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Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

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Rost bemerkt kritisch, dass nicht alle Trinker selbstzerstörerische Tendenzen aufzuweisen<br />

haben, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Vielzahl der Fälle eine<br />

aggressive, destruktive Dyn<strong>am</strong>ik zugrunde liegt. (vgl. ebd. 104)<br />

Die Ich-psychologische Sichtweise rückt die Störungen bei der Entwicklung der<br />

Persönlichkeitsstruktur (Ich, Es, Über-Ich) in den Mittelpunkt der Betrachtungen. (vgl. Rost<br />

2001, 51) Übereinstimmend gehen alle Autoren davon aus, dass die zentrale Instanz des Ichs<br />

beim Süchtigen geschwächt und unentwickelt geblieben ist, vor allem auch in Bezug auf die<br />

Realitätsprüfung. (vgl. ebd.)<br />

Ein wesentlicher Unterschied zum triebdyn<strong>am</strong>ischen Modell besteht darin, dass das Symptom<br />

‚<strong>Alkoholismus</strong>‘ hier nicht mehr Ausdruck eines Konflikts – etwa zwischen miteinander in<br />

Konkurrenz stehenden Triebregungen oder zwischen Triebimpulsen und Anforderungen der<br />

Umwelt (meist durch Eltern repräsentiert) – ist, sondern Resultat eines Defekts in der Struktur<br />

der Persönlichkeit. Dabei wird eine idealtypische Entwicklung der Persönlichkeit<br />

angenommen. (vgl. ebd., 52)<br />

Aus Sicht der Ich-psychologischen Defizite liegen dem Suchtmittelkonsum keine<br />

Selbstzerstörungs-, sondern im Gegenteil Selbstheilungstendenzen oder auch<br />

Selbstmedikationen zugrunde: Die Defizite beziehen sich auf Affekt- und Impulskontrolle,<br />

auf eine niedrige Frustrationstoleranz, auf das Urteilsvermögen, auf integrative und<br />

organisierende Fähigkeiten sowie auf die Über-Ich-Struktur. Der Suchtmittelgebrauch kann<br />

<strong>als</strong> Reizschutz gegen Angst, Schmerz und Depression verstanden werden. Gemäß dieser<br />

Position übernimmt das Suchtmittel psychische Funktionen (Ich-Funktionen), die der<br />

abhängigen Person nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. (vgl. ebd. 52 ff.)<br />

Der Süchtige wird <strong>als</strong> kranke Person betrachtet, die verzweifelt versucht, ihre aus ihren<br />

Defekten des Ichs resultierende Krankheit zu bewältigen. (vgl. ebd., 60)<br />

Psychogenetisch wird angenommen, dass es sich hauptsächlich um frühe Störungen handelt,<br />

wobei Identitätsbildung (Selbstbild), die Entwicklung von Autonomie, sowie die Entwicklung<br />

von Über-Ich-Funktionen (Kontrollfähigkeiten) gestört sind. (vgl. ebd., 58)<br />

Wenn der psychische Zustand auf Dauer <strong>als</strong> quälend und zermürbend erlebt wird, wie zum<br />

<strong>Beispiel</strong> bei schweren Depressionen oder Borderline-Störungen, dann kann dem erneuten<br />

Suchtmittelkonsum durch die dadurch herbeigeführte Abschwächung der bedrohlichen<br />

Affekte sogar eine suizidprophylaktische Bedeutung zukommen.<br />

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