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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Tendenz" noch Ausdruck "<strong>in</strong>nerer Rationalität" oder dergleichen. 277 Er ist Ergebnis <strong>von</strong> 140<br />

Jahren Klassenkampf und e<strong>in</strong>er Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise mit immer<br />

neuen Waren auf alle Bereiche der Gesellschaft. <strong>Das</strong> war nur möglich wegen der gleichzeitig<br />

stattf<strong>in</strong>denden Steigerung der Arbeitsproduktivität, die <strong>in</strong> diesem Ausmaß im Fabrikzeitalter weder<br />

<strong>von</strong> M. noch <strong>von</strong> irgende<strong>in</strong>em Vertreter der Kapitalseite wirklich für möglich gehalten worden<br />

wäre. Und das ist das entscheidende: Solange die Steigerung der Arbeitsproduktivität e<strong>in</strong>er<br />

Steigerung der Löhne vorauseilt, brauchen sich die Unternehmer nicht zu sorgen. 278 Und wenn<br />

wir die Lohnentwicklung mit der Entwicklung der Arbeitsproduktivität vergleichen, braucht sich<br />

auch niemand mehr wegen toller Löhne auf die Schulter zu klopfen.<br />

Haben die gestiegenen Löhne dem relativen Mehrwert den Garaus gemacht? Spielt die Senkung<br />

der Reproduktionskosten für die Arbeitskraft ke<strong>in</strong>e Rolle mehr? Oder ist sie wegen der großen<br />

Bedeutung dieser Löhne für die Kaufkraft e<strong>in</strong>fach nicht durchsetzbar? Wir werden sehen. <strong>Das</strong> ist<br />

das schöne an M.s Kategorien: Sie helfen uns, <strong>in</strong>teressante Fragen zu stellen. Aber wir müssen<br />

an dieser Stelle wieder daran er<strong>in</strong>nern, dass die Kategorie des relativen Mehrwerts e<strong>in</strong>e analytische<br />

Kategorie ist und ke<strong>in</strong>eswegs auf direkte Weise das Denken und Handeln der Akteure bestimmt.<br />

Für den Unternehmer geht es nicht um Reproduktionskosten der Arbeitskraft, es geht ihm um<br />

se<strong>in</strong>e Lohnkosten. Aus dieser Perspektive ist "Senkung der Reproduktionskosten" für ihn nichts<br />

anderes als "Senkung me<strong>in</strong>er Lohnkosten". Und wir er<strong>in</strong>nern daran, dass der Wert der Arbeitskraft<br />

sich <strong>von</strong> allen anderen Wertbestimmungen durch se<strong>in</strong> "moralisches und historisches Element"<br />

unterscheidet. Über den Wert der Arbeitskraft als Lohn entscheidet letztlich der Klassenkampf.<br />

Und da ist <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> den letzten Jahren doch wirklich so viel <strong>in</strong> Bewegung geraten,<br />

dass es schwerfällt, dem relativen Mehrwert e<strong>in</strong> requiescas <strong>in</strong> pace 279 zuzurufen.<br />

Lohnsenkung<br />

Mit den Kategorien absoluter und relativer Mehrwert steckt M. das Terra<strong>in</strong> ab, auf dem sich die<br />

Beziehungen zwischen Kapitalisten und Gesamtarbeiter, zwischen den Hauptklassen der bürgerlichen<br />

Gesellschaft, im ökonomischen Klassenkampf entfalten. Wo das Kräfteverhältnis zwischen<br />

den Klassen es zuläßt, werden nicht nur Versuche unternommen, den Normalarbeitstag wieder<br />

zu verlängern. Auch der Wert der Arbeitskraft, dem Unternehmer als Lohnkosten bestens vertraut,<br />

gerät unter Druck.<br />

Die Senkung der Lohnkosten durch direkte Senkung der Löhne war lange Zeit <strong>in</strong> Vergessenheit<br />

geraten! Wo doch <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland seit 1950 bis 1980 die Löhne praktisch<br />

kont<strong>in</strong>uierlich, auch nach ihrer realen Kaufkraft 280 gestiegen s<strong>in</strong>d, hatten sich die meisten Beschäftigten<br />

und Gewerkschafter daran gewöhnt und den regelmäßigen Anstieg der Löhne bereits<br />

für e<strong>in</strong>e dauerhafte, gleichsam natürliche Entwicklung gehalten.<br />

Seit Beg<strong>in</strong>n der 80er Jahre stagnieren die Reallöhne, seit Mitte der 90er Jahre s<strong>in</strong>ken sie sogar.<br />

Mit der "Natürlichkeit" des Lohnanstiegs <strong>in</strong> Deutschland hat es seitdem e<strong>in</strong> Ende. Mal ganz abgesehen<br />

da<strong>von</strong>, dass für e<strong>in</strong>en großen <strong>Teil</strong> der Bevölkerung durch Abdrängung <strong>in</strong> die Arbeitslosigkeit<br />

ganz drastische "Lohnsenkungen" stattf<strong>in</strong>den. Auch die Beschäftigten werden wieder<br />

stärker zur Zielscheibe e<strong>in</strong>er recht betagten Methode zur Steigerung des Mehrwerts, der direkten<br />

Lohnsenkung nämlich. <strong>Das</strong> umfaßt viele verschiedene Maßnahmen: Von der hundsord<strong>in</strong>ären<br />

Lohnprellerei <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Klitschen bis zur eleganten Abwälzung der "Lohnnebenkosten" auf die<br />

Lohnempfänger im großen Stil. 282<br />

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