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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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"Exploitationsgrad"<br />

Wir haben bereits gezeigt, wie mit dem Kauf der Arbeitskraft das Interesse der Unternehmer<br />

entsteht, diese Arbeitskraft <strong>in</strong> der vertraglich vere<strong>in</strong>barten Zeit optimal auszubeuten: Durchaus<br />

im Rahmen der ökonomischen Gesetze und zwangsweise <strong>in</strong> den durch den Klassenkampf gesetzten<br />

Grenzen. Aber M.s ganz sachliche Feststellung ist die: Menschen werden unter diesen<br />

Verhältnissen wie Masch<strong>in</strong>en, im Fabriksystem sogar wie Anhängsel der Masch<strong>in</strong>en, heute würden<br />

wir sagen: bloß als Kostenfaktor behandelt.<br />

Wenn M. zum Abschluß se<strong>in</strong>es langen Mehrwert-Kapitels den Exploitationsgrad der Arbeitskraft<br />

als Quotienten aus dem produzierten Mehrwert m und dem aufgewendeten variablen Kapital v<br />

bestimmt, also als m/v ausdrückt, soll das ke<strong>in</strong> Maß für die Verderbtheit oder Ungerechtigkeit<br />

der Verhältnisse se<strong>in</strong>, sondern beschreibt die kapitalistische Produktivität des Gesamtarbeiters als<br />

Mehrwertrate. Wir er<strong>in</strong>nern uns an diese Besonderheit der kapitalistischen Produktionsweise: In<br />

ihr gilt jede Arbeit nur soweit als produktiv, wie sie zur Produktion <strong>von</strong> Mehrwert beiträgt.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> praktische Bedeutung hat dieser Exploitationsgrad nicht. Jedenfalls nicht <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass<br />

man damit irgendetwas rechnerisch beweisen könnte. Wollte man diesen Quotienten etwa für<br />

Deutschland genau bestimmen, würde man schnell an den unzulänglichen Daten scheitern. Was<br />

an ökonomischen Daten vorliegt, wird nicht erhoben, um die Mehrwertpotenz des Gesamtarbeiters<br />

zu messen. Man müßte auf <strong>in</strong>direkte Methoden ausweichen, um bestenfalls e<strong>in</strong>e ungefähre<br />

Schätzung abzugeben. Aber was solls? M. hatte ke<strong>in</strong>erlei ökonometrische 301 Absichten.<br />

Für ihn ist der schlichte Quotient m/v die kürzeste Antwort auf e<strong>in</strong>e der Grundfragen der Ökonomie:<br />

Warum werden Kapitalisten reicher? Worauf gründet ihre ökonomische Macht? Kapitalistischer<br />

Mehrwert entsteht alle<strong>in</strong> durch Lohnarbeit. Und die Abhängigkeit der Mehrwertmasse<br />

<strong>von</strong> der produktiv angewendeten Arbeitskraft bündelt alle <strong>in</strong>neren Widersprüche der Produktionsweise.<br />

<strong>Das</strong> ist das Thema der nächsten Kapitel.<br />

"Materiatur unbezahlter Arbeit"<br />

Ist die Mehrwettheorie e<strong>in</strong>fach? Ja. Ist sie schlicht? Ne<strong>in</strong>. Steckt sie voller Widersprüche? Natürlich.<br />

Enthält sie Sprengstoff? Jede Menge. M.s Mehrwerttheorie ist das am <strong>in</strong>tensivsten bekämpfte<br />

Element se<strong>in</strong>er politökonomischen Analyse. Sie beantwortet die Frage nach den Quellen<br />

des gesellschaftlichen Reichtums. Sie sagt, wer ihn produziert und wer ihn sich aneignet. Sie<br />

lüftet das Geheimnis der kapitalistischen Verwertung. Sie entfernt die Kulissen und zeigt, wie<br />

der e<strong>in</strong>fache Trick funktioniert. M. betont diesen zentralen Punkt an verschiedenen Stellen. Zum<br />

Beispiel hier, wo er Wert und Mehrwert <strong>in</strong> Analogie setzt:<br />

"So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt, ihn als bloße Ger<strong>in</strong>nung <strong>von</strong> Arbeitszeit,<br />

als bloß vergegenständlichte Arbeit, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des<br />

Mehrwerts, ihn als bloße Ger<strong>in</strong>nung <strong>von</strong> Surplusarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit<br />

zu begreifen. Nur die Form, wor<strong>in</strong> diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem<br />

Arbeiter, abgepreßt wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z.B. die<br />

Gesellschaft der Sklaverei <strong>von</strong> der der Lohnarbeit." 302<br />

Wir lernen nebenbei, dass Mehrwert historisch nichts Neues ist. Jede Gesellschaft mit e<strong>in</strong>igermaßen<br />

entwickelten Produktivkräften, br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Mehrwert hervor, den wir unabhängig <strong>von</strong><br />

der jeweiligen Produktionsweise als Mehrprodukt bezeichnen. Klar: Wie hätten die Millionen<br />

römischer Legionäre, der gesamte Militärapparat e<strong>in</strong>es antiken Staats ohne agarisches und<br />

handwerkliches Mehrprodukt versorgt werden können? Wie sonst hätten sich Adel und Ritter<br />

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