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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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38. Wenn die Welt des Kapitals e<strong>in</strong>e Welt der Waren und Preise ist: Warum nicht mit e<strong>in</strong>er<br />

Preistheorie <strong>in</strong> die Sache e<strong>in</strong>steigen?<br />

Wir haben <strong>in</strong> den vorigen Kapiteln e<strong>in</strong>e Menge über Wert und Preis gesprochen. Dabei haben<br />

wir gelernt, dass im Alltag des Warentauschs der Preis den Ton angibt. Wenn aber die Welt des<br />

Kapitals e<strong>in</strong>e Welt der Waren ist (das ist ja unser Ausgangspunkt) und wenn Waren ihren Wert<br />

<strong>in</strong> Geld als Preis ausdrücken und auch nur <strong>in</strong> dieser Preisform im gesellschaftlichen Leben <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung<br />

treten: Warum dann das ganze Theater mit dem Wert? Warum nicht mit e<strong>in</strong>er Preistheorie<br />

statt mit e<strong>in</strong>er so schwer faßbaren Werttheorie <strong>in</strong> die Sache e<strong>in</strong>steigen?<br />

Tatsächlich spielt weder M.s Werttheorie noch die Werttheorie der bürgerlichen Klassiker vor<br />

<strong>Marx</strong> für die Kapitalakteure irgende<strong>in</strong>e Rolle. Auch <strong>in</strong> den diversen Theorien und Modellen <strong>von</strong><br />

Betriebs- und Volkswirtschaft ist ke<strong>in</strong> Raum für irgende<strong>in</strong>e Werttheorie. Man kann das den Unternehmern<br />

nicht verübeln; die folgen nur ihren alltäglichen Interessen. Für die Preiskalkulation<br />

konkreter Waren etwa bietet die Werttheorie ke<strong>in</strong>e Hilfe. Sie kann nichts <strong>von</strong> dem leisten, was<br />

die betriebliche Kostenrechnung und das Market<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den Unternehmen tagtäglich leistet. Freilich<br />

lag das auch nicht <strong>in</strong> M.s Absicht. Und auch wir wollen uns schließlich nicht die Köpfe der<br />

Unternehmer zerbrechen.<br />

Aber mal abgesehen da<strong>von</strong>, dass sich mit M.s Werttheorie ke<strong>in</strong>e Marktoffensive oder Unternehmensrestrukturierung<br />

planen läßt. Für uns leistet sie unschätzbare Dienste. Sie erklärt uns,<br />

warum kapitalistische Unternehmen überhaupt (sozusagen um's Verrecken) Marktoffensiven<br />

und Restrukturierungen, Kostensenkungen und Entlassungen, Konjunkturen und Krisen und<br />

Wachstum um jeden Preis brauchen. Die Werttheorie er<strong>in</strong>nert uns ständig daran, dass allem gesellschaftlichen<br />

Leben die materielle Produktion und dass aller materiellen Produktion die gesellschaftliche<br />

Verteilung der wertschöpfenden Arbeit zugrunde liegt. Den F<strong>in</strong>anzmarktakteuren<br />

wurde diese Erkenntnis im Jahre 2008 durch die Weltwirtschaftskrise mal wieder etwas näher<br />

gebracht. E<strong>in</strong> Crash-Kurs <strong>in</strong> Sachen Werttheorie auf unsere Kosten. Der Lernerfolg wie immer<br />

nahe Null. Denn Monate später schon war's wieder vergessen. Besser gesagt: Durch Konkurrenz<br />

und Verwertungszwang aus dem kollektiven Bewußtse<strong>in</strong> verdrängt.<br />

Uns macht die Werttheorie immer wieder klar, dass Arbeitsteilung nicht abstrakt existiert, sondern<br />

nur <strong>in</strong>nerhalb konkreter sozialer Verhältnisse. Diese Produktionsverhältnisse s<strong>in</strong>d Klassen-<br />

und Machtverhältnisse. Deshalb führt uns M.s Werttheorie geradenwegs zur Mehrwerttheorie,<br />

bestätigt die lebendige Arbeit als Quelle allen Mehrwerts und damit als Quelle des gesellschaftlichen<br />

Reichtums auch für diese Produktionsweise. Sie kommt der Aneignung dieses Reichtums<br />

auf die Spur, der Lohnarbeit und Privatbesitz an Produktionsmitteln zugrunde liegt. Damit beschreibt<br />

uns die Werttheorie die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, <strong>in</strong> denen sich die ungleiche Verteilung<br />

des gesellschaftlichen Reichtums nach privaten Verwertungs<strong>in</strong>teressen vollzieht.<br />

Die Werttheorie h<strong>in</strong>dert uns daran, Kapital, