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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Völlig richtig. M. macht damit se<strong>in</strong>en Lesern klar, dass "kapitalistische Produktionsweise" nichts<br />

Entferntes oder Vorgestelltes, ke<strong>in</strong> akademisches Thema, sondern genau das ist, was um sie<br />

herum tagtäglich passiert. Aber zu ke<strong>in</strong>em Zeitpunkt war es se<strong>in</strong>e Absicht, Amoralität, Heuchelei<br />

und Gier der Kapitalisten als Ursache der kapitalistischen Produktionsweise darzustellen. Er illustriert<br />

damit ihre Folgen. Amoralität, Heuchelei und Gier e<strong>in</strong>er Klasse s<strong>in</strong>d selbst soziale Produkte<br />

der kapitalistischen Produktionsweise, gehen aus ihr hervor, f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> ihr günstige Möglichkeiten<br />

der Entfaltung. Deswegen zielt M. schließlich auf die Überw<strong>in</strong>dung der kapitalistischen Produktionsweise,<br />

nicht auf die moralische Besserung ihrer Akteure. Deswegen geht es ihm um die Veränderung<br />

der Verhältnisse, nicht um die missionarische Besserung des Verhaltens. In gar ke<strong>in</strong>em<br />

Fall geht es darum, diese Produktionsweise über moralische Qualitäten zu def<strong>in</strong>ieren.<br />

Schon an anderer Stelle haben wir dafür plädiert, moralische Bewertungen wie "gut-böseverwerflich-brutal..."<br />

aus der politischen Ökonomie im engeren S<strong>in</strong>ne fern zu halten, das heißt:<br />

Sie werden nicht zu e<strong>in</strong>em <strong>Teil</strong> unserer Analyse. Daran halten wir fest. 299 Aber wir werden mit<br />

Blick auf den absoluten wie relativen Mehrwert weiterh<strong>in</strong> <strong>von</strong> Ausbeutung der lebendigen Arbeitskraft<br />

reden. Allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> M.s S<strong>in</strong>ne. Der Vorwurf, M. werde mit dem Begriff der Ausbeutung<br />

selbst ausgesprochen moralisch, hat eben nur zum <strong>Teil</strong> recht.<br />

Zweifellos hat gerade das Thema "Mehrwert und Ausbeutung" <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung den<br />

stärksten Widerhall gefunden. Ke<strong>in</strong> Wunder: Begründet M. damit doch auf neue Weise, was alle<br />

Polit-Ökonomen vor ihm schon wußten und was jedem <strong>von</strong> uns ebenfalls klar se<strong>in</strong> sollte. Nämlich:<br />

Die menschliche Arbeit ist die Quelle aller Produkte, die unser Leben sichern und es schöner<br />

machen; aber auch aller anderen Produkte wie Umweltgifte und Vernichtungswaffen, auf die<br />

wir gut verzichten könnten.<br />

Unter kapitalistischen Bed<strong>in</strong>gungen ist die gesellschaftliche Arbeit daher auch Quelle aller Werte<br />

und natürlich Quelle des Mehrwerts. Reichtum und Macht der Kapitalistenklasse basieren nicht<br />

auf besonderen Fähigkeiten oder organisatorischen Talenten 300 , nicht auf Sparsamkeit und<br />

Selbstdiszipl<strong>in</strong>, sondern auf der Aneignung dieses Mehrwerts, auf den sie als Eigentümer der<br />

Produktionsmittel und Käufer der Arbeitskraft e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>bar natürlichen Anspruch erheben. Es<br />

spielt dafür gar ke<strong>in</strong>e Rolle, ob all die gepriesenen "unternehmerischen Fähigkeiten" vorhanden<br />

s<strong>in</strong>d oder nicht. Die werden heute ohneh<strong>in</strong> zusammengekauft wie e<strong>in</strong>e Fußballmannschaft.<br />

Jeder wird für sich den Begriff Ausbeutung der Arbeitskraft mit zahlreichen negativen Empf<strong>in</strong>dungen<br />

verb<strong>in</strong>den. Dennoch ist diese Kategorie zunächst nicht als moralische Kategorie geme<strong>in</strong>t.<br />

Wenn wir M.s Vorliebe für Mehrdeutigkeit beachten, könnten wir den Begriff Ausbeutung<br />

als die Schnittstelle sehen, wo sich nüchterne ökonomische Analyse und Moral berühren.<br />

Tatsächlich ist es e<strong>in</strong>e technische und e<strong>in</strong>e moralische Komponente, die sich im Begriff treffen.<br />

Ausbeutung und gleichbedeutend Exploitation werden <strong>von</strong> M. im "Kapital" auf die Arbeitskraft<br />

auf dieselbe Weise angewendet wie auf Masch<strong>in</strong>en oder Bergwerke. Wer f<strong>in</strong>det etwas dabei,<br />

wenn e<strong>in</strong> Kohlenflöz ausgebeutet wird? Wenn e<strong>in</strong>er Dampfmasch<strong>in</strong>e das äußerste abverlangt<br />

wird? Ohne Zweifel ist das e<strong>in</strong> bißchen tricksig, denn natürlich weiß M., dass er damit implizit<br />

auch e<strong>in</strong>en moralischen Vorwurf erhebt, sobald diese technische Bezeichnung auf die lebendige<br />

Arbeitskraft angewendet wird. Aber dieser Vorwurf ist eben zunächst nicht moralisch begründet,<br />

sondern viel gravierender: Die Ausbeutung ist e<strong>in</strong>e unvermeidliche Konsequenz der Verhältnisse!<br />

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