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Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

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Bei Blankenburg finden wir einen ähnlichen Gedanken, der auch Abstand nimmt von einer<br />

Krankheitsperspektive, die <strong>als</strong> Abweichung von der Normalbiographie zu verstehen ist:<br />

„Sosehr sich Naturvorgänge (mit Ausnahme der großen Evolutionsschritte) auf jeweils<br />

Vorhergehendes zurückführen lassen – das menschliche Ich entfaltet sich nicht minder aus<br />

dem Zukünftigen. Zwar nehmen wir zumeist an, daß es sich aus der Vergangenheit heraus<br />

entwickelt und dann gleichs<strong>am</strong> ‚von außen‘, von einem ‚<strong>Ereignis</strong>‘ (einem ‚life event‘) bzw.<br />

von einem Schicks<strong>als</strong>schlag – etwa einer das ganze Leben verändernden Krankheit ‚getroffen‘<br />

wird. Aber wenn man nach vielen Jahren zurückblickt, kann dieses <strong>Ereignis</strong> kaum mehr <strong>als</strong><br />

ein ‚von außen‘ her einwirkendes, <strong>als</strong> eines, das das ‚Ich‘ von außen getroffen hat, gelten; es<br />

zeigt sich dann vielmehr <strong>als</strong> in die Geschichtlichkeit seiner Biographie ‚einverleibt‘ – <strong>als</strong> in<br />

sie hineinverwoben. Das heißt: es ‚wirkt‘ nicht nur im Sinne eines Beeinflussungsfaktors von<br />

außen, sondern wird zu einem ‚Erlebnis‘ und <strong>als</strong> solches zu einem integrierenden Bestandteil<br />

(...) seiner Biographie.“ (Blankenburg in Blankenburg 1989, 79)<br />

In einem weiteren Aufsatz über Lebens- und Krankengeschichten zur Bedeutung der<br />

Biographie für die Psychiatrie macht er seinen Standpunkt in Bezug auf den Zus<strong>am</strong>menhang<br />

von Krankheit und Biographie deutlich:<br />

„Die Thematik ‚Biographie und Krankheit‘ signalisiert einen Ansatz, der die Krankheit eines<br />

Menschen in sein übriges Leben, in seine Lebensgeschichte, mit einbezieht. Dies bedeutet,<br />

dass wir ‚Krankheit‘ nicht ausschließlich <strong>als</strong> eine Beeinträchtigung, <strong>als</strong> Unterbrechung oder<br />

gar <strong>als</strong> ein Durchbrechen der Biographie sehen...sondern zugleich <strong>als</strong> einen integrierenden<br />

Bestandteil der Biographie im Rahmen der ges<strong>am</strong>ten Lebensgeschichte eines Menschen. Wir<br />

gelangen auf diese Weise dahin, Gesundes und Krankes in einem engeren Kontext<br />

miteinander zu sehen.“ (Blankenburg in Blankenburg 1989, 7)<br />

In einem weiteren Weizsäcker-Zitat, das von einer medizinischen Perspektive ausgeht, wird<br />

dieser Gedanke von der Verwobenheit der Krankheit mit dem Leben und die ‚Normalität‘ von<br />

Krankheit noch einmal deutlich:<br />

„...die Grenze der Medizin soll so verlegt werden, dass sie ach noch das Gebiet der<br />

eigentlichen Krankengeschichte umfasst. Es soll kein Leiden, keine Not geben, welche sie<br />

nicht umfasse, sie soll sich an diesem ungeheuren wenigstens im Geiste erziehen und ihr<br />

Auge üben der Totalität dessen, was Hilfe fordert. Sie soll die Grenzen der Fakultäten für<br />

einen Augenblick niederlegen und sich öffnen für den ursprünglichen Zus<strong>am</strong>menhang aller<br />

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