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Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

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14.3 Krankheit <strong>als</strong> Normalfall in der menschlichen Biographie<br />

In diesem Abschnitt soll noch einen Schritt weitergegangen und gezeigt werden, dass man<br />

Krankheit im Zus<strong>am</strong>menhang mit einer subjektiven Sichtweise, auch zum Leben<br />

dazugehörend, betrachten kann, <strong>als</strong>o nicht <strong>als</strong> Störfaktor, sondern <strong>als</strong> je individuellen,<br />

normalen Bestandteil einer jeden Biographie.<br />

V. Weizäcker weist auf die enge Verbindung von Krankheit mit dem Leben in seinem Werk<br />

Pathosophie hin. Er sagt, dass Krankheiten gar nicht so selten seien, wie man meinen könnte:<br />

„Die Vorstellung, daß die Mehrzahl von uns Menschen die längste Zeit ihres Lebens gesund<br />

sei, und daß wir nur da und dort und dann und wann krank würden – diese Vorstellung ist<br />

leider ganz unzutreffend...Ebenso ist der Grundzug des sogenannten normalen Lebens, daß es,<br />

sieht man sichs nur genau an, eben nicht wirklich gesund verläuft und nur aus bestimmten<br />

Rücksichten so genannt wird. Welcher Körper wäre makellos gebildet? Welche Konstitution<br />

gegen Keime der zahlreichen Infektionen so immun, wie es doch nachweislich möglich ist?<br />

Welche F<strong>am</strong>ilie ist frei von erblichen Schäden? Welche Biographie ungestört durch greifbare<br />

Erkrankungen? Welches Seelenleben frei von Neurose oder pathologischen Zuständen oder<br />

Zügen?...Krank oder krankhaft ist <strong>als</strong>o der vielleicht größere Teil unseres Lebens und<br />

jedenfalls ein viel größerer Teil <strong>als</strong> das, was davon bemerkt und anerkannt wird.“ (v.<br />

Weizsäcker 1967, 8)<br />

Für den Krankheitsbegriff und die einzelnen Krankheiten stellt er weiterhin heraus,<br />

„1. dass nicht nur der menschliche Körper krank wird, sondern alle möglichen Sphären des<br />

Lebens, und 2. dass jede Krankheit ein kasuistisches Original ist.“ (ebd., 240)<br />

Und weiter: „Es handelt sich darum, eine Form zu finden, in der alle Krankheiten,<br />

Krankheitsverläufe, Krankheitswandlungen Platz haben. Dieses Postulat enthält bereits die<br />

Vorstellung, dass im Werden eines Menschen auch ein Werden seines Krankseins erfolgt, ja,<br />

daß das Kranksein einen Teil seines Werdens <strong>als</strong> Mensch ausmacht.“ (v. Weizsäcker 1967,<br />

114)<br />

D<strong>am</strong>it ist ein nächster entscheidender Gedanke auf den Weg gebracht: Nachdem wir die<br />

herkömmlichen Definitionen von Krankheit betrachtet haben, die Krankheit <strong>als</strong> Störfall in der<br />

Normalbiographie betrachten, kommen wir nun zu einer Sichtweise, die Krankheit <strong>als</strong><br />

Normalfall betrachtet, der unweigerlich zu einer menschlichen Biographie gehört.<br />

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