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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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205 <strong>Das</strong> ist auch historisch der erste auffällige Schritt. Ansonsten ist die historische Abfolge viel variantenreicher.<br />

Bestimmte Varianten der formellen Subsumtion f<strong>in</strong>den wir zu allen Zeiten mit ausgeprägtem Handel. Denken wir<br />

an den We<strong>in</strong>anbau, der schon sehr früh im größeren Umfang für den Fernhandel betrieben wurde. Denken wir an<br />

die Hersteller <strong>von</strong> gefragten Luxuswaren wie Gold- und Waffenschmiede, deren Produktion zum größeren <strong>Teil</strong> für<br />

und im Auftrag des Handels erfolgte und meist viele Handwerksbetriebe e<strong>in</strong>er Stadt oder auch Region<br />

zusammenfaßte. Es dürfte nicht schwer fallen, sogar für unsere Zeit solche der Frühform verwandte Unternehmensformen<br />

zu f<strong>in</strong>den, etwa dort, wo auch heute noch Heimarbeit e<strong>in</strong>e größere Rolle spielt.<br />

206 Die Subsumtion me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Unterordnung. "Formelle Subsumtion" me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Unterordnung der Produzenten<br />

unter die Regie des Kapitals bei praktisch unveränderter Fortführung der traditionellen Produktion, vor allem mit<br />

Beibehaltung e<strong>in</strong>er formellen Selbständigkeit des Produzenten. Für Deutschland ist das Verlagssystem <strong>in</strong> der<br />

Woll- und Tuchweberei e<strong>in</strong> frühes und am Beispiel der schlesischen Weberei auch e<strong>in</strong> besonders drastisches und<br />

politisch folgenreiches Beispiel. Zu beachten: Die Begriffe "formelle Subsumtion" und "reelle Subsumtion", mit<br />

denen wir <strong>in</strong> diesen Kapiteln argumentieren, stammen <strong>von</strong> M. selbst. Sie f<strong>in</strong>den sich im "Kapital" zwar nur e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>ziges Mal, und zwar im <strong>1.</strong> Band (MEW 23, S.532f). In den zwischen 1863 und 1865 entstandenen Skizzen<br />

"Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses" geht M. auf diese Grundformen des Verwertungsprozesses<br />

ausführlicher e<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs hat M. diesen <strong>Teil</strong> entgegen se<strong>in</strong>er ursprünglichen Absicht nicht <strong>in</strong> den <strong>1.</strong> Band aufgenommen;<br />

auch <strong>von</strong> Engels wurde das Kapitel für die Bände 2 und 3 nicht mehr verwendet. Man kann M.s Text<br />

im Internet f<strong>in</strong>den. ->http://www.assoziation.<strong>in</strong>fo/pdf/resultate.pdf.<br />

207 Vor allem <strong>in</strong> der Weberei gab es mit dem Verlagssystem die klassische Variante der formellen Subsumtion mit<br />

ihren subtilen und brutalen Methoden der Ausplünderung. Weberaufstände gegen die drückenden Lasten, die<br />

ihnen <strong>von</strong> den Verlegern auferlegt wurden, waren die Folge. Am bekanntesten wurde <strong>in</strong> Deutschland der schlesische<br />

Weberaufstand <strong>von</strong> 1844, dem He<strong>in</strong>rich He<strong>in</strong>e mit se<strong>in</strong>em Gedicht "Die schlesischen Weber" e<strong>in</strong> literarisches<br />

Denkmal setzte. <strong>Das</strong> Gedicht wurde <strong>in</strong> der <strong>von</strong> M. <strong>in</strong> Paris heraugegebenen Zeitung "Vorwärts. Pariser<br />

Deutsche Zeitschrift" erstmals unter dem Titel "Die armen Weber" veröffentlicht.<br />

