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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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zufällig. Austauschbar s<strong>in</strong>d sie durch den Willensakt ihrer Besitzer, sie wechselseitig zu veräußern. Indes setzt<br />

sich das Bedürfnis für fremde Gebrauchsgegenstände allmählich fest. Die beständige Wiederholung des Austausches<br />

macht ihn zu e<strong>in</strong>em regelmäßigen gesellschaftlichen Prozeß. Im Laufe der Zeit muß daher wenigstens e<strong>in</strong><br />

<strong>Teil</strong> der Arbeitsprodukte absichtlich zum Behuf des Austausches produziert werden. Von diesem Augenblick befestigt<br />

sich e<strong>in</strong>erseits die Scheidung zwischen der Nützlichkeit der D<strong>in</strong>ge für den unmittelbaren Bedarf und ihrer<br />

Nützlichkeit zum Austausch. Ihr Gebrauchswert scheidet sich <strong>von</strong> ihrem Tauschwerte. Andrerseits wird das quantitative<br />

Verhältnis, wor<strong>in</strong> sie sich austauschen, <strong>von</strong> ihrer Produktion selbst abhängig. Die Gewohnheit fixiert sie<br />

als Wertgrößen." (MEW 23, S.102f)<br />

119 MEW 23, S.63. An anderer Stelle skizziert M., dass schon <strong>in</strong> dieser unentwickelten Form des Austauschs,<br />

wenn noch Produkte <strong>von</strong> Geme<strong>in</strong>wesen (Stamm, Sippe, Hofgeme<strong>in</strong>schaft) die Hände wechseln, die Notwendigkeit<br />

besteht, auf den Austausch gleicher Wertgrößen zu achten. Denn sobald der Austausch e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Anteil der Arbeit des Geme<strong>in</strong>wesens absorbiert, "befestigt sich e<strong>in</strong>erseits die Scheidung zwischen der Nützlichkeit<br />

der D<strong>in</strong>ge für den unmittelbaren Bedarf und ihrer Nützlichkeit zum Austausch. Ihr Gebrauchswert scheidet sich<br />

<strong>von</strong> ihrem Tauschwerte. Andrerseits wird das quantitative Verhältnis, wor<strong>in</strong> sie sich austauschen, <strong>von</strong> ihrer Produktion<br />

selbst abhängig. Die Gewohnheit fixiert sie als Wertgrößen." (MEW 23, S.103) Anschaulich gesprochen:<br />

Wenn die Erzeugung der Tauschware 10 Jagdtage absorbierte, dann müssen im Austausch Lebensmittel zurückfließen,<br />

die dem Ergebnis <strong>von</strong> 10 Jagdtagen entsprechen. Leidet das hier tauschende Geme<strong>in</strong>wesen an Überfluß,<br />

kann es natürlich dem Wertgesetz e<strong>in</strong>e Nase drehen und sich für e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> se<strong>in</strong>es Überflusses ertauschen, was es<br />

haben will. <strong>Das</strong> ist die Grundlage aller Märkte <strong>von</strong> Luxuswaren oder überteuerten Markenprodukten. Aber das ist<br />

weder die Regel noch e<strong>in</strong> wirklich funktionierendes Rezept, sobald der Warentausch aufhört, Ergänzung zu se<strong>in</strong>,<br />

sondern zur Grundlage des gesellschaftlichen Lebens wird.<br />

120 Es mag etwas irritierend wirken, dass M. hier Le<strong>in</strong>wand und Rock gleichsetzt, so als wolle er e<strong>in</strong>e Beziehung<br />

des Materials (Le<strong>in</strong>wand als Rohstoff für den Rock) unterstellen. <strong>Das</strong> wäre e<strong>in</strong>e falsche Annahme. Man kann beide<br />

Seiten der Gleichung mit beliebigen Waren füllen.<br />

In der Vorläuferschrift "Zur Kritik der politischen Ökonomie" <strong>von</strong> 1859 verwendete M. noch die Gleichung "e<strong>in</strong>e<br />

