<strong>de</strong>t<br />

sich von »B.II.c.1.3. Sprache kann Ordnung und Harmonie auf <strong>de</strong>r Welt schaffen«<br />

lediglich durch <strong>die</strong> Nuance <strong>de</strong>r Ordnung und Harmonie, welche bei Ersterer nicht unbedingt vorhan<strong>de</strong>n<br />

sein müssen, bei Letzterer jedoch per Definition inbegriffen sind.<br />

Die Vorstellung »B.II.c.2.1. Sprache als Verkündungsmittel göttlicher Wahrheit« bekun<strong>de</strong>t das<br />

Selbstverständnis und <strong>die</strong> freiwillig übernommene Lebensaufgabe Höl<strong>de</strong>rlins als Mo<strong>de</strong>llautor<br />

<strong>de</strong>r Lyrik und <strong>de</strong>s Romans.<br />

Fasst man nun <strong>die</strong>se vielen einzelnen Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten zusammen und systematisiert sie,<br />

kann man zwei große Vorstellungsrichtungen unterschei<strong>de</strong>n: Einerseits wird behauptet, dass das<br />

Göttliche sehr weit über <strong>die</strong> Sprache hinausgeht, und dass <strong>die</strong> Sprache gar nicht fähig ist, <strong>die</strong><br />

menschlichen Gefühle auszudrücken, und noch viel weniger <strong>die</strong> unendliche Größe <strong>de</strong>s Alls; an<strong>de</strong>rerseits<br />

wird beteuert, dass gera<strong>de</strong> <strong>die</strong>se größte und höchste Wahrheit <strong>de</strong>r Gottheit durch Sprache<br />

vermittelt wer<strong>de</strong>n kann, ebenso wie <strong>die</strong> menschlichen Gefühle und auch sonst alles an<strong>de</strong>re.<br />

Auf <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Weges von einem Pol zum an<strong>de</strong>ren steht <strong>die</strong> Vorstellung, dass eine Sprache,<br />

<strong>die</strong> das Unaussprechliche, das Göttliche, in sich fassen und vermitteln kann, auch selbst göttlich<br />

und <strong>de</strong>shalb heilig sein muss. Sie <strong>die</strong>nt sozusagen als Brücke zwischen bei<strong>de</strong>n Polen. Damit hat<br />

Höl<strong>de</strong>rlin selbst auf <strong>de</strong>n Weg hingewiesen, <strong>de</strong>r zur Erklärung und Aufhebung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rsprüche<br />

führt.<br />

4.5. Interpretationsansatz<br />

Es sei hier noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass <strong>die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Arbeit nicht etwa eine<br />

Selbstverständlichkeit behan<strong>de</strong>lt, <strong>die</strong> darin besteht, dass man zu je<strong>de</strong>r beliebigen Zeit entwe<strong>de</strong>r<br />

spricht o<strong>de</strong>r schweigt. Vielmehr besteht das Hauptanliegen darin zu beweisen, dass <strong>die</strong> Sprache<br />

206<br />

Schmidt, 1994: 769.<br />

207<br />

Schmidt, 1994: 92.<br />

263

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