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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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das durch Verkauf der Waren erworbene Geld sofort wieder vollständig für Lebensmittel auszugeben.<br />

Gegenüber dem Warenreichtum, etwa Reichtum an Vieh oder Ackerfläche, entwickelt der Geldreichtum<br />

enorme Vorteile: Pflegeleicht (verglichen mit dem Vieh), transportabel (verglichen mit<br />

dem Boden), und jederzeit machtvoll. Produktion und Austausch kennen dank des Geldes ke<strong>in</strong>e<br />

Grenze mehr, die im Gebrauchswert der Ware liegt: Mit jedem abgeschlossenen Geschäft lockt<br />

das nächste. <strong>Das</strong>s Geld nicht st<strong>in</strong>kt, war längst bekannt. Aber Geld wird auch nicht krank und<br />

kennt ke<strong>in</strong> natürliches Verfallsdatum. Es ist <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Mengen der Zauberstab, der die kle<strong>in</strong>en<br />

Wünsche erfüllt. In großen Mengen ersche<strong>in</strong>t es gar als gespeicherte Macht.<br />

Was ist so wichtig an der Schatzfunktion des Geldes, dass M. ihr e<strong>in</strong> eigenes Kapitel widmet? Sie<br />

wirkt <strong>in</strong> Bereichen, die wir bisher nur implizit behandelt haben. Sie verändert die Beziehungen<br />

zwischen den Klassen: Mit der Möglichkeit und Notwendigkeit, Geld als Machtmittel zu horten,<br />

bekommt die Ausbeutung e<strong>in</strong> erweitertes Ziel. Nicht mehr nur Freistellung der herrschenden<br />

Klasse <strong>von</strong> jeglicher Mühsal: Jetzt geht es darum, das antike Imperium oder den feudalen Landesherrn<br />

mit ausreichenden Geldmitteln zu versorgen, um Politik, Staatsverwaltung und kriegerische<br />

Machtkämpfe und Eroberungen zu f<strong>in</strong>anzieren. 165<br />

Unter der Regie des Geldes beschleunigt sich die Differenzierung <strong>in</strong>nerhalb der Klassen. Wir haben<br />

bereits die Unterschiede <strong>in</strong> der Produktivität zwischen den Produzenten erwähnt. Da mit<br />

höherer Produktivität die Möglichkeit besteht, größere Geldmengen zu erwirtschaften, f<strong>in</strong>den<br />

wir sehr bald soziale Unterschiede zwischen großen und kle<strong>in</strong>en Handwerkern, zwischen großen<br />

und kle<strong>in</strong>en Kaufleuten. Die Produzenten und Händler <strong>von</strong> Luxuswaren f<strong>in</strong>den verbesserte Möglichkeiten,<br />

<strong>Teil</strong>e des Mehrprodukts <strong>in</strong> Geldform an sich zu ziehen.<br />

Es entwickeln sich erste stabile Ausbeutungsverhältnisse <strong>in</strong>nerhalb des Handwerks und zwischen<br />

Handel und Handwerk, aber auch zwischen städtischem Gewerbe und bäuerlicher Wirtschaft.<br />

Wir nähern uns über die schatzbildende Kraft des Geldes der Geburtsphase der kapitalistischen<br />

Produktionsweise. Wir werden noch sehen, wie sich dabei <strong>in</strong> Europa die im 15. und 16. Jahrhundert<br />

entstandenen großen Geldvermögen als wichtige Voraussetzung für den nachfolgenden<br />

Siegeszug des Kapitalismus erweisen.<br />

Geld als Zahlungsmittel, Weltgeld und Kredit<br />

Warenproduktion und Warenverkehr nehmen zu. Da nun das Geld als Zahlungsmittel für alltägliche<br />

Transaktionen und solche großen Stils zur Verfügung steht, können Produktion und Zahlung<br />

der Ware <strong>in</strong> beliebiger Reihenfolge stattf<strong>in</strong>den. 166 Der Kauf e<strong>in</strong>er Ware (etwa e<strong>in</strong>es Hauses)<br />

läßt sich zeitlich strecken. Ort des Kaufs und Ort der Zahlung, Kaufterm<strong>in</strong> und Zahlungsterm<strong>in</strong><br />

dürfen fast beliebig <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander abweichen.<br />

Schuldner und Gläubiger werden zu alltäglichen Rollen im Wirtschaftsleben, wobei jeder Akteur<br />

gleichzeitig anderen Akteuren gegenüber sowohl Gläubiger wie Schuldner ist. Es können <strong>Teil</strong>e<br />

oder Anteile <strong>von</strong> Waren erworben werden, die man s<strong>in</strong>nvollerweise nicht wirklich teilt: E<strong>in</strong> Achtel<br />

lebendes Schwe<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> 280tel e<strong>in</strong>es Handelsschiffes, die Hälfte e<strong>in</strong>es Hauses usw. Es werden<br />

e<strong>in</strong>zelne Kaufakte jetzt mite<strong>in</strong>ander verwoben, aufe<strong>in</strong>ander aufgebaut und gegene<strong>in</strong>ander verrechnet.<br />

Alles sche<strong>in</strong>t unter der Herrschaft des Geldes möglich zu se<strong>in</strong>. Die vier Grundrechenarten,<br />

jede Menge Z<strong>in</strong>sesz<strong>in</strong>s-Rechnung und doppelte Buchführung beherrschen die Szenerie.<br />

Dabei tritt Geld im e<strong>in</strong>zelnen Kaufakt vielleicht noch als "echtes" Geld, als "wirkliches" Zahlungsmittel<br />

auf, vor allem im Alltag zum Erwerb der Lebensmittel. In der Gesamtheit der Zirkula-<br />

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