09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

scheidet sich me<strong>in</strong>e Sicht der Verhältnisse so grundlegend <strong>von</strong> der Sicht der praktischen Warenexperten,<br />

der Fachleute für Produktion? Und dazu gehört immer auch die Frage: Warum gelangen<br />

me<strong>in</strong>e wissenschaftlichen Vorgänger und me<strong>in</strong>e zeitgenössischen Kollegen nicht zu denselben<br />

Resultaten wie ich?<br />

Mit dem "Fetischcharakter" ist die Richtung angegeben, <strong>in</strong> der man nach e<strong>in</strong>er Antwort auf diese<br />

Fragen zu suchen hat: Die Warenexperten, die als <strong>Teil</strong> dieser Produktionsverhältnisse wirken,<br />

können über die praktisch-tätige Erkenntnis zu ke<strong>in</strong>en anderen Ergebnissen kommen. Der Verkauf<br />

der Waren ist ihre wirkliche und nicht nur e<strong>in</strong>gebildete Schicksalsfrage. Für sie als private,<br />

selbständige Produzenten ist die "Fetischisierung des Marktes" nur die Anerkennung e<strong>in</strong>er am<br />

eigenen Leib immer wieder erfahrenen Abhängigkeit. Da hilft ihnen ke<strong>in</strong>e noch so kluge Analyse<br />

<strong>von</strong> Ware und Wert.<br />

Zwischenfrage 33: Unterliegt vielleicht auch die Betrachtung des Staates diesem Warenfetischismus? Wie<br />

sieht hier die Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Warenproduktion und Staat aus? (S.188)<br />

Und warum kommt M. zum vollen Verständnis des Werts, obwohl se<strong>in</strong>e gewiß nicht dummen<br />

polit-ökonomischen Vorgänger auf dem Weg dah<strong>in</strong> stecken geblieben s<strong>in</strong>d? M. gibt auch darauf<br />

e<strong>in</strong>e Antwort: Erstens bedarf es der voll entwickelten Warenproduktion, um tiefere E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong><br />

die gesellschaftliche Natur dieser Produktionsweise zu gew<strong>in</strong>nen. Diesen Vorteil hat M. gegenüber<br />

Smith und Ricardo. 137 Zweitens bedarf es der wissenschaftlichen Methode und dabei der<br />

strikt historischen Betrachtung. Dann werden die Grenzen überw<strong>in</strong>dbar, die sich die bürgerliche<br />

politische Ökonomie implizit setzte, als sie für ihre Analyse die aus der praktischen Erfahrung<br />

gewonnenen Kategorien unbefragt als "natürliche Kategorien" übernahm, statt sie zunächst auf<br />

ihren wirklichen gesellschaftlichen und historischen Gehalt zurückzuführen. 138<br />

Jeder, der <strong>von</strong> M.s politischer Ökonomie überzeugt ist oder sich <strong>von</strong> ihr stark angezogen fühlt,<br />

muß derzeit mit der Außenseiterrolle leben. Wer hat sich nicht schon mal gefragt, warum man<br />

ausgerechent als Vertreter e<strong>in</strong>er Arbeits- und Mehrwerttheorie <strong>in</strong> die Ecke gestellt wird, wo doch<br />

offensichtlich viel bejubelte Theorien nicht annähernd so viel Erklärungskraft entwickeln? Mal<br />

abgesehen da<strong>von</strong>, dass solche Theorien der Volks- und Unternehmensökonomen nicht nur nach<br />

neuester Mode Blitzkarrieren machen, sondern ebenso schnell zu Dutzenden als Auslaufmodelle<br />

auf dem Krabbeltisch landen. M. er<strong>in</strong>nert uns mit dem Fetisch-Kapitel daran, dass Erkenntnis e<strong>in</strong><br />

gesellschaftlicher Prozess ist, gebunden an die materiellen Lebensverhältnisse und die sich daraus<br />

ergebenden Interessen. 139<br />

<strong>Das</strong> Fetisch-Kapitel ist ke<strong>in</strong> Fremdkörper im Gang der Argumentation. Denn die Überlegungen<br />

des Fetisch-Kapitels werden im Fortgang der Analyse immer wieder aufgegriffen. Besonders an<br />

den heiklen Stellen, sozusagen <strong>in</strong> den Problemzonen wird M. ausführlich die unterschiedlichen<br />

Perspektiven gegenüberstellen: Wie stellt sich dieses oder jenes aus der Sicht des Kapitalisten<br />

dar? Wie aus der Sicht der Arbeitskraft? Wie aus der Sicht der Analyse vom äußeren Standpunkt?<br />

Indem M. mit se<strong>in</strong>er Argumentation immer wieder <strong>von</strong> der Außen- <strong>in</strong> die Innenperspektive<br />

wechselt, stellt er die praktisch-tätigen Erkenntnisse der Akteure im System die Erkenntnisse<br />

der strukturellen und historischen Analyse gegenüber, die das System wie <strong>von</strong> außen zu betrachten<br />

versucht.<br />

Es geht nicht darum, Verständnis für die jeweiligen Perspektiven zu entwickeln. Es geht immer<br />

darum: Erstens zu begreifen, wie sich ökonomische Gesetze verwirklichen, obwohl sie sich doch<br />

ganz und gar erst aus den e<strong>in</strong>zelnen Handlungen der beteiligten Menschen ergeben. Und zweitens,<br />

warum diese ökonomischen Gesetze denselben Menschen, die das Gesetz erst durch ihr<br />

praktisches Handeln realisieren, tatsächlich wie äußere Naturgesetze 140 ersche<strong>in</strong>en.<br />

47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!