Klassenbester in Deutsch oder Englisch? Nein danke – das passt ...
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G.2. Bildungspolitische Schlussfolgerungen<br />
Bildung fungiert „…als Schlüsselelement kulturellen und sozialen Lebens e<strong>in</strong>es Landes.“ 377<br />
Insofern gilt die bildungspolitisch herzustellende Chancengleichheit von Mädchen und<br />
Jungen im Bildungs- und Ausbildungswesen als Voraussetzung für die Verwirklichung der<br />
Gleichberechtigung von Frau und Mann im Beruf. Entsprechend war auch <strong>das</strong> „…Konzept<br />
der Koedukation…gedacht als konsequente E<strong>in</strong>beziehung der Mädchen <strong>in</strong> alle<br />
Ausbildungsmöglichkeiten…“ (Sechster Jugendbericht 1984, S. 231) Aber Bildungspolitik<br />
-<strong>das</strong> geht aus der genannten Schlüsselfunktion von Bildung hervor- steht <strong>in</strong> unmittelbarem<br />
Zusammenhang mit den soziokulturellen wie auch sozioökonomischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />
die ihren Aktionsraum und ihre Inhalte bestimmen. Diese gesellschaftlichen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bestehen bisher <strong>in</strong> kulturellen Geschlechtsrollenbildern 378 , die als<br />
normative Vorgabe für die Allokationsmechanismen e<strong>in</strong>es „geschlechtsspezifisch“<br />
segmentierten Arbeitsmarktes 379 dienen, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Angebotsstruktur auf e<strong>in</strong>e<br />
Geschlechtsrollenabhängigkeit von Berufsbildern zielt, weil arbeits<strong>in</strong>haltliche Anforderungen<br />
an sogenannte Frauen- bzw. Männerarbeitsplätze mit der Vorstellung von der Existenz<br />
„geschlechtstypischer“ Fähigkeiten und Verhaltensmuster verbunden s<strong>in</strong>d. Der<br />
bildungspolitische Blick auf die Koedukation konzentrierte sich daher -wie <strong>in</strong> den<br />
koedukationkritischen achtziger Jahren massiv problematisiert- bis heute „…eher (auf)<br />
pragmatische als bildungstheoretische Aspekte…“ (Kreft/ Mielenz 1988, S. 359), womit <strong>das</strong><br />
dem Koedukationsge<strong>danke</strong>n zugrunde liegende politische Pr<strong>in</strong>zip der Chancengleichheit der<br />
Geschlechter 380 <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund rückte. Folglich vollziehen sich <strong>in</strong> der Schule<br />
geschlechtsrollenbezogene Lernprozesse, welche „geschlechtsspezifische“<br />
Berufswahlambitionen von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern begünstigen. Dies widerspricht sowohl<br />
dem emanzipatorisch ausgerichteten Koeduaktionsge<strong>danke</strong>n als auch dem im Grundgesetz <strong>in</strong><br />
Artikel 2 381 verankerten Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Erklärbar (nicht<br />
rechtfertigbar!) wird dieser Widerspruch durch die schon angeführte 382 soziologische<br />
Erkenntnis Karl Mannheims über den E<strong>in</strong>fluss sozialer Dispositionen auf den<br />
Verbreitungsgrad von Wertorientierungen. Konnten sich doch bis heute emanzipatorische<br />
berufliche Leitbilder für Mädchen und Jungen nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Maße ausbreiten, weil sie dem<br />
grundlegenden Strukturierungspr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er Berufsbereiche nach Geschlechtszugehörigkeit<br />
ordnenden Arbeitswelt zuwiderliefen.<br />
Perspektivisch gesehen jedoch gestatten die demographisch und globalisierungsbed<strong>in</strong>gten 383<br />
Umbrüche, die sich derzeit im Beschäftigungssystem vollziehen, nicht nur e<strong>in</strong>e raschere<br />
Ausbreitung neuer beruflicher Vorbilder für Frauen und Männer, sondern sie bed<strong>in</strong>gen diese<br />
geradezu. Denn zum e<strong>in</strong>en wird die Nachfrage an hochqualifizierten Fachkräften vor allem<br />
auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet stark ansteigen, und zum anderen werden sich<br />
Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen zum volkswirtschaftlichen Wachstumsfaktor<br />
entwickeln. Diese gesellschaftlichen Wandlungsprozesse weisen <strong>in</strong> naher Zukunft klar auf<br />
Veränderungen der Makro-Chancenstruktur des Arbeitsmarktes mit se<strong>in</strong>en<br />
„geschlechtsspezifischen“ Zugangsoptionen h<strong>in</strong>. Weil aber Beschäftigungs- und<br />
377 Hörner, Wolfgang: Bildungssysteme <strong>in</strong> Europa- Überlegungen zu e<strong>in</strong>er vergleichenden Betrachtung. In:<br />
Anweiler, Oskar et al.: Bildungssysteme <strong>in</strong> Europa. Entwicklung und Struktur des Bildungswesens <strong>in</strong> zehn<br />
Ländern: <strong>Deutsch</strong>land, England, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Rußland, Schweden, Spanien, Türkei.<br />
Reihe: Pädagogik. 4. Auflage, Beltz Verlag: We<strong>in</strong>heim und Basel 1996, S.13- 30, S. 15<br />
378<br />
vgl. Kapitel „C.4. Das kulturelle Geschlechtsrollenkonzept als Wegweiser für e<strong>in</strong>e<br />
geschlechtsrollenspezifische Berufswahlentscheidung“<br />
379 siehe Kapitel „C.3. Gesellschaftliche Strukturen als Zensur ,geschlechtsuntypischer’ Berufswahlambitionen“<br />
380 vgl. Kapitel „C.5. Die Schule als <strong>in</strong>stitutionalisiertes Subsystem von Gesellschaft und Kultur“<br />
381 sowie <strong>in</strong> den Landesverfassungen, z.B. <strong>in</strong> der Verfassung des Freistaates Sachsen, Artikel 15<br />
382 siehe Kapitel „C.3. Gesellschaftliche Strukturen als Zensur ,geschlechtsuntypischer’ Berufswahlambitionen“<br />
383 siehe Kapitel „B. Zeitgeschichtlicher Kontext der Studie“<br />
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