Elle Le<strong>in</strong>wand ist wert zwei Pfund Kaffee", was nun wirklich ke<strong>in</strong>erlei stoffliche Übere<strong>in</strong>stimmung mehr be<strong>in</strong>haltet<br />

(MEW 13, S.25). Warum er später auf den Rock gewechselt ist? Ke<strong>in</strong>e Ahnung. Vielleicht haben ihm die Preise<br />

für neue Kleidung zu schaffen gemacht?<br />

121 MEW 23, S.78<br />

122 Sehr schön läßt sich das Problem des Kettentausches durch e<strong>in</strong>e (vermutlich auf Tatsachen beruhende) Geschichte<br />

illustrieren, die V.L.Cameron, e<strong>in</strong>er der zahllosen britischen Afrika-Forscher im 19. Jahrhundert, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Reisebericht erzählt. Er schreibt:<br />

"Für die Fahrt über den Tanganjikasee wollte ich e<strong>in</strong>en Kahn mieten. Ich wandte mich an Syde ibn-Habid mit der<br />

Bitte, mir e<strong>in</strong>en Kahn zu vermieten. Er forderte aber Elfenbe<strong>in</strong> als Bezahlung. Ich hatte ke<strong>in</strong> Elfenbe<strong>in</strong>, erfuhr<br />

aber, daß Muhammed-ben-Salib solches hat. <strong>Das</strong> half mir aber nichts, weil jener gegen das Elfenbe<strong>in</strong> Baumwollstoff<br />

e<strong>in</strong>getauscht haben woIlte. Stoff hatte ich ebenfalls nicht. Da sagte man mir, daß Muhammed-ibn-Garib<br />

Baumwollstoff hat, aber Draht benötigt. Zum Glück hatte ich Draht. So gab ich Muhammed-ibn-Garib die entsprechende<br />

Menge Draht, dieser gab Muhammed-ben-Salib den Baumwollstoff, und dieser gab se<strong>in</strong>erseits Sydeibn-Habib<br />

das Elfenbe<strong>in</strong>. Letzterer erlaubte mir dann, den Kahn zu benutzen." (V.L. Cameron: Across Africa;<br />

1877)<br />

Die Anekdote wird bereits <strong>von</strong> Eugen Varga <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er frühen Arbeit über das Geld <strong>von</strong> 1918 augenzw<strong>in</strong>kernd zitiert.<br />

Die Anekdeote er<strong>in</strong>nert auch daran, dass die <strong>von</strong> M. präzisierten Wertformen historisch durchaus nebene<strong>in</strong>ander<br />

existieren, dass Grad und Tempo ihrer Entwicklung <strong>von</strong> den jeweiligen Umständen abhängen und dass<br />

sogar <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Geldwirtschaft Formen des Naturaltausches <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>fachen Wertform fortbestehen.<br />

123 Die Kaurischnecke war vermutlich das erfolgreichste Nicht-Metall-Geld der Geschichte. Sie wurde <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

über viele Jahrhunderte als Geld gebraucht, verbreitete sich über Indien und den ganzen pazifischen Raum, nach<br />

Arabien und <strong>von</strong> dort nach Afrika. Dort wurde mancherorts bis <strong>in</strong> die Mitte des 20. Jahrhunderts mit Kauri bezahlt.<br />

124 Eugen Varga er<strong>in</strong>nert uns <strong>in</strong> der schon erwähnten Arbeit über das Geld <strong>von</strong> 1918 an das ungarische Wort<br />

marha, das eigentlich Vieh bedeutete, gleichzeitig als Sammelbegriff für alle Arten <strong>von</strong> Vermögen verwendet<br />

wurde. Auch das late<strong>in</strong>ische Wort pecunia für Geld bedeutet ursprünglich nichts anderes als Vieh.<br />

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