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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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serabelste Sorte <strong>von</strong> Geldkapitalisten", die sich technischen Fortschritt preiswert aneignet und für sich ausschlachtet.<br />

454 Frühzeitige Dressur auf "Investor": Die paar Krümel geben dir das Gefühl, am ständigen Festmahl der Kapitalisten<br />

teilzunehmen.<br />

Die Beilage der WAZ Mediengrupp, Auflage 1 Mio. Exemplare, trägt die Handschrift der Initiative Neue Soziale<br />

Marktwirtschaft und wurde gewiß <strong>in</strong> voller Absicht im März 2009 <strong>in</strong>mitten der Krise <strong>in</strong> die Haushalte geworfen.<br />

Der Untertitel "Chancen jetzt nutzen" verharmlost nicht nur die Schwere und die Folgen der Krise, sondern will<br />

die Opfer als Spargroschenbesitzer auch noch <strong>in</strong>s Beiboot der Krisengew<strong>in</strong>nler holen und zu Mittätern machen.<br />

Da wird empfohlen, dem Enkel e<strong>in</strong> Tagesgeldkonto "als gutes Übungsfeld" e<strong>in</strong>zurichten. Wegen der wechselnden<br />

Z<strong>in</strong>sen "heißt es für Ihren Enkel: Augen auf, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, das Investment auf e<strong>in</strong><br />

anderes Geld<strong>in</strong>stitut umzuschichten." Wird man durch Opas Rentenabzwack zum Investor? Propaganda im<br />

Graubereich des Absurden.<br />

455 Es hat auch schon <strong>in</strong> der Zeit vor dem Fabrikkapitalismus <strong>in</strong> der Übergangsperiode zur heute herrschenden<br />

Produktionsweise Krisen besonderer Art gegeben, die nicht auf Mißernten oder Epidemien oder Kriegsfolgen zurückg<strong>in</strong>gen.<br />

Die große Tulpenspekulation <strong>von</strong> 1637 haben wir bereits erwähnt. Diese Krisen entsprangen aber<br />

nicht den Bewegungen des produktiven Kapitals, das <strong>in</strong> dieser Phase, vor dem Fabrikkapitalismus, noch gar ke<strong>in</strong>e<br />

Wirkung entfalten konnte. Es war Bewegung <strong>von</strong> Geld, das hauptsächlich aus dem Landbesitz und dem Handel,<br />

nur zu ger<strong>in</strong>gem Anteil aus dem Kle<strong>in</strong>gewerbe stammte und sich <strong>in</strong> diversen Projekten zu vermehren suchte. <strong>Das</strong><br />

reichte <strong>von</strong> der eher skurrilen Tulpenspekulation über die Südsee-Spekulation Anfang des 18. Jahrhunderts <strong>in</strong><br />

England bis h<strong>in</strong> zu diversen Kanalbauprojekten.<br />

<strong>Das</strong> alles waren aber ke<strong>in</strong>e Krisen <strong>in</strong> unserem S<strong>in</strong>ne. <strong>Das</strong> waren e<strong>in</strong>zelne Spekulationen, die durch äußere Ereignisse<br />

stimuliert wurden. Der Südseeschw<strong>in</strong>del war e<strong>in</strong> Instrument, um durch den massenweisen Verkauf <strong>von</strong> Aktien<br />

auf später zu gründende Südseegeschäfte den englischen Staat mit Geld für den Krieg gegen Frankreich zu<br />

versorgen. (Etwas ähnliches hatte man <strong>in</strong> Frankreich zuvor schon aufgezogen, was später als Mississippi-<br />

Schw<strong>in</strong>del <strong>in</strong> die Geschichte der Spekulation e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g.)<br />

Ab 1825 übernimmt die Verwertung des produktiven Kapitals die Regie auch über die Krisen, die danach ihrem<br />

eigenen Zyklus folgen und ihre eigenen begleitenden Spekulationsblasen hervorbr<strong>in</strong>gen.<br />

456 Von der zweiten Weltwirtschaftskrise 1929 s<strong>in</strong>d uns e<strong>in</strong>e Reihe kultureller Metaphern überliefert worden. <strong>Das</strong><br />

s<strong>in</strong>d Bilder, die den meisten Menschen vor Augen treten, wenn <strong>von</strong> Wirtschaftskrisen gesprochen wird, auch<br />

wenn sie über die Ereignisse selbst wenig wissen. Wer hätte nicht schon <strong>von</strong> den verzweifelten Bankiers und F<strong>in</strong>anziers<br />

gehört, die sich aus den Wolkenkratzern der Wallstreet <strong>in</strong> den Tod stürzten? (Ihre Zahl ist unbekannt,<br />

und wenn es überhaupt welche gegeben hat, ist ihre Zahl ger<strong>in</strong>g.) Wer wüßte nichts vom "Schwarzen Freitag",<br />

der am 24.10.1929, an e<strong>in</strong>em Donnerstag, <strong>in</strong> New York zu panikartigen Szenen vor den geschlossenen Banktoren<br />

führte. (Sehr, sehr viel mehr Kle<strong>in</strong>anleger als Bankiers haben Totalverlust erlitten und viele <strong>von</strong> ihnen haben<br />

tatsächlich aus Verzweiflung Selbstmord begangen.) Wohl kaum die Furcht vor Massenselbstmord <strong>in</strong><br />

Bankerkreisen, aber der drohende Zusammenbruch des Kreditsystems und die Furcht vor Bürgerpanik <strong>in</strong>spirierten<br />

offenbar den Bankenrettungsplan der Bundesregierung und die Sicherungszusage für alle Spare<strong>in</strong>lagen Ende<br />

2008. Die Furcht vor panikartigen Szenen war nicht grundlos: Wie im August 2009 die Europäische Zentralbank<br />

mitteilte, habe im Euro-Raum nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers am 15.9.2008<br />

die Nachfrage nach Bargeld schlagartig um 15% zugenommen. Ohne die gut gefüllten Bankautomaten hätte es<br />

leicht zu Warteschlangen an den Kassenschaltern, zu Bargeldmangel und damit zu ähnlichen Szenen wie 1929 <strong>in</strong><br />

den USA kommen können.<br />

Zum anderen überliefert uns die Krise <strong>von</strong> 1929 die Bilder <strong>von</strong> den Suppenküchen für die Arbeitslosen auf offener<br />

Straße im reichen New York und <strong>von</strong> der Vernichtung wertvoller Lebensmittel bei gleichzeitigem Nahrungsmangel.<br />

<strong>Das</strong> Bild der Krisenopfer <strong>in</strong> den Wochenschaun, die für e<strong>in</strong>en Hungerlohn Weizen <strong>in</strong>s Feuer schaufeln mußten,<br />

um der Börse den Weizenpreis zu halten, g<strong>in</strong>gen um die Welt.<br />

Diese Zeugnisse des systemischen Irrs<strong>in</strong>ns <strong>in</strong>spirierten die "Ballade <strong>von</strong> den Säckeschmeißern", e<strong>in</strong> <strong>von</strong> Hanns<br />

Eisler vertontes Lied, das Anfang der 1930er Jahre <strong>in</strong> Deutschland populär war.<br />

457 Im Vorwort zur französischen Ausgabe des "Kapital" betont M. diesen Punkt. Er schreibt: "Aber erst <strong>von</strong> der<br />

Zeit an, als die mechanische Industrie so tiefe Wurzeln geschlagen hatte, daß sie auf die ganze nationale Produk-<br />

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