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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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wert und Tauschwert und den Doppelcharakter der Arbeit. Bekommen Wertsubstanz, Wertgröße<br />

und Wertform serviert. <strong>Das</strong> geht fix… S<strong>in</strong>d wir am Ende doch bei Sherlock <strong>Marx</strong>, der uns<br />

zwar nicht aus der Taschenuhr e<strong>in</strong>es Mannes dessen Lebensgeschichte, dafür aber aus dem Warenbegriff<br />

die kapitalistische Produktionsweise deduziert? Oder s<strong>in</strong>d wir, noch Ärger, bei purer<br />

Begriffsspielerei gelandet?<br />

Der Verdacht ist nicht abwegig. In den "Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie" <strong>von</strong><br />

1857, wichtiger <strong>Teil</strong> der umfangreichen Forschungsprotokolle, die dem "Kapital" vorausgehen,<br />

sieht M. selbst diese Gefahr sehr deutlich, und zwar genau dort, wo er sich über die Begriffe<br />

Ware, Tauschwert und Geld und ihre Zusammenhänge klar zu werden versucht. Er schreibt<br />

selbstkritisch: "Es wird später nötig se<strong>in</strong>…, die idealistische Manier der Darstellung zu korrigieren,<br />

die den Sche<strong>in</strong> hervorbr<strong>in</strong>gt, als handle es sich nur um Begriffsbestimmungen und die Dialektik<br />

dieser Begriffe." 101<br />

Indem wir ausführlicher als M. die Frage nach den historischen Grundlagen der Warenproduktion<br />

voranstellten, wollten wir dem Ansche<strong>in</strong> "idealistischer Manier" ebenfalls vorbeugen. Wir<br />

wollten deutlich machen, dass auf den ersten zwölf Seiten des "Kapital" wie auch auf allen folgenden<br />

nicht über Begriffe spekuliert, sondern historischer Stoff abstrahiert wird. Auch M.s eigene<br />

Bemühungen, das Mißverständnis <strong>von</strong> der "idealistischen Manier" zu vermeiden, besteht<br />

genau dar<strong>in</strong>: Rückgriff auf den historischen Stoff, <strong>in</strong> dem die Argumentation wurzelt. Je weiter<br />

wir mit M. vorangehen, desto stärker wird diese <strong>in</strong>nere Verb<strong>in</strong>dung mit dem historischen Stoff,<br />

dem alle Analysen entspr<strong>in</strong>gen.<br />

Wenn uns die bisherigen Überlegungen zur Ware als sehr abstrakt ersche<strong>in</strong>en, dann nur deshalb,<br />

weil sie abstrakt s<strong>in</strong>d. Wir entfernen ja an der Produktion, die den Waren zugrunde liegt,<br />

zunächst alles, was uns auf dieser Stufe die Grundbeziehungen verdeckt. Es <strong>in</strong>teressiert uns<br />

nicht, was da produziert wird und <strong>von</strong> wem, ob die Produktion <strong>von</strong> Bauern oder Handwerkern,<br />

mit oder ohne Lohnarbeit geleistet wird, ob Naturaltausch oder Geldtausch, direkter Tausch<br />

oder Handel vorliegt. All das lassen wir <strong>in</strong> Gedanken erst e<strong>in</strong>mal fort. 102<br />

Diese gedanklich erzeugte Warenproduktion firmiert <strong>in</strong> der Debatte als "e<strong>in</strong>fache Warenproduktion".<br />

Es hat immer mal wieder Streit darüber gegeben, ob diese e<strong>in</strong>fache Warenproduktion e<strong>in</strong>en<br />

wirklichen historischen Entwicklungsabschnitt markiert oder voll und ganz das Ergebnis gedanklicher<br />

Bemühungen ist. Zweifellos hat die unentwickelte, also noch weitgehend ohne Geld<br />

und mit e<strong>in</strong>fachem Austausch funktionierende Warenproduktion deutliche Ähnlichkeit mit unserem<br />

Gedankenmodell. Aber wo immer wir zur Stützung der Argumentation auf den historischen<br />

Stoff zurückgreifen, verlassen wir das Modell. Dieser Wechsel fällt nicht schwer, weil das Modell<br />

selbstverständlich nichts enthält, was nicht auch <strong>in</strong> jeder warenproduzierenden Gesellschaft <strong>in</strong><br />

dieser oder jener Form existiert. Um es schon mal zu sagen: <strong>Das</strong> Absehen <strong>von</strong> der Form der Warenproduktion<br />

(wir er<strong>in</strong>nern uns: Wertform!) ist <strong>in</strong> dieser Phase s<strong>in</strong>nvoll, <strong>in</strong> der wir unsere Werkzeuge<br />

für die Analyse schärfen und ordnen. Später wird uns vor allem diese Form mehr und<br />

mehr beschäftigen.<br />

Die e<strong>in</strong>fache Warenproduktion ist unsere verständige Abstraktion, e<strong>in</strong>e Zwischenetappe der<br />

Analyse. Wir werden <strong>in</strong> den folgenden Analyseschritten, ausgehend <strong>von</strong> dieser Elementarform,<br />

weitere Bestimmungen h<strong>in</strong>zunehmen, damit aus der abstrakten Warenproduktion am Ende<br />

wieder die kapitalistische Produktionsweise wird, <strong>von</strong> der wir ja eigentlich ausg<strong>in</strong>gen. Ob sich<br />

dann unser Weg als wirklich produktiv erweist und Erkenntnisse vermittelt, die wir auf andere<br />

Weise nicht gewonnen hätten, werden wir erst später entscheiden können.<br />

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