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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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19. Wie entscheidet man, welcher analytische Ansatz "richtig" oder "falsch" ist? Welche<br />

Trennl<strong>in</strong>ien für verschiedene Ansätze gibt es? Welche Rolle spielt dabei das<br />

"Historische"?<br />

Wie oben schon gesagt: Jede Theorie muss sich <strong>in</strong> der Praxis bewähren. Sicher hat gerade der<br />

gute M. wegen des katastrophalen Ausgangs der sozialistischen Phase <strong>von</strong> 1917 bis 1990 e<strong>in</strong>e<br />

Menge Prügel bezogen. Aber hat er sie verdient? Wohl doch eher das als "<strong>Marx</strong>ismus" ausgegebene<br />

kanonisierte Lehrgebäude, das unter dem Tarnmantel "<strong>Marx</strong>ismus-Len<strong>in</strong>ismus" e<strong>in</strong>e<br />

wirklich lebendige Anwendung der <strong>von</strong> M. (und vielen anderen) entwickelten Theorie und Methode<br />

eben nicht im nötigen Umfang zugelassen hat.<br />

Was die eigentliche Trennungsl<strong>in</strong>ie zwischen "marxistischer" oder "fortschrittlicher" und "bürgerlicher"<br />

Wissenschaft angeht, müssen wir uns an das Historische <strong>in</strong> M.s Methode er<strong>in</strong>nern:<br />

Wo die gegenwärtige bürgerliche Gesellschaft mit ihren Eigentums- und Produktionsverhältnissen<br />

als immerwährend, sozusagen als das Ende der Geschichte, zum<strong>in</strong>dest aber als alternativlos<br />

betrachtet wird, betreten wir den bürgerlichen Sektor.<br />

Die historische Perspektive über den gesellschaftlichen Status Quo h<strong>in</strong>aus macht den ganzen Unterschied.<br />

Und deshalb ist das, was man "fortschrittliche Wissenschaft" nennen könnte, also<br />

Wissenschaft, die die Veränderbarkeit des Status quo auch <strong>in</strong> gesellschaftlicher Dimension e<strong>in</strong>bezieht,<br />

sehr differenziert und umfaßt mehr als explizit marxistische Ansätze.<br />

20. Hat die marxistische Theorie eigene Verfahren entwickelt, Fehler zu erkennen?<br />

E<strong>in</strong> Frühwarnsystem für eigene Fehler wurde offenbar nur ungenügend entwickelt, sonst hätte<br />

es schließlich den Zusammbruch der sozialistischen Staaten <strong>in</strong> den 1980er Jahren nicht <strong>in</strong> dieser<br />

Form geben können.<br />

Viele Jahrzehnte war die <strong>in</strong> M.s Tradition stehende Forschung zu stark <strong>in</strong> Staats- und Partei<strong>in</strong>teressen<br />

e<strong>in</strong>gebunden, um wirklich fruchtbar zu se<strong>in</strong>. Von "fruchtbar" zu "furchtbar" ist dann nur<br />

e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Schritt. Die Überbetonung der "e<strong>in</strong>heitlichen L<strong>in</strong>ie", die Umwandlung e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen<br />

Theorie durch Kanonisierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e "Lehre" hat zudem die engere Parteiwissenschaft<br />

<strong>von</strong> den partei-ungebundenen <strong>Marx</strong>isten und der <strong>in</strong> M.s Tradition stattf<strong>in</strong>denden Forschung<br />

abgetrennt. <strong>Das</strong> war verheerend für die wissenschaftliche Produktivität und deren politische<br />

Wirksamkeit - auf beiden Seiten.<br />

Der beste, weil ohne weiteres erreichbare Schutz vor groben Fehlern besteht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stärkeren<br />

empirischen Ausrichtung der marxistischen Debatte. Nicht Austausch <strong>von</strong> Me<strong>in</strong>ungen, sondern<br />

<strong>von</strong> begründeten und daher nachprüfbaren Aussagen wäre das Ziel. Diese Begründungen sollten<br />

sich viel mehr als bisher durch die Analyse der ökonomischen und politischen Prozesse <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft untermauern. Sie sollten das reiche empirische Material e<strong>in</strong>beziehen, das unser<br />

Gesellschaftssystem mit unendlicher Ausdauer <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> betrieblichen Kennziffern, soziologischen<br />

Panelstudien, Mikrozensus und tausenden <strong>von</strong> ökonomischen Kennziffern fortlaufend<br />

produziert.<br />

Diese Daten s<strong>in</strong>d nicht brauchbar? Stimmt nicht, man muß sie nur angemessen nutzen. Gerade<br />

<strong>in</strong> diesem Punkt sollten wir der Arbeitsweise <strong>von</strong> <strong>Marx</strong> und Engels, aber auch Len<strong>in</strong>, Hilferd<strong>in</strong>g,<br />

Varga, Sweezy, Kuczynski, Hobsbawn und all den vielen anderen achtbaren marxistischen Ökonomen<br />

und Historikern praktisch nacheifern.<br />

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