Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz - Pro Asyl
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und Familie abzuwägen. Die in Artikel 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene<br />
wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen<br />
und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung<br />
über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des<br />
Ausländers zu Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten,<br />
im Rahmen ihrer Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend<br />
dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zu berücksichtigen. Der<br />
verfassungsrechtliche Schutz umfasst auch das Recht auf ein familiäres Zusammenleben<br />
und setzt insofern voraus, dass eine tatsächliche Verbundenheit<br />
zwischen Familienmitgliedern besteht oder in einem überschaubaren Zeitraum<br />
(wieder) hergestellt werden soll. Artikel 6 Abs. 2 GG garantiert das Elternrecht<br />
im Interesse des Kindeswohls und schützt die freie Entscheidung der Eltern,<br />
wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen, vor staatlichen Eingriffen.<br />
Träger des Grundrechts sind die Eltern einschließlich der Adoptiveltern<br />
und Pflegeeltern, hingegen nicht die Großeltern. Lebt der nichteheliche Vater<br />
mit Mutter und Kind zusammen, kann er sich grundsätzlich auf den Schutz des<br />
Artikel 6 Abs. 2 GG berufen.<br />
55.3.3.1.1 Mit Rücksicht auf Artikel 6 Abs. 1 GG genießen ausländische Ehepartner von<br />
Deutschen einen weitreichenden aufenthaltsrechtlichen Schutz. Ihre Ausweisung<br />
ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur<br />
bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig. Dieser verfassungsrechtliche<br />
Ausweisungsschutz deckt sich mit der einfachrechtlichen Ausweisungseinschränkung<br />
des § 56 Abs. 1 Nr. 4.<br />
55.3.3.1.2 Auch ausländische Staatsangehörige sind Träger des Grundrechts. Rein ausländische<br />
Ehen und Familien genießen aber einen vergleichsweise schwachen<br />
aufenthaltsrechtlichen Schutz. Bei ihnen hindert das Schutzgebot des Artikels<br />
6 Abs. 1 eine erforderliche Ausweisung grundsätzlich nur bei besonderen Umständen.<br />
In der Regel ist Ehegatten und minderjährigen Kindern die Rückkehr<br />
in das Land gemeinsamer Staatsangehörigkeit zu<strong>zum</strong>uten. Auch bei rein ausländischen<br />
Ehen muss aber die Ausweisung durch ein gewichtiges öffentliches<br />
Interesse gerechtfertigt sein, das nach Maßgabe einer Güter- und Interessenabwägung<br />
Vorrang gegenüber den durch Artikel 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen<br />
und familiären Belangen beansprucht. Maßstab ist insbesondere, ob<br />
den Familienmitgliedern zugemutet werden kann, dem Ausgewiesenen ins<br />
Ausland zu folgen oder ggf. eine Trennung in Kauf zu nehmen. Ersteres ist<br />
stets zu bejahen, wenn diese Familienmitglieder ihr Aufenthaltsrecht von dem<br />
ausgewiesenen Ausländer ableiten und noch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht<br />
erworben haben. Der Schutz des Artikel 6 Abs. 1 GG greift dann ein,<br />
wenn die Folgen der Ausweisung für den Betroffenen mit Rücksicht auf seinen<br />
Ehegatten und seine Kinder unverhältnismäßig hart wären. Das kann der Fall<br />
sein, wenn der nicht ausgewiesene und weiterhin aufenthaltsberechtigte ausländische<br />
Ehepartner des Ausländers seine wirtschaftliche Existenz im Bundesgebiet<br />
aufgeben müsste, wollte er die eheliche Lebensgemeinschaft in der<br />
gemeinsamen Heimat fortführen. In diesem Umfang decken sich die Schutzwirkungen<br />
des Artikel 6 Abs. 1 GG mit denen des rechtsstaatlichen Grundsatzes<br />
der Verhältnismäßigkeit. Dem Ausländer obliegt eine entsprechende Darlegungspflicht.<br />
55.3.3.2 Eine nach § 55 Abs. 3 Nr. 2 zu berücksichtigende Folge für die Familienangehörigen<br />
ist deren Pflicht, ebenfalls das Bundesgebiet zu verlassen, weil ihr<br />
Aufenthaltsrecht den Bestand der Aufenthaltstitel des Ausländers voraussetzt.<br />
Soweit ihr eigenes Aufenthaltsrecht durch die Ausweisung nicht berührt wird,<br />
ist zu berücksichtigen, dass sie freiwillig das Bundesgebiet verlassen müssen,<br />
wenn sie die Familieneinheit mit dem Ausländer wahren wollen oder weil der<br />
Vorläufige Niedersächsische Verwaltungsvorschrift <strong>zum</strong> <strong>Aufenthaltsgesetz</strong> vom 31. März 2005