29.01.2013 Aufrufe

Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Trinker von moralischer Schuld frei und betrachtete die Trunksucht <strong>als</strong> ein Leiden, welches<br />

durch den Gebrauch alkoholischer Getränke hervorgerufen wird. (vgl. ebd.)<br />

Ein weiterer Vertreter, der in Edinburg studiert hatte, war der <strong>am</strong>erikanische Arzt Rush. Er<br />

schilderte die körperlichen, sozialen und moralischen Folgeschäden des akuten und<br />

fortgesetzten Branntweinkonsums. (vgl. Rush 1814 zit. n. Spode 1993, 126) Rush eliminiert<br />

die Freiheit nicht gänzlich und ermöglicht noch ein gewisses Maß an Schuldzuweisung. (vgl.<br />

ebd., 127) D<strong>am</strong>it betrachtete er die Sucht <strong>als</strong> ein „Mittelding zwischen Laster und Krankheit“<br />

(ebd., 127)<br />

In Deutschland schrieb der Arzt Carl v. Brühl-Cr<strong>am</strong>er (1819) eine Abhandlung über die<br />

Trunksucht mit einer systematischen Ätiologie und Symptomatologie. (Brühl-Cr<strong>am</strong>er 1819)<br />

Er wandte sich gegen die moralischen Argumente und betrachtete den Trinker <strong>als</strong> Opfer einer<br />

Krankheit, da z.B. die Gewöhnung auf Unkenntnis der Gefahren beruhe und er vermutete<br />

auch eine genetische Veranlagung. (vgl. Brühl - Cr<strong>am</strong>er 1819 zit. n. Spode 1993, 128)<br />

Magnus Huss führte 1849 den Begriff des alcoholismus chronicus ein. Auf der Basis der<br />

Arbeiten von Trotter, Hufland und Brühl - Cr<strong>am</strong>er sah er die Trunksucht <strong>als</strong> eine spezielle,<br />

seltene Komplikation des fortwährenden, übermäßigen Genusses alkoholischer Getränke, und<br />

dieser bleibt trotz einer Vielzahl von teils auch unschuldigen „prädisponierenden Ursachen“<br />

ein Laster. (vgl. Huss 1852, 289 ff.)<br />

Mit der Zeit setzte sich aber in der Fachwelt die Anschauung durch, dass die Trunksucht ein<br />

medizinisches und kein moralisches Problem sei und durch die mangelnde Fähigkeit zur<br />

Selbstkontrolle vom normalen und gesunden Menschen zu unterscheiden sei. Der<br />

Fachausdruck „Alkoholiker“ oder „Alkoholist“ fand immer häufigere Verwendung. (vgl.<br />

Spode 1993, 135)<br />

Es gab <strong>als</strong>o eine Entwicklung, bei welcher der Kontrollverlust des Trinkers immer weniger <strong>als</strong><br />

eine selbstverschuldete Unfähigkeit gesehen wurde, sondern <strong>als</strong> ein wesentliches<br />

Krankheitsphänomen. Dennoch vertraten die Autoren unterschiedliche Positionen bezüglich<br />

der „Schuldfrage“ bzw. der Eigenverantwortung. Einige sahen den Alkoholiker komplett <strong>als</strong><br />

Opfer, andere schrieben ihm zumindest ein Stück Verantwortung im Anfangsstadium der<br />

Suchtentwicklung zu. Wieder Andere erkannten nur die schweren körperlichen Folgeschäden<br />

<strong>als</strong> Krankheit an und nicht das maßlose Trinken <strong>als</strong> solches, dieses wurde weiterhin <strong>als</strong> ein<br />

Laster gesehen.<br />

Dies zeigt, wie schwierig die Abgrenzung zwischen noch normalem, gesundem und<br />

pathologischem Trinken war und auch noch ist. Denn es wird deutlich, dass exakte,<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!