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Alkoholismus als biographisches Ereignis am Beispiel chronisch ...

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D<strong>am</strong>it verbunden wäre auch die Aufgabe, den Selbstwert der Menschen unabhängiger von<br />

den Geschehnissen zu verstehen. Durch das Verständnis der Krankheitsdyn<strong>am</strong>ik könnte der<br />

Selbstwert von den negativen <strong>Ereignis</strong>sen entkoppelt werden. Durch die Arbeit mit und an der<br />

Lebensgeschichte könnten dementsprechende Denkmuster analysiert und verändert werden.<br />

Zu berücksichtigen sind natürlich immer die hirnorganischen Beeinträchtigungen, die das<br />

Entwicklungspotential der Betroffenen begrenzen.<br />

Der Biographiearbeit würde aber d<strong>am</strong>it ein größerer Stellenwert zukommen, im Sinne eines<br />

psychodyn<strong>am</strong>ischen Vorgehens. D<strong>am</strong>it würde auch den reduktionistischen Vorgaben des<br />

Dokumentationssystems entgegengetreten werden und der Mensch würde verstärkt in seiner<br />

Ganzheit, sowie seiner Individualität gesehen werden. Vor allem würde die Narration über die<br />

normale An<strong>am</strong>nese hinausgehen und viele Erlebnisse und Geschichten hervorbringen, die<br />

positiven Charakter haben könnten.<br />

Auf zwei weitere Aspekte soll noch eingegangen werden. Einmal wurde in den Interviews<br />

immer wieder deutlich, dass die Alkoholsucht auch <strong>als</strong> eine Art Flucht vor der Realität, vor<br />

den schlimmen biographischen <strong>Ereignis</strong>sen gesehen werden kann, aber auch <strong>als</strong> ein<br />

Lösungsweg mit dem Ziel, Harmonie, Glück oder Wohlbefinden zu erleben. Zum anderen<br />

war der Konsum alkoholischer Getränke immer verbunden mit einer enormen Maßlosigkeit,<br />

was sicherlich <strong>als</strong> ein Wesensmerkmal der Krankheit verstanden werden kann auf Grund der<br />

Unfähigkeit, sich kontrollieren zu können. Dementsprechend könnte man die oben<br />

beschriebene Suche nach Heil und Einklang <strong>als</strong> eine unbändige Flucht vor der den Menschen<br />

umgebenden Welt sehen. Doch ist ein solches Suchen nicht zutiefst menschlich?<br />

Der Philosoph Heinrich Beck beschreibt den Menschen <strong>als</strong> ein Wesen, das nach Sinngehalt,<br />

Wahrheit, Schönheit und Liebe sucht. Er sieht diesen Sinngehalt des Seins in begrenztem<br />

Maße der Welt immanent. (vgl. Beck 1995, 52) Er ist jedoch nur begrenzt und deshalb<br />

erscheint ein Transzendieren von der Natur der Sache her begründet und lässt sich <strong>als</strong><br />

„legitime Sehnsucht“ verstehen. (ebd.) „Sowohl ein menschliches Streben nach Gerechtigkeit<br />

und Sinnerfüllung, das sich in der begrenzten Welt verschließt und nicht zur Transzendenz<br />

öffnet, <strong>als</strong> auch ein Transzendieren, das des Unbegrenzten habhaft werden will, ohne den<br />

mühevollen Weg die Aufgaben des Diesseits auf sich zu nehmen, widerspricht, wie es<br />

scheint, der natürlichen Disposition des Menschenwesens und kann, wenn es gewissermaßen<br />

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