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die immanente sprachauffassung - Roderic - Universitat de València

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Wenn ein kleines Mädchen aus <strong>de</strong>m Wal<strong>de</strong> kam und einen Erdbeerstrauß mir zum Verkaufe reichte, mit einer<br />

Miene, als wollte sie ihn schenken, o<strong>de</strong>r wenn ein Bauer, wo ich vorüberging, auf seinem Kirschbaum<br />

saß und pflückte, und aus <strong>de</strong>n Zweigen herab mir rief, ob ich nicht eine Handvoll kosten möchte; das waren<br />

gute Zeichen für das abergläubische Herz!<br />

[...]<br />

Und nun stand ich vor ihr, atemlos und wankend, und drückte <strong>die</strong> verschlungnen Arme gegen mein Herz,<br />

sein Zittern nicht zu fühlen, und, wie <strong>de</strong>r Schwimmer aus reißen<strong>de</strong>n Wassern hervor, rang und strebte mein<br />

Geist, nicht unterzugehn in <strong>de</strong>r unendlichen Liebe.<br />

Wovon sprechen wir doch geschwind? konnt’ ich rufen, man hat oft seine Mühe, man kann <strong>de</strong>n Stoff nicht<br />

fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> Gedanken daran festzuhalten. (Schmidt, 1994: 75 f.)<br />

Die Verben „zurufen“ und „rufen“ beziehen sich auf sprachliche Tätigkeiten, <strong>die</strong> eigentlich keinen<br />

Inhalt vermitteln, außer Höflichkeit. Und <strong>die</strong> Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Höflichkeit be<strong>de</strong>utet,<br />

dass <strong>die</strong> Menschen sich gegenseitig achten und beachten, so dass ein richtiger Kommunikationsprozess<br />

stattfin<strong>de</strong>n könnte, wann immer es sich einer von ihnen wünschen wür<strong>de</strong>. Später steht<br />

Hyperion vor Diotima und tut sein Bestes, um sich zu beherrschen und nicht in <strong>de</strong>r unendlichen<br />

Liebe unterzugehen. Da sucht er verzweifelt nach einem Gesprächsthema. Das Besprochene ist<br />

irrelevant, wichtig ist nur, dass am Kommunikationsprozess festgehalten wird, damit Hyperion<br />

sich zusammenreißen kann.<br />

am meisten aber ergriff mich das alte Tor, wodurch man ehmals aus <strong>de</strong>r alten Stadt zur neuen herauskam,<br />

wo gewiss einst tausend schöne Menschen an Einem Tage sich grüßten. (Schmidt, 1994: 96 f.)<br />

Hyperion, Diotima und an<strong>de</strong>re Freun<strong>de</strong> besuchen Athen. Die alten Griechen, <strong>die</strong> sich damals am<br />

Tor grüßten, erzählten sich weiter nichts, erhielten aber durch <strong>de</strong>n Gruß <strong>de</strong>n Kommunikationskanal<br />

aufrecht: Menschen, <strong>die</strong> sich grüßen, zeigen auf <strong>die</strong>se Weise ihre Bereitschaft, sich je<strong>de</strong>rzeit<br />

ansprechen zu können.<br />

Mit <strong>de</strong>r Sonne beginn’ ich. Da geh’ ich hinaus, wo im Schatten <strong>de</strong>s Walds mein Kriegsvolk liegt und grüße<br />

<strong>die</strong> tausend hellen Augen, <strong>die</strong> jetzt vor mir mit wil<strong>de</strong>r Freundlichkeit sich auftun. (Schmidt, 1994: 125)<br />

Hyperion erzählt Diotima vom Verlauf <strong>de</strong>s Befreiungskrieges. Durch <strong>de</strong>n Gruß erhält Hyperion,<br />

<strong>de</strong>r ein wichtiger Befehlshaber <strong>de</strong>s griechischen Heers ist, <strong>de</strong>n Kontakt mit seinen Soldaten aufrecht.<br />

Noch Einmal möcht’ ich wie<strong>de</strong>rkehren an <strong>de</strong>inen Busen, wo es auch wäre! Ätheraugen! Einmal noch mir<br />

wie<strong>de</strong>r begegnen in euch! an <strong>de</strong>inen Lippen hängen, du Liebliche! du Unaussprechliche! und in mich trinken<br />

<strong>de</strong>in entzückend heiligsüßes Leben – (Schmidt, 1994: 134)<br />

Diotima ist tot und Hyperion sehnt sich nach ihr, er wünscht, er könnte wie<strong>de</strong>r Kontakt zu ihr<br />

aufnehmen, entwe<strong>de</strong>r durch körperliche Berührung ihres Busens o<strong>de</strong>r durch Augenkontakt o<strong>de</strong>r<br />

durch Sprache. Denn <strong>die</strong> „Lippen“ wer<strong>de</strong>n hier als Sprachorgane aufgefasst, so dass er Diotima<br />

entzückt zuhört, egal, was sie sagt. Sprache ist hier nur ein Kanal, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kontakt aufrechterhält.<br />

Du lächelst, Alabanda? o wie oft, in unsern ersten Zeiten, hast du so gelächelt, wann <strong>de</strong>in Knabe vor dir<br />

plau<strong>de</strong>rte, im trunknen Jugendmut, in<strong>de</strong>s du da, wie eine stille Tempelsäule, standst (Schmidt, 1994: 140)<br />

Als Hyperion vor Alabanda plau<strong>de</strong>rte, ist es nicht wichtig, was er sagte, son<strong>de</strong>rn dass er mit ihm<br />

sprach, <strong>de</strong>nn auf <strong>die</strong>se Weise blieb <strong>de</strong>r Kommunikationskanal offen.<br />

O<strong>de</strong>r ist mir meine Seele zu reif gewor<strong>de</strong>n in all <strong>de</strong>n Begeisterungen unserer Liebe und hält sie darum mir<br />

nun, wie ein übermütiger Jüngling, in <strong>de</strong>r beschei<strong>de</strong>nen Heimat nicht mehr? sprich! war es meines Herzens<br />

Üppigkeit, <strong>die</strong> mich entzweite mit <strong>de</strong>m sterblichen Leben? ist <strong>die</strong> Natur in mir durch dich, du Herrlicher! zu<br />

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