Die Weber hatten allerd<strong>in</strong>gs schon e<strong>in</strong> eigenes Lied: "<strong>Das</strong> Blutgericht". Damit haben sie sich auf ihren Protestmärschen Mut gemacht,<br />

die punktgenau zu den besonders verhaßten Verlegern führten, deren Häuser sie verwüsteten. Der Wikipedia-Artikel (Stand: 5.2009)<br />

zum Thema br<strong>in</strong>gt weitere Details. Warum der Aufstand dort allerd<strong>in</strong>gs nicht als "Klassenkampf <strong>in</strong>terpretiert" werden könne, bleibt<br />

das Geheimnis der Autoren. Klassenkampf fängt ja nicht erst an, wenn die Akteure e<strong>in</strong> Transparent tragen, auf dem "Klassenkampf"<br />

steht. M.s Auffassung <strong>von</strong> Klassenkampf wäre das jedenfalls nicht (vgl. ZF 1). Auch der Lyoner Weberaufstand vom 2<strong>1.</strong> November<br />

1831 war übrigens e<strong>in</strong> Aufstand <strong>von</strong> Kle<strong>in</strong>produzenten gegen ihre Verleger und dennoch Klassenkampf pur (vgl. FN 259).<br />

208 Die Form der Kooperation ist nicht neu. Viele Quellen seit der Antike berichten, wie die Steigerung der Produktion<br />

durch kooperierendes Handwerk immer wieder zu e<strong>in</strong>er Überschwemmung der Märkte mit Massenware<br />

führt. Aber diese antiken Vorläufer waren noch durchsetzt <strong>von</strong> der Ökonomie der Sklavenhaltung, regional begrenzt<br />

und im ganzen ökonomisch unbedeutend. Die kapitalistische Variante br<strong>in</strong>gt Neues: "Wie die durch die<br />

Kooperation entwickelte gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit als Produktivkraft des Kapitals ersche<strong>in</strong>t, so<br />

die Kooperation selbst als e<strong>in</strong>e spezifische Form des kapitalistischen Produktionsprozesses im Gegensatz zum<br />

Produktionsprozeß vere<strong>in</strong>zelter unabhängiger Arbeiter oder auch Kle<strong>in</strong>meister. Es ist die erste Änderung, welche<br />

der wirkliche Arbeitsprozeß durch se<strong>in</strong>e Subsumtion unter das Kapital erfährt. Diese Änderung geht naturwüchsig<br />

vor sich. Ihre Voraussetzung, gleichzeitige Beschäftigung e<strong>in</strong>er größren Anzahl <strong>von</strong> Lohnarbeitern <strong>in</strong> demselben<br />

Arbeitsprozeß, bildet den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion. Dieser fällt mit dem <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> des Kapitals<br />

selbst zusammen. Wenn sich die kapitalistische Produktionsweise daher e<strong>in</strong>erseits als historische Notwendigkeit<br />

für die Verwandlung des Arbeitsprozesses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gesellschaftlichen Prozeß darstellt, so andrerseits diese<br />

gesellschaftliche Form des Arbeitsprozesses als e<strong>in</strong>e vom Kapital angewandte Methode, um ihn durch Steigerung<br />

se<strong>in</strong>er Produktivkraft profitlicher auszubeuten." (MEW 23, S.354)<br />

209 Adam Smith f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er mehrfach erwähnten Arbeit <strong>von</strong> 1776 für die frühe Nadelmanufaktur 18 getrennte<br />

Arbeitsgänge. M. selbst f<strong>in</strong>det 90 Jahre später für die entwickelte Manufaktur, dass e<strong>in</strong>e Nähnadel bereits<br />

72 und sogar 92 Arbeitsschritte durchläuft, bevor sie als fertiges Produkt auf den Markt kommt (MEW 23,<br />

S.364). Hier ist der Übergang zur Fließproduktion der modernen Fabrik schon greifbar nahe. Im übrigen ist M.s<br />

Analyse der <strong>in</strong>neren Arbeitsteilung der Manufaktur sehr viel ausführlicher, als es unserem Galopp durch das<br />

Thema zu entnehmen ist. <strong>Das</strong> gesamte 12. Kapitel des "Kapital" behandelt das klassische Thema <strong>von</strong> der <strong>Teil</strong>ung<br />

der Arbeit am Beispiel der Manufaktur auf (MEW 23, S.356ff).<br />

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