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Ulrich Schroeders, Thilo Siegle, Sebastian Weirich und Hans Anand Pant<br />

10.1 Einfluss der Lernzeit auf schulische Leistung<br />

Bereits Carroll (1963) hat mit dem einflussreichen „Modell schulischen Lernens“<br />

eine direkte Verbindung zwischen aufgewendeter Zeit und Lernleistung postuliert;<br />

der Lernerfolg einer Schülerin beziehungsweise eines Schülers ergibt<br />

sich demzufolge direkt aus dem Verhältnis von aufgewendeter Lernzeit zu benötigter<br />

Lernzeit. Die Einfachheit und Eleganz des so konzipierten funktionalen<br />

Zusammenhangs sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch andere<br />

Größen die Lernzeit beeinflussen. So hängt die aufgewendete und die benötigte<br />

Lernzeit ihrerseits von individuellen Schülermerkmalen, wie etwa der<br />

Lernmotivation, sowie von Merkmalen des Unterrichts, insbesondere seiner<br />

Qualität, ab (vgl. Hasselhorn & Gold, 2009).<br />

Lernzeit ist zudem kein einheitliches, klar definiertes Konzept. Die im vorliegenden<br />

Kapitel verwendeten Begriffe orientieren sich an einer gängigen<br />

Terminologie, die mehrere Zeitkonzepte voneinander abgrenzt (Treiber, 1982).<br />

Unter nominaler oder normativer Lernzeit wird das institutionell vorgegebene<br />

Zeitkontingent verstanden, das in der Schule maximal zum Lernen aufgewendet<br />

werden kann. Dies entspricht den laut Bildungsplänen beziehungsweise<br />

Stundentafeln zugewiesenen Unterrichtszeiten. Unter der realisierten Lernzeit<br />

fasst man demgegenüber die tatsächlich stattfindenden Unterrichtszeiten zusammen.<br />

Die aktive Lernzeit, in der sich Lernende „aktiv und aufmerksam mit<br />

lehrstoffrelevanten Tätigkeiten“ beschäftigen (Helmke & Weinert, 1997, S. 79),<br />

ist wiederum nur ein Teil der tatsächlich realisierten Lernzeit. Bezugsgröße<br />

für die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse ist nicht die individuell vom<br />

Lernenden aufgebrachte aktive Lernzeit, die sich im Rahmen von großangelegten<br />

Schulleistungsstudien kaum erfassen lässt, sondern die in der Klasse realisierte<br />

Lernzeit.<br />

Dass die realisierte Lernzeit in der Schule eine wichtige Bedingung für den<br />

Kompetenzerwerb darstellt, ist naheliegend; die Frage, wie groß ihr Einfluss ist,<br />

wird jedoch in der Forschung unterschiedlich beantwortet. In Meta-Analysen ließ<br />

sich nur ein geringer (d = .19, Scheerens & Bosker, 1997) bis vernachlässigbarer<br />

durchschnittlicher Effekt der Lernzeit auf die schulische Leistung feststellen<br />

(d = .03, Seidel & Shavelson, 2007) 2 . Für den Bereich der Naturwissenschaften<br />

in Deutschland konnte anhand von Daten aus PISA 3 2000 gezeigt werden,<br />

dass ein geringer positiver Zusammenhang zwischen der realisierten Lernzeit<br />

und der naturwissenschaftlichen Kompetenz besteht (r = .21; Baker, Fabrega,<br />

Galindo & Mishook, 2004, S. 330). Allerdings ist bemerkenswert, dass dieser<br />

Zusammenhang nicht in allen teilnehmenden Staaten gleich hoch ausfiel. Auch<br />

scheint es fächerspezifische Unterschiede zu geben, da für das Fach Mathematik<br />

in PISA 2000 kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Lernzeit und der<br />

Leistung nachgewiesen werden konnte (vgl. Baker et al., 2004, S. 328).<br />

Im Rahmen von PISA 2006 wurden die schulischen und außerschulischen<br />

Lernzeiten und ihr Einfluss auf die naturwissenschaftliche Kompetenz<br />

noch eingehender untersucht als in PISA 2000 (Borgonovi, Ikeda & Park,<br />

2011; Kobarg et al., 2011; OCED, 2007, 2011). Dazu wurden die teilnehmenden<br />

Fünfzehnjährigen unter anderem nach der Stundenzahl naturwissen-<br />

2 Obwohl beide Meta-Analysen dasselbe System zur Klassifikation von Studien und ihrer<br />

Ergebnisse nutzten, kommen sie zu unterschiedlichen mittleren Effektstärken, was an der<br />

Auswahl der Studien und der Verrechnung der Ergebnisse liegen kann (siehe Seidel &<br />

Shavelson, 2007, S. 482).<br />

3 Das Akronym PISA steht für Programme for International Student Assessment.

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