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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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ters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt,<br />

Organ des Gesamtarbeiters zu se<strong>in</strong>, irgende<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er Unterfunktionen zu vollziehn. Die obige<br />

ursprüngliche Bestimmung der produktiven Arbeit, aus der Natur der materiellen Produktion<br />

selbst abgeleitet, bleibt immer wahr für den Gesamtarbeiter, als Gesamtheit betrachtet. Aber sie<br />

gilt nicht mehr für jedes se<strong>in</strong>er Glieder, e<strong>in</strong>zeln genommen.<br />

Andrerseits aber verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion<br />

ist nicht nur Produktion <strong>von</strong> Ware, sie ist wesentlich Produktion <strong>von</strong> Mehrwert. Der Arbeiter<br />

produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, daß er überhaupt<br />

produziert. Er muß Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert<br />

für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient. Steht es frei, e<strong>in</strong><br />

Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist e<strong>in</strong> Schulmeister produktiver<br />

Arbeiter, wenn er nicht nur K<strong>in</strong>derköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur<br />

Bereicherung des Unternehmers. Daß letztrer se<strong>in</strong> Kapital <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Lehrfabrik angelegt hat, statt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. Der Begriff des produktiven Arbeiters<br />

schließt daher ke<strong>in</strong>eswegs bloß e<strong>in</strong> Verhältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter<br />

und Arbeitsprodukt e<strong>in</strong>, sondern auch e<strong>in</strong> spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich<br />

entstandnes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel<br />

des Kapitals stempelt. Produktiver Arbeiter zu se<strong>in</strong> ist daher ke<strong>in</strong> Glück, sondern e<strong>in</strong> Pech." 233<br />

In diesen beiden Abschnitten dr<strong>in</strong>gt M. erstmals bis zum Kern der kapitalistischen Produktionsweise<br />

vor. 234 Hier bloß <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em arbeitsteilig organisierten Produktionsprozess zu sprechen,<br />

wäre viel zu wenig. In jeder Gesellschaft, <strong>in</strong> der kapitalistische Produktionsweise herrscht, haben<br />

wir es mit e<strong>in</strong>em durch und durch vergesellschafteten, also die ganze Gesellschaft erfassenden<br />

Prozess zu tun, der die Grenzen e<strong>in</strong>er Fabrik, längst auch die Grenzen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Staates<br />

durchbrochen hat. Als wir im Kapitel "Ware und Wert" M.s ersten Satz des "Kapital" kommentierten,<br />

nahmen wir diese Vergesellschaftung der Produktion tatsächlich bereits zum Ausgangspunkt,<br />

<strong>in</strong>dem wir ihr reichhaltiges Warenangebot bestaunten.<br />

Jetzt wechseln wir die Perspektive und machen uns klar, dass der Reichtum dieser bürgerlichen<br />

Gesellschaft, der uns als e<strong>in</strong>e ungeheure Warensammlung ersche<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> Wirklichkeit der Reichtum<br />

e<strong>in</strong>es durch und durch gesellschaftlichen Produktionsprozesses ist. Es ist e<strong>in</strong> Produktionsprozess,<br />

<strong>von</strong> dem wir oben sagten, dass er schon zu M.s Zeiten die ganze Welt zur Werkstatt<br />

hatte. Gewiß ist <strong>in</strong> unserer Zeit die produktive Arbeit unter der Regie des Kapitals vielgestaltiger<br />

als je zuvor <strong>in</strong> der Geschichte. Und wie M. es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zitat zum Gesamtarbeiter getan hat,<br />

brauchen auch wir uns ehrlichen Beifall <strong>in</strong> Richtung der Bourgeoisie wegen ihrer historischen<br />

Leistungen nicht zu verkneifen. Aber wir wollen auch M.s E<strong>in</strong>schränkung nicht überlesen: Vielgestaltig<br />

und produktiv wirkt sie nur soweit, wie damit die ausreichende Produktion <strong>von</strong> Mehrwert<br />

verbunden ist. Nicht um Bedürfnisse zu befriedigen wird produziert, sondern um Mehrwert<br />

zu erzeugen. Die "ganze Welt als Werkstatt" bedeutet deshalb auch nichts anderes: Die Gesetze<br />

der Verwertung werden zu Gesetzen der Welt, der Zwang zur Mehrwertproduktion zum alles<br />

beherrschenden Grundgesetz der wirtschaftlichen Weltordnung. 235<br />

Der Reiz e<strong>in</strong>er Schöpfung aus Nichts<br />

Die Produktion des Mehrwerts ist an den E<strong>in</strong>satz der Arbeitskraft im kapitalistischen Produktionsprozess<br />

gebunden. Der Kapitalist kauft Gebäude, Masch<strong>in</strong>en, Rohstoffe und Arbeitskräfte, all<br />

das, was wir als konstantes und variables Kapital bezeichnen. Damit läßt er unter se<strong>in</strong>er Regie<br />

arbeiten. Durch Anwendung der Arbeitskraft entstehen Produkte, die den Wert des konstanten<br />

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