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Geschlechtsbezogene Disparitäten 255<br />

In der empirischen Bildungsforschung werden Kompetenzunterschiede häufig<br />

zu den durchschnittlich zu erwartenden Lernzuwächsen innerhalb eines Schuljahres<br />

in Beziehung gesetzt. Der Lernzuwachs pro Schuljahr ist jedoch keine<br />

konstante Größe: So fallen beispielsweise die Lernzuwächse in der Primarstufe<br />

in der Regel deutlich größer aus als in der Sekundarstufe (Bloom et al.,<br />

2008) und am Gymnasium größer als an den sonstigen Schularten (Köller &<br />

Baumert, 2012). Aufbauend auf bisherigen empirischen Untersuchungen kann<br />

als Interpretationshilfe für das Fach Mathematik am Ende der Sekundarstufe I<br />

ein Lernzuwachs von 25–30 Punkten pro Schuljahr angenommen werden<br />

(Beaton, Martin, Mullis, Gonzalez, Smith & Kelly, 1996; Köller & Baumert,<br />

2012; Walter, Senkbeil, Rost, Carstensen & Prenzel, 2006). Für die naturwissenschaftlichen<br />

Fächer wird auf Basis der in der Literatur berichteten Befunde<br />

ebenfalls ein durchschnittlicher jährlicher Lernzuwachs von 25–30 Punkten<br />

als Orientierungsgröße verwendet (Beaton et al., 1996; Grube, 2010; Köller &<br />

Baumert, 2012; NCES, 1995; Walter et al., 2006).<br />

In Schulleistungsstudien wird häufig auf den Vergleich von Mittelwerten fokussiert,<br />

während Fragestellungen, die die Kompetenzverteilung betreffen, randständig<br />

behandelt werden. Aus pädagogischer Perspektive ist jedoch gerade das<br />

Geschlechterverhältnis auf verschiedenen Segmenten des Kompetenzkontinuums<br />

von besonderem Interesse. Deutlich unterschiedliche Geschlechteranteile in den<br />

unteren Kompetenzbereichen können für eine geschlechtsspezifisch differenzielle<br />

Förderung von Bedeutung sein. Am oberen Ende der Kompetenzverteilung<br />

kann eine Überrepräsentierung von Jungen ein möglicher Erklärungsansatz für<br />

eine höhere, fachspezifische Bildungsbeteiligung im Studium sein (vgl. Hyde,<br />

Lindberg, Linn, Ellis & Williams, 2008). In der psychologischen Forschung wird<br />

eine stärkere Leistungsvariabilität bei den Jungen bereits seit Jahrzehnten thematisiert<br />

(vgl. Greater-Male-Variability-Hypothese; Feingold, 1992). Umfangreiche<br />

Analysen der PISA-Leistungsdaten 5 von 2003 haben ergeben, dass in fast allen<br />

Ländern – einschließlich Deutschland – die Jungen eine größere Varianz in ihren<br />

mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen aufwiesen als<br />

Mädchen (Brunner, Gogol, Sonnleitner, Keller, Krauss & Preckel, 2013). Um geschlechtsspezifische<br />

Kompetenzunterschiede umfassender zu beschreiben, werden<br />

deshalb in diesem Kapitel neben Mittelwertsunterschieden auch Unterschiede in<br />

der Kompetenzverteilung untersucht. Die beiden folgenden Abschnitte fassen den<br />

bisherigen Forschungsstand zu geschlechtsbezogenen Unterschieden in den mathematischen<br />

und den naturwissenschaftlichen Kompetenzen zusammen, wobei<br />

sich die Übersicht auf Ergebnisse groß angelegter Schulleistungsuntersuchungen<br />

mit deutscher Beteiligung konzentriert.<br />

Geschlechtsbezogene Unterschiede in mathematischen Kompetenzen<br />

Ein wiederkehrender und robuster Befund in der Bildungsforschung sind Vorteile<br />

zugunsten der Jungen im mathematischen Bereich. Else-Quest, Hyde und Linn<br />

(2010) analysierten die Leistungsdaten von knapp 500 000 Schülerinnen und<br />

Schülern aus 69 Ländern, die an internationalen Schulleistungsstudien teilgenommen<br />

hatten, und ermittelten einen durchschnittlichen Leistungsvorteil<br />

5 Das Akronym PISA steht für Programme for International Student Assessment.

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