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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Nun wird, sofern wir uns als L<strong>in</strong>ke fühlen, die eigentliche Trumpfkarte gezogen. Müssen nicht<br />

Masch<strong>in</strong>en, auch die höchstentwickelten, gebaut und <strong>in</strong> Bewegung gesetzt werden? Bedarf es<br />

nicht entsprechender Arbeitskräfte für all das? Vielleicht liegt hier die Quelle für das Kapitalwachstum?<br />

Dann würden also die Kapitalisten ihren Arbeitern weniger bezahlen, als diese eigentlich<br />

verdienen müßten. Und aller Kapitalzuwachs wäre dann gestohlener Arbeitslohn, oder<br />

nicht?<br />

Schluß-aus-Ende. Bevor wir durch die Ventilationen unseres gesunden Menschenverstands immer<br />

tiefer <strong>in</strong> den Sumpf rutschen und bei den wohl<strong>in</strong>formierten <strong>Marx</strong>isten Schreikrämpfe auslösen,<br />

hören wir lieber auf. Wir würden ohneh<strong>in</strong> für unsere Bemühungen um den Kapitalbegriff<br />

ke<strong>in</strong>en Lorbeerkranz ernten. Obwohl wir doch e<strong>in</strong>ige hübsche E<strong>in</strong>sichten gewonnen haben.<br />

Erste E<strong>in</strong>sicht: Mißtraue dem "gesunden Menschenverstand" und halte de<strong>in</strong>e Alltagserfahrungen<br />

nicht für den Dreh- und Angelpunkt. Knapp vorbei ist immer noch daneben. Erst h<strong>in</strong>ter dem<br />

direkt Sichtbaren liegen die wirklich <strong>in</strong>teressanten D<strong>in</strong>ge. Auch <strong>in</strong> der Politischen Ökonomie, wie<br />

<strong>in</strong> jeder Wissenschaft, kommt es darauf an, das nicht Sichtbare erst e<strong>in</strong>mal aufzudecken, statt<br />

sich mit dem ersten Ansche<strong>in</strong> zufrieden zu geben. Zweite wichtige E<strong>in</strong>sicht: So e<strong>in</strong>fach ist die<br />

Frage nach dem Kapital nicht. Und auch die Frage nach dem Ursprung des Kapitalwachstums<br />

hat ihre eigenen Fallstricke.<br />

Wir merken uns auch, dass die Frage nach dem Gew<strong>in</strong>n des e<strong>in</strong>zelnen Kapitalisten etwas anderes<br />

ist, als die Frage nach dem Wachstum des Gesamtkapitals <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft. <strong>Das</strong> wird<br />

häufig verwechselt, weil wir immer bemüht s<strong>in</strong>d, uns die D<strong>in</strong>ge "konkret" vorzustellen und<br />

dann auf Beispiele verfallen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>zelne Unternehmen die Rolle des Ganzen spielen sollen.<br />

Aber wir müssen vorsichtig damit se<strong>in</strong>, um nicht auf die falsche Spur zu geraten.<br />

Außerdem hat uns unser Selbstversuch klar gemacht, warum M. se<strong>in</strong> "Kapital" eben nicht mit<br />

dem Kapital beg<strong>in</strong>nt, obwohl man genau das erwarten könnte. Aber niemand kann erklären,<br />

was Kapital ist, ohne dabei auf e<strong>in</strong>e Menge anderer Begriffe zurückzugreifen. Im Selbstversuch<br />

war bereits <strong>von</strong> Geld, Produktion, Produkten, Handel, Gew<strong>in</strong>n, Z<strong>in</strong>sen, Wachstum, Arbeitern,<br />

Arbeitslohn, Masch<strong>in</strong>en usw. die Rede. Auch wenn wir es schlauer angefangen hätten: Wir hätten<br />

immer wieder zur Erklärung des e<strong>in</strong>en Elements der Ökonomie auf viele noch nicht erklärte<br />

Elemente zurückgreifen müssen. Hätte M. se<strong>in</strong>e Darstellung mit dem Kapital oder gar mit der<br />

Produktion begonnen, wäre nicht nur e<strong>in</strong> dröges, sondern auch e<strong>in</strong> verwirrendes Werk die Folge,<br />

bei dem am Anfang trockene Def<strong>in</strong>itionen gestanden hätten, die erst viele Kapitel später erklärt<br />

worden wären.<br />

Alles <strong>in</strong> allem geben wir es auf, das "Kapital" neu zu schreiben und <strong>Karl</strong> den Zweiten zu spielen.<br />

Wir kehren ernüchtert auf den Weg zurück, den M. e<strong>in</strong>geschlagen hat, als er uns im "Kapital"<br />

se<strong>in</strong>e Antworten auf die Kernfragen der politischen Ökonomie des Kapitalismus gab.<br />

Sherlock <strong>Marx</strong>?<br />

M. ist mit der bürgerlichen Gesellschaft im England des 19. Jahrhunderts wohl vertraut. Die 16<br />

Londoner Jahre vor der Veröffentlichung des "Kapital" waren mit <strong>in</strong>tensiven Studien angefüllt.<br />

Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und statistische Berichte, vor allem über die englische Wirtschaft,<br />

nahmen dabei e<strong>in</strong>en breiten Raum e<strong>in</strong>. 77 Über die Komplexität des englischen Wirtschaftssystems<br />

zur Mitte des 19. Jahrhunderts war sich M. deshalb vollständig im klaren. 78<br />

Wie wir im Kapitel zur Methode <strong>von</strong> M. selbst erfahren haben, besteht se<strong>in</strong> Weg zur Erkenntnis<br />

nicht <strong>in</strong> detaillierter Beschreibung dieses Systems. Er will se<strong>in</strong>e Grundelemente begrifflich heraus-<br />

27

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