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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Warum ist Lohndrückerei möglich und warum ist sie wieder so im Schwange? Weil es für den<br />

Preis der Ware Arbeitskraft, für den Lohn, e<strong>in</strong>en so großen Spielraum gibt. Wenn es den Unternehmern<br />

<strong>in</strong> Deutschland gelänge, Löhne und Gehälter um 40% oder noch mehr zu senken,<br />

würde das zwar den Lebensstandard deutlich verändern (und die Kaufkraft m<strong>in</strong>dern und e<strong>in</strong>e<br />

Menge ökonomischer Probleme erzeugen), aber ke<strong>in</strong>eswegs die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen. Und da jeder auf diese Weise dem Lohn abgepreßte Euro direkt dem Gew<strong>in</strong>n<br />

des Unternehmens zufließt, bleibt der Klassenkampf um die Lohnhöhe e<strong>in</strong> Dauerthema. Ob es<br />

zu Lohnkürzungen kommt, sei es durch direkte Lohnkürzungen, sei es durch gesellschaftliche<br />

Umschichtung, hängt jedoch immer vom Kräfteverhältnis, <strong>von</strong> der Gegenwehr der Betroffenen<br />

ab. 283<br />

Wir wollen das Thema der direkten Lohnsenkung hier nicht weiter verfolgen. Es sollte nur klar<br />

werden, wie die Frage nach dem relativen Mehrwert sofort die ökonomischen Interessen offenlegt,<br />

die nicht nur zu M.s Zeit, sondern auch vor unseren eigenen Augen tiefgreifende Veränderungen<br />

der Gesellschaftsstruktur bewirken. Stichworte: Vertiefung der E<strong>in</strong>kommensunterschiede<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Arbeiterklasse durch Schaffung <strong>von</strong> "privilegierten" Kernbelegschaften und ungesicherten<br />

Bedarfsbelegschaften ("Leiharbeiter"), Entstehung der "work<strong>in</strong>g poor" als wachsende<br />

Gruppe am unteren E<strong>in</strong>kommensrand, Herausbildung e<strong>in</strong>er neuen Abteilung der Arbeiterklasse,<br />

deren Mitglieder überhaupt ke<strong>in</strong>e Regelbeschäftigung haben, sondern die Rolle <strong>von</strong> jederzeit abrufbaren<br />

Tagelöhnern spielen, um damit die wechselnde Nachfrage der Unternehmen nach billiger<br />

Arbeitskraft bedarfsgerecht zu befriedigen.<br />

Zwischenfrage 53: Hat die Debatte über die M<strong>in</strong>destsicherung oder den M<strong>in</strong>destlohn irgendetwas mit<br />

dem Wert der Arbeitskraft zu tun? (S.204)<br />

In den Versuchen zur Lohndrückerei tritt zwar enorme Habgier der Kapitalisten zutage; aber die<br />

beschreibt nur das psychologische Milieu, nicht die Ursache. Wo solche Versuche zur Verlängerung<br />

der Arbeitzeit und zur direkten Senkung des Lohns e<strong>in</strong>e größere Rolle spielen, s<strong>in</strong>d sie Anzeichen<br />

für <strong>in</strong>nere Umbrüche und Krisenersche<strong>in</strong>ungen der Produktionsweise. Sie entspr<strong>in</strong>gen<br />

den <strong>in</strong>neren Gesetzen und Widersprüchen der Produktionsweise selbst, die e<strong>in</strong>en ständigen<br />

Druck auf das Allerheiligste jedes Kapitalisten ausüben: Se<strong>in</strong>e Profitrate. Aber dazu kommen wir<br />

ja noch.<br />

Triebkraft "Extramehrwert"<br />

Die Interessen und Handlungen, die auf der sozialen Struktur des Kapitalverhältnisses aufbauen<br />

und die wir Konkurrenz und Klassenkampf nennen, s<strong>in</strong>d bis jetzt noch gar nicht Gegenstand der<br />

Analyse, sondern gerade mal Farbtupfer zur Illustration gewesen. <strong>Das</strong> ist nicht Vergeßlichkeit,<br />

sondern M.s Absicht. Wir er<strong>in</strong>nern an M.s abwehrende Festellung zu Beg<strong>in</strong>n der Mehrwert-<br />

Kapitel. Dort sagt er: "Wie die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion...als treibende<br />

Motive dem <strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten zum Bewußtse<strong>in</strong> kommen, ist jetzt nicht zu betrachten."<br />

285 Aber so e<strong>in</strong>fach kann er an dieser Stelle doch nicht auf die "treibenden Motive"<br />

verzichten.<br />

Denn g<strong>in</strong>ge es den Kapitalisten wirklich darum, die Reproduktionskosten für die Arbeitskraft zu<br />

senken, könnten sie sich getrost auf die Branchen konzentrieren, die mit der Produktion der Lebensmittel<br />

(im weitesten S<strong>in</strong>ne) für die Arbeitskraft beschäftigt s<strong>in</strong>d und <strong>von</strong> denen der Wert der<br />

Arbeitskraft direkt bee<strong>in</strong>flußt wird. Aber die Jagd nach höherer Arbeitsproduktivität und niedrigen<br />

Kosten ergreift alle Branchen und Sektoren und br<strong>in</strong>gt sogar immer wieder neue Branchen<br />

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