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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Franken beg<strong>in</strong>nt. Über solche Summen lachen die Reichen nur. Da fällt e<strong>in</strong>em der Bankier<br />

Pferdmenges e<strong>in</strong>, Berater des ersten deutschen Bundeskanzlers Adenauer. Der hat auf die typische<br />

Reporterfrage, was er machen würde, wenn er 1 Million Mark besäße, trocken geantwortet:<br />

"Dann würde ich mich wohl recht ordentlich e<strong>in</strong>schränken müssen."<br />

13. Kommen uns die zu M.s Zeit angebotenen Erklärungen für Armut bekannt vor?<br />

Uns jedenfalls kommen die sehr bekannt vor. Wo zu M.s Zeiten "sittliche Verrohung" oder "hohe<br />

K<strong>in</strong>derzahl" herhalten mußte, um das Anwachsen der Armut zu erklären, s<strong>in</strong>d es heute die<br />

"Hängemattenlieger", die "Arbeitsunwilligen", die "Sozialschmarotzer" usw. Und aus der<br />

"überzähligen Bevölkerung" e<strong>in</strong>es Malthus im 19. Jahrhundert wird die "Überalterung" und<br />

"demografische Zeitbombe" im 2<strong>1.</strong> Jahrhundert. Aus der "nationalen Größe" wird der "Standort<br />

Deutschland", aus dem "Jeder ist se<strong>in</strong>es Glückes Schmied" wird die heutige "Eigenverantwortung"<br />

und "Wir s<strong>in</strong>d Deutschland" blablabla.<br />

Und wie zu M.s Zeiten f<strong>in</strong>den sich auch heute akademische Vorbeter, die im Gewand der Wissenschaft<br />

und im Geruch des Expertentums solchen populären Irrtümern und Vorurteilen die<br />

höheren Weihen geben: <strong>in</strong> Talkrunden, reißerischen Schmökern und Spiegel-Interviews. E<strong>in</strong>zige<br />

Grundbed<strong>in</strong>gung, um auf diesem Lügenmarkt mitzumischen: Es liegt niemals am System!<br />

Und wenn es dann doch e<strong>in</strong>mal ganz offensichtlich am System liegt, so offensichtlich, dass man<br />

sogar "Banken mit systemischer Bedeutung" mit riesigen Geldsummen zu retten versucht, dann<br />

liegt es trotzdem nicht am System, sondern an der Habgier der Banker, fehlender Regulierung,<br />

mangelndem Vertrauen usw.<br />

14. Warum ist es vernünftig, moralische Kategorien wie "gut", "gerecht", "anständig" usw.<br />

aus der Politischen Ökonomie herauszuhalten?<br />

Als "Moral" bezeichnen wir die aus dem gesellschaftlichen Leben heraus sich entwickelnden<br />

Vorstellungen darüber, wie man se<strong>in</strong> Leben führen sollte, was gut und böse, falsch und richtig<br />

ist. Die Moral begegnet uns als äußere Erwartung ("In unserer Familie macht man so etwas<br />

nicht" oder "Du, das ist total unsolidarisch") oder als <strong>in</strong>neres Gewissen. Moralische Normen und<br />

Werte haben unterschiedliche Reichweite. Es gibt allgeme<strong>in</strong>e Werte ("Du sollst nicht töten") und<br />

Gruppenwerte ("Man haut ke<strong>in</strong>en Kumpel <strong>in</strong> die Pfanne"). Moralische Werte unterliegen nicht<br />

nur schnellen historischen Wandlungen, sondern auch e<strong>in</strong>er beachtlichen sozialen Streuung.<br />

Wie sollte man sich mit e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Analyse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen moralisch abgesteckten<br />

Raum bewegen können? M. macht zwar niemals e<strong>in</strong>en Hehl daraus, dass er das bürgerliche<br />

Profitregime ablehnt. Er stellt die akademischen Schwadroneure, die "bezahlten Klopffechter"<br />

und "Vulgärökonomen" gerne bloß. Aber moralische Wertungen sollen ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß auf das<br />

Ergebnis nehmen. Nicht e<strong>in</strong>mal dort, wo M. die "Ausbeutung der Lohnarbeit" analysiert, erfolgt<br />

das <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em moralischen Standpunkt (s. S. 9-28).<br />

Anders gesagt: Die Werttheorie wird nicht entwickelt, um zu zeigen, wie h<strong>in</strong>terhältig das kapitalistische<br />

System ist. Die Werttheorie wird entwickelt, weil sie die zufriedenstellende Lösung e<strong>in</strong>er<br />

Reihe <strong>von</strong> theoretischen Problemen darstellt, mit denen sich Ökonomen vor und nach M. immer<br />

wieder herumschlagen.<br />

Die Überw<strong>in</strong>dung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln wird nicht gefordert,<br />

um den reichen Säcken e<strong>in</strong>s auszuwischen. Es ist ke<strong>in</strong>e Neidhammel-Forderung, sondern<br />

die Voraussetzung, um der Anarchie der kapitalistischen Produktion zu entkommen und die<br />

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