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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Unverkäufliche Grundstücke und brachliegende Transportkapazitäten waren die Folge. <strong>Das</strong> ließ die Bankkredite<br />

platzen und dann e<strong>in</strong>ige Banken krachen. Es entwickelte sich die Wirtschaftskrise <strong>von</strong> 1857 mit erstmals weltweiten<br />

Auswirkungen. <strong>Das</strong> klassische Beispiel <strong>von</strong> 1857 wird <strong>in</strong> Zukunft durch die Weltwirtschaftskrise <strong>von</strong> 2008<br />

abgelöst werden, deren Entstehung ebenfalls mit den unterschiedlichen Akkumulationsraten im sogenannten F<strong>in</strong>anzmarkt<br />

und <strong>in</strong> weiten Bereichen des funktionierenden Kapitals zu tun hat. Dazu mehr im dritten <strong>Teil</strong> unsere<br />

Reise <strong>in</strong> die Politische Ökonomie.<br />

Beispiele für strukturelle Krisen als Folge technologischer Veränderungen: Die Entwicklung des Automobils ließ<br />

die Kutschen<strong>in</strong>dustrie und damit verbundene Industriezweige, zu ihrer Zeit bedeutende Zweige, <strong>in</strong> kurzer Zeit<br />

verschw<strong>in</strong>den. Nur wenigen Kutschenfabrikanten gelang es, die neue Technik zu <strong>in</strong>tegrieren. Auch die Entwicklung<br />

der digitalen Technik liefert zahllose Beispiel: Denken wir an die Umwälzungen <strong>in</strong> der Druck<strong>in</strong>dustrie, <strong>in</strong> den<br />

Medien und Verwaltungen. Wer für diese Bereiche Setzmasch<strong>in</strong>en oder Schreibmasch<strong>in</strong>en produzierte und nicht<br />

rechtzeitig die Richtung änderte, verlor se<strong>in</strong>e Existenz, zum<strong>in</strong>dest aber se<strong>in</strong>e Selbständigkeit. Wer auf den richtigen<br />

Dampfer umbuchte, erlebte e<strong>in</strong>e Phase kollossaler und vornehmlich extensiver Akkumulation, mit der die<br />

freigeräumten Märkte neu besetzt wurden - bevor es e<strong>in</strong> anderer tat. Solche Jahre der extensiven Akkumulation<br />

werden erstaunlicherweise immer wieder aufs Neue als Beg<strong>in</strong>n ewigen Wachstums verkauft. Natürlich nur solange,<br />

bis die extensive <strong>in</strong> die <strong>in</strong>tensive Akkumulation wechselt und sehr schnell zu neuerlicher Bere<strong>in</strong>igung des<br />

Markts führt. Der Wechsel wird dann meist als Wirtschaftskrise oder als Platzen e<strong>in</strong>er sektoralen Spekulationsblase<br />

wahrgenommen.<br />

354 Oft entwickeln sich expansive Phasen <strong>in</strong> den konjunkturellen Aufschwüngen. Aber noch vor dem Ende der<br />

Konjunktur erzw<strong>in</strong>gt die Konkurrenz bereits e<strong>in</strong>e Wende: Durch "Restrukturierung" der Produktion werden sich<br />

die beteiligten Kapitale vom Druck steigender Arbeitskosten und vom Druck der Konkurrenz zu befreien versuchen.<br />

Man kehrt unter den Schutz des <strong>in</strong>tensiven Akkumulationsregimes zurück. Die Expansion verebbt. "Jetzt<br />

stellt man sich neu auf!" sagen dann die Manager. Und sie sagen: "Wir def<strong>in</strong>ieren jetzt das eigene Kerngeschäft<br />

neu." Durch Zukäufe <strong>von</strong> Konkurrenten versucht man sich dort zu stärken, wo man das größte Potential für die<br />

künftige Akkumulation vermutet. Aber auch Verkäufe <strong>von</strong> eigenen Unternehmensteilen stehen an, die <strong>in</strong> der<br />

Konjunktur h<strong>in</strong>ter den Erwartungen zurückblieben und den Unternehmensdurchschnitt <strong>in</strong> Sachen Profit senkten.<br />

Wie auch immer man das Kerngeschäft def<strong>in</strong>iert: Was da im e<strong>in</strong>zelnen produziert und verkauft wird, ist nur der<br />

Trägerstoff, ohne den es nicht geht. <strong>Das</strong> wirkliche Kerngeschäft zu jeder Zeit ist Sicherung und möglichst Ausbau<br />

der <strong>in</strong> der Konjunktur erreichten Akkumulationsrate zu Lasten der eigenen Arbeitskräfte und natürlich zu Lasten<br />

des Konkurrenten, was dann auch dessen Arbeitskräfte gefährdet.<br />

355 "Der Pauperismus bildet das Invalidenhaus der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht der <strong>in</strong>dustriellen<br />

Reservearmee. Se<strong>in</strong>e Produktion ist e<strong>in</strong>geschlossen <strong>in</strong> der Produktion der relativen Übervölkerung, se<strong>in</strong>e Notwendigkeit<br />

<strong>in</strong> ihrer Notwendigkeit, mit ihr bildet er e<strong>in</strong>e Existenzbed<strong>in</strong>gung der kapitalistischen Produktion und Entwicklung<br />

des Reichtums. Er gehört zu den faux frais (= Nebenkosten) der kapitalistischen Produktion, die das<br />

Kapital jedoch großenteils <strong>von</strong> sich selbst ab auf die Schultern der Arbeiterklasse und der kle<strong>in</strong>en Mittelklasse zu<br />

wälzen weiß." (MEW 23, S.673)<br />

"Pauperismus" ist bei M. nicht e<strong>in</strong>fach das Fremdwort für Armut. <strong>Das</strong> bedeutet Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er sozialen<br />

Klasse, deren Entstehung und Wachstum durch die kapitalistische Akkumulation und die <strong>in</strong>dustrielle Reservearmee<br />

bestimmt wird. Die Gruppe bildete sich zu M.s Zeit aus den Menschen, die durch Unfall, Krankheit oder Alter<br />

<strong>von</strong> der Verwertungsmasch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> großer Zahl aussortiert wurden; heute spielen psychische Erkrankungen e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle. H<strong>in</strong>zu kamen zu M.s Zeit die Männer, die als Soldaten die Kolonial- und Eroberungspolitik mit<br />

Verstümmelung und Arbeitsunfähigkeit bezahlten. Nicht zu vergessen die Menschen, denen die Ausdehnung der<br />

kapitalistischen Produktionsweise die traditionellen Lebensgrundlagen entzog, die nicht weiter als Handwerker,<br />

Kle<strong>in</strong>bauern, Tagelöhner, Fuhrleute, Knechte, Mägde, Dienstboten usw. leben konnten. Sie werden vielleicht <strong>in</strong><br />

Phasen extensiver Akkumulation als Lohnarbeiter benötigt oder wechseln <strong>in</strong> die Reservearmee. Diejenigen aber,<br />

die für produktive Verwertung unbrauchbar s<strong>in</strong>d, füllen die Gruppe der Paupers auf.<br />

356 In der Wirtschaftskrise 2008/2009 hat die Bundesregierung durch die großzügige Verlängerung der Kurzarbeiterregelung<br />

auf 18 Monate, dann sogar auf 24 Monate nicht nur den Anstieg der Arbeitslosenzahlen gebremst.<br />

Mit der ausgeweiteten Kurzarbeit will man die Unternehmen <strong>von</strong> Lohnkosten befreien und ihnen helfen,<br />

die Stammbelegschaften kostengünstig zusammenzuhalten. <strong>Das</strong> ist nicht Menschenfreundlichkeit, sondern Maßnahme<br />

im Wirtschaftskrieg. Damit will man den <strong>von</strong> Deutschland aus operierenden Unternehmen e<strong>in</strong>en guten<br />

Start nach der Krise ermöglichen. Und das heißt: Während der Krise mit Kurzarbeit restrukturieren und trimmen.<br />

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