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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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leblos ist wie ein dürres Flussufer, wo kein Blatt zu sehen ist. Seine Seele ist in einer stockfinsteren<br />

Nacht verlorengegangen, und seine Sprache damit auch.<br />

Ach! und <strong>die</strong> Seele kann immer so voll Sehnens sein, bei <strong>de</strong>m, dass sie so mutlos ist!<br />

Ich suchte immer etwas, aber ich wagte das Auge nicht aufzuschlagen vor <strong>de</strong>n Menschen. Ich hatte Stun<strong>de</strong>n,<br />

wo ich das Lachen eines Kin<strong>de</strong>s fürchtete.<br />

Dabei war ich meist sehr still und geduldig, hatte oft auch einen wun<strong>de</strong>rbaren Aberglauben an <strong>die</strong> Heilkraft<br />

mancher Dinge; von einer Taube, <strong>die</strong> ich kaufte, von einer Kahnfahrt, von einem Tale, das <strong>die</strong> Berge mir<br />

verbargen, konnt’ ich Trost erwarten.<br />

Genug! genug! wär’ ich mit Themistokles aufgewachsen, hätt’ ich unter <strong>de</strong>n Scipionen gelebt, meine Seele<br />

hätte sich wahrlich nie von <strong>die</strong>ser Seite kennen gelernt. (Schmidt, 1994: 53)<br />

Hyperion ist mutlos und traurig gewor<strong>de</strong>n, bringt seine Meinungen und Gefühle nicht zur Sprache,<br />

son<strong>de</strong>rn bleibt „still“, <strong>de</strong>nn er ist überzeugt, dass niemand ihn verstehen wür<strong>de</strong>. Er ist einsam<br />

und fühlt, dass er <strong>de</strong>r Menschheit nicht mehr zugehört.<br />

Und <strong>de</strong>nnoch kehrt sein Frühling wie<strong>de</strong>r!<br />

Weint nicht, wenn das Trefflichste verblüht! bald wird es sich verjüngen! Trauert nicht, wenn eures Herzens<br />

Melo<strong>die</strong> verstummt! bald fin<strong>de</strong>t eine Hand sich wie<strong>de</strong>r, es zu stimmen!<br />

Wie war <strong>de</strong>nn ich? war ich nicht wie ein zerrissen Saitenspiel? Ein wenig tönt’ ich noch, aber es waren<br />

To<strong>de</strong>stöne. Ich hatte mir ein düster Schwanenlied gesungen! Einen Sterbekranz hätt’ ich gern mir gewun<strong>de</strong>n,<br />

aber ich hatte nur Winterblumen.<br />

Und wo war sie <strong>de</strong>nn nun, <strong>die</strong> Totenstille, <strong>die</strong> Nacht und Ö<strong>de</strong> meines Lebens? <strong>die</strong> ganze dürftige Sterblichkeit?<br />

Freilich ist das Leben arm und einsam. Wir wohnen hier unten, wie <strong>de</strong>r Diamant im Schacht. Wir fragen<br />

umsonst, wie wir herabgekommen, um wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Weg hinauf zu fin<strong>de</strong>n. (Schmidt, 1994: 61)<br />

Das „Weinen“, das „Verblühen <strong>de</strong>s Trefflichsten“, <strong>die</strong> „Trauer“, <strong>die</strong> „Nacht und Ö<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lebens“,<br />

<strong>die</strong> „dürftige Sterblichkeit“, <strong>die</strong> „Armut und Einsamkeit <strong>de</strong>s Lebens“ wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />

„Verstummen <strong>de</strong>r Melo<strong>die</strong> <strong>de</strong>s Herzens“ gleichgesetzt. Kurz vor <strong>de</strong>m endgültigen Verstummen<br />

gab es nur noch ein „zerrissenes Saitenspiel“, „To<strong>de</strong>stöne“ und „Schwanengesang“. Und dann<br />

absolute „Totenstille“ und vergebliches „Fragen“, <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> heilige Sprache, <strong>die</strong> wie Musik ist<br />

und <strong>die</strong> Seele <strong>de</strong>s Menschen mit <strong>de</strong>m All verbin<strong>de</strong>t und ihn glücklich macht, ist versiegt und dahin.<br />

Die Menschen in einem solchen Leben wer<strong>de</strong>n mit einem Diamanten im Schacht verglichen,<br />

mit einem Juwel im Schlamm. Das impliziert, dass ein solches hoffnungsloses Leben <strong>de</strong>m echten<br />

Menschensein fremd ist.<br />

Mein Herz war doch so stille gewor<strong>de</strong>n, und meine Liebe war begraben mit <strong>de</strong>r Toten, <strong>die</strong> ich liebte.<br />

(Schmidt, 1994: 70)<br />

Das Adverb „still“ behält hier wahrscheinlich seine Doppel<strong>de</strong>utigkeit: 'ruhig, sprachlos'. Die<br />

Ruhe von Hyperions Herzen war eine unnatürliche Totenstille, er gehörte nicht mehr ganz zur<br />

Welt <strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Herzen sich von <strong>de</strong>n Ereignissen bewegen lassen und sich dann in<br />

Worten ausdrücken.<br />

Doch mü<strong>de</strong>r und mü<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong> sterblichen Glie<strong>de</strong>r und <strong>die</strong> ängstigen<strong>de</strong> Schwere zog mich unerbittlich<br />

hinab. Ach! oft in meiner stillen Laube hab’ ich um <strong>de</strong>r Jugend Rosen geweint! sie welkten und welkten,<br />

und nur von Tränen färbte <strong>de</strong>ines Mädchens Wange sich rot. Es waren <strong>die</strong> vorigen Bäume noch, es war <strong>die</strong><br />

vorige Laube – da stand einst <strong>de</strong>ine Diotima, <strong>de</strong>in Kind, Hyperion, vor <strong>de</strong>inen glücklichen Augen, eine Blume<br />

unter <strong>de</strong>n Blumen und <strong>die</strong> Kräfte <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s Himmels trafen sich friedlich zusammen in ihr; nun<br />

ging sie, eine Fremdlingin unter <strong>de</strong>n Knospen <strong>de</strong>s Mais, und ihre Vertrauten, <strong>die</strong> lieblichen Pflanzen, nickten<br />

ihr freundlich, sie aber konnte nur trauern (Schmidt, 1994: 159)<br />

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