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Ulrich Schroeders, Thilo Siegle, Sebastian Weirich und Hans Anand Pant<br />

Stichprobenziehung im IQB-Ländervergleich die Modellierung der Lernzeit in<br />

Mehrebenenanalysen als Variable auf Klassenebene. Zusammengenommen konnten<br />

so viele der Einschränkungen früherer Untersuchungen vermieden werden<br />

(vgl. Seidel et al., 2007).<br />

Die Ergebnisse der in diesem Kapitel vorgestellten Analysen sind in ihrer<br />

Deutlichkeit überraschend: Während der Bruttoeffekt der Lernzeit pro zusätzlicher<br />

Stunde regulären Fachunterrichts in Biologie und Chemie bei rund 8 beziehungsweise<br />

9 Punkten und in Physik bei 15 Punkten 13 liegt, verschwinden diese<br />

Lernzeiteffekte nahezu vollständig, wenn der Einfluss der Schulart statistisch<br />

kontrolliert wird. Durch die Hinzunahme weiterer Merkmale auf Schülerseite,<br />

wie sozioökonomischer Status oder fachliches Interesse, sinkt der Effekt der<br />

Lernzeit noch weiter ab und ist nur noch für den Kompetenzbereich Physik<br />

Erkenntnisgewinnung von einem Nulleffekt zu unterscheiden, wobei selbst dieser<br />

Effekt kaum von praktischer Relevanz ist. Würde man beispielsweise die im<br />

Verlauf der Sekundarstufe I durchschnittlich unterrichtete Lernzeit in Physik um<br />

50 Prozent erhöhen, was rund 3.3 Jahreswochenstunden mehr entspräche, so hätte<br />

dies ceteris paribus nach dem hier getesteten Regressionsmodell eine Steigerung<br />

von etwa 13 Kompetenzpunkten zur Folge. Im Vergleich zu anderen betrachteten<br />

Merkmalen, wie etwa dem fachspezifischen Interesse, ist der Effekt einer rein<br />

quantitativen Steigerung des Lernzeitangebots – also ohne den Unterricht qualitativ<br />

anders auszugestalten oder die aktive Lernzeitnutzung zu erhöhen – als gering<br />

einzustufen.<br />

Die Lernzeitanalysen im Ländervergleich 2012 relativieren somit die Befunde<br />

anderer Schulleistungsstudien. Im Vergleich zu PISA 2006 (OECD, 2007; Seidel<br />

et al., 2007), wo ein Nettozugewinn von knapp 9 Kompetenzpunkten pro zusätzlicher<br />

Wochenstunde identifiziert wurde, ließen sich in den vorliegenden<br />

Analysen keine nennenswerten Effekte der Lernzeit auf die Kompetenzstände<br />

der Schülerinnen und Schüler beobachten. Für die divergierenden Ergebnisse<br />

könnte insbesondere die explizite Berücksichtigung der Schulart im Ländervergleich<br />

2012 verantwortlich sein. Einschränkend muss darauf hingewiesen<br />

werden, dass Schulart und Lernzeit nicht unabhängig voneinander sind. 14 In den<br />

Mehrebenenmodellen, in denen sowohl die Lernzeit als auch die Schulart einbezogen<br />

waren, wurde aber der Einfluss der Lernzeit auf die Leistung zugleich mit<br />

dem Einfluss der Schulart auf die Leistung berücksichtigt und damit auch die<br />

mit der Schulart verbundenen Lernzeitunterschiede. Dies stellt eine konservative<br />

Schätzung und möglicherweise eine Unterschätzung des tatsächlichen Effekts der<br />

Lernzeit auf die Leistung dar. Andererseits würde man jedoch bei einem Verzicht<br />

auf die Kontrolle der Schularteffekte fälschlicherweise Schulartunterschiede<br />

als Lernzeitunterschiede deklarieren, was einer Überschätzung der Ergebnisse<br />

gleichkäme. Diese Konfundierung von Schulart und Lernzeit muss bei der<br />

Interpretation der Ergebnisse beachtet werden. Als mögliche Ursache für die unterschiedlichen<br />

Ergebnisse in PISA 2006 und im Ländervergleich 2012 kommen<br />

aber auch Unterschiede in der Erfassung der Lernzeit (kumuliert versus aktuell;<br />

13 In der empirischen Bildungsforschung werden Kompetenzwerte zur Veranschaulichung<br />

häufig zu den durchschnittlichen Lernzuwächse pro Schuljahr in Beziehung gesetzt (vgl.<br />

die Ausführungen in Kapitel 5.2). Anhand der Ergebnisse bisheriger empirischer Untersuchungen<br />

kann für die naturwissenschaftlichen Fächer ein durchschnittlicher Lernzuwachs<br />

von 25–30 Punkten pro Schuljahr angenommen werden (z. B. Köller & Baumert, 2012).<br />

Setzt man die berichteten Effekte zu dieser Orienterungsgröße in Beziehung, so entspricht<br />

der Bruttoeffekt einem Lernvorsprung von etwa einem drittel bis einem halben Schuljahr.<br />

14 In Biologie und Chemie handelt es sich beim Zusammenhang zwischen Lernzeit und<br />

Schulart um einem kleinen Effekt (η 2 = .01 beziehungsweise η 2 = .03), in Physik um<br />

einem mittleren Effekt (η 2 = .09).

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