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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Hegel'scher Begriffshuberei gehen wir für diese E<strong>in</strong>führung aus dem Weg. Wir wollen dem Polit-Ökonomen <strong>Marx</strong><br />

begegnen und uns se<strong>in</strong>e ökonomische Theorie zunutze machen. <strong>Das</strong>s derselbe <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ökonomischen<br />

Schriften zweifellos auch Beachtliches zur Methodologie und Erkenntnistheorie leistet, ist e<strong>in</strong> anderes Thema.<br />

68 Mit dem Begriff Struktur bezeichnen wir allgeme<strong>in</strong> Elemente <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er übergeordneten E<strong>in</strong>heit, die <strong>in</strong><br />

erkennbarer Verb<strong>in</strong>dung zue<strong>in</strong>ander stehen. Was diese Elemente und was die übergeordnete E<strong>in</strong>heit ist, muß<br />

immer neu bestimmt werden, denn Elemente und übergeordnete E<strong>in</strong>heit s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e feststehenden, sondern <strong>von</strong><br />

uns jedesmal zu bestimmende Objekte. Auch hier begegnen wir also wieder dem ständigen Wechsel der Perspektive.<br />

Mal betrachten wir Arbeitsmittel als strukturelles Element des Arbeitsprozessess, mal als Element der Produktivkräfte.<br />

Mal betrachten wir die Produktivkräfte als strukturelles Element der Gesellschaft, mal selbst als<br />

übergeordnetes Element, die durch spezifische Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Produktionsmitteln und Arbeitskraft strukturiert<br />

werden.<br />

69 Wenn wir hier und im weiteren vom "historischen Stoff" sprechen, me<strong>in</strong>t das natürlich nicht nur Rückgriff auf<br />

vergangene Zeiten. Die Gegenwart gehört dazu. Aber alles Wissen, das wir über unsere Gegenwart besitzen, ist<br />

ebenfalls historischer Stoff, da ihm die materielle Kont<strong>in</strong>uität der Geschichte zugrunde liegt. Zur Bekräftigung:<br />

"Historische Analyse" ist ke<strong>in</strong>e Spezialität für Historiker, sondern Kern <strong>von</strong> M.s Methode.<br />

70 <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d Arbeiten, <strong>in</strong> deren Titeln und Klappentexten meist <strong>von</strong> "Dialektik" oder "Hegel" die Rede ist, <strong>in</strong> denen<br />

Entwicklung und Ableitung <strong>von</strong> Begriffen aus anderen Begriffen e<strong>in</strong>e große Rolle spielen, <strong>in</strong> denen der historische<br />

Stoff, also etwa der wirkliche Wandel des Arbeitsprozesses und der sozialen Strukturen, der Kampf der Kapitalistenklasse<br />

mit allen Mitteln <strong>von</strong> Ökonomie und Politik um den Mehrwert und die Profitrate, also die politische<br />

Ökonomie, nur e<strong>in</strong>e Nebenrolle spielt. Als seien das Fragen gewesen, die M. nur mal eben als Spielwiese<br />

se<strong>in</strong>er eigentlich philosophischen Ambitionen gewählt habe. Damit ist die Katze aus dem Sack: Ja, wir behandeln<br />

M. als den Begründer der modernen politischen Ökonomie, nicht als Weltendeuter und nicht als Überw<strong>in</strong>der Hegels.<br />

Ja, an der Dialektik <strong>in</strong>teressiert uns (nur?) ihr Nutzen für die Analyse des empirischen Stoffs. Ja, Philosophie<br />

kommt <strong>in</strong> diesem Text nur am Rande vor; die überlassen wir anderen.<br />

71 Es gibt e<strong>in</strong>e merkwürdige Art der Argumentation unter Kapitalismuskritikern, die, wenn irgende<strong>in</strong>e Schwe<strong>in</strong>erei<br />

passiert, das mit der "Kapitallogik" begründen. So weit, so gut. Damit soll wohl gesagt werden, dass es sich<br />

bei dieser Schwe<strong>in</strong>erei eben nicht um persönliche Eigenarten e<strong>in</strong>es Managers, sondern um Folgen des kapitalistischen<br />

Systems handelt.<br />

Es wird aber mit dem Begriff "Logik" auch nahegelegt, es seien diese Folgen nicht nur unvermeidbar, sondern<br />

geradezu berechenbar, und nur völlige Systemüberw<strong>in</strong>dung sei dazu die Alternative. <strong>Das</strong> wäre aber erstens Uns<strong>in</strong>n<br />

und zweitens deprimierend. In diesem S<strong>in</strong>ne wäre "Kapitallogik" nur die l<strong>in</strong>ke Übersetzung für die allbekannten<br />

"Sachzwänge". Wenn es aber überhaupt irgende<strong>in</strong>e "Logik" gibt, so ist es die des Klassenkampfs, der<br />

ja immer Element der ökonomischen Prozesse ist. <strong>Das</strong> sich aus dem Klassenkampf ergebende Kräfteverhältnis<br />

steckt die Grenzen dessen ab, was durchsetzbar ist und was nicht, was vermeidbar ist und was zähneknirschend<br />

h<strong>in</strong>genommen werden muss. Bei entsprechendem Kräfteverhältnis lassen sich nicht nur diverse Schwe<strong>in</strong>ereien<br />

vermeiden, es läßt sich dann sogar die Systemfrage stellen und beantworten. Nur aus der Ökonomie heraus kann<br />

e<strong>in</strong> sozialer Prozess nicht verstanden werden. Ohne se<strong>in</strong>e ökonomischen Voraussetzungen auch nicht. E<strong>in</strong> weiterer<br />

Grund, warum wir nicht e<strong>in</strong>fach <strong>von</strong> "Ökonomie", sondern <strong>von</strong> Politischer Ökonomie sprechen.<br />

72 Die Beziehung <strong>von</strong> Allgeme<strong>in</strong>em und Besonderem muß <strong>in</strong> jeder polit-ökonomischen Analyse bewältigt werden.<br />

<strong>Das</strong> ABC der Politischen Ökonomie zu beherrschen ist schon schwer genug, aber damit etwas Neues zu "schreiben"<br />

ist ungleich schwieriger und aufwändiger. Wer die Wirtschaftspolitik <strong>in</strong> Deutschland nach 1990 analysieren<br />

will, muß <strong>von</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Merkmalen des heutigen Kapitalismus und <strong>von</strong> den Besonderheiten des Kapitalismus<br />

<strong>in</strong> Deutschland und <strong>von</strong> der politisch-ökonomische Situation dieser Zeit ausgehen. Diese Anforderungen<br />

haben marxistischen Autoren den Ruf e<strong>in</strong>gebracht, immer mit dem Urschleim kurz nach dem Urknall zu beg<strong>in</strong>nen,<br />

also für jedes Thema immer recht weit auszuholen. Aber könnte man das, was 1990 <strong>in</strong> Deutschland passiert<br />

ist, wirklich ohne die Vorgeschichte begreifen? Man muß nicht immer alles beschreiben, was zur Beantwortung<br />

e<strong>in</strong>er Frage an Forschungsarbeit notwendig war, aber erforschen muss man es. Auch das macht marxistische Forschung<br />

um so vieles aufwändiger, letztenendes aber auch um so vieles ergiebiger.<br />

73 Se<strong>in</strong>er Vorliebe für die Naturwissenschaften folgend, wählt M. im Vorwort zur ersten deutschen Ausgabe des<br />

"Kapital" folgenden Vergleich: "Der Physiker beobachtet Naturprozesse entweder dort, wo sie <strong>in</strong> der prägnantesten<br />

Form und <strong>von</strong> störenden E<strong>in</strong>flüssen m<strong>in</strong>dest getrübt ersche<strong>in</strong>en, oder, wo möglich, macht er Experimente<br />

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