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Das Engelchen. Robert Prutz. - Karl-May-Gesellschaft

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Wenn auch nicht ganz mit der Behendigkeit einer<br />

Katze, doch ebenso unhörbar wie diese, kletterte er<br />

die schlecht zusammengeflickten Stufen hinunter. <strong>Das</strong><br />

Haus, von der gegenüberliegenden Seite des Grabens<br />

überschattet, lag ganz im Finstern; nur durch den Laden<br />

des einzigen niedrigen Fensters quoll, wie ein einsam<br />

verlöschender Stern, der spärliche Schein einer<br />

Lampe.<br />

Ebenso geräuschlos, wie er gekommen, öffnete der<br />

Alte die Thür, die er sogleich wieder hinter sich verschloß.<br />

Auf dem kleinen dunklen Hausflur blieb er mit verhaltenem<br />

Athem stehen, indem er das Ohr dicht an die<br />

Thür des Wohnzimmers legte.<br />

Aus dem Zimmer heraus tönte der Gesang (wenn<br />

man es Gesang nennen konnte) einer rauhen weiblichen<br />

Stimme; es war eine einförmige geistliche Melodie,<br />

vorgetragen in jener unausstehlichen Weise, mit<br />

jenem Zittern, Dehnen, Ueberschlagen, jenem Näseln<br />

und Trillern, durch welches unsere alten Weiber Sonntags<br />

in der Kirche ihre ganz besondere Gottesfurcht<br />

darzuthun pflegen.<br />

Der Alte horchte einige Secunden; dann brachte er<br />

das Auge ans Schlüsselloch. – Sie betet, sagte er, mit<br />

einem Ausdruck, der aus Befriedigung und Verachtung<br />

wunderbar gemischt war – dummes Weib!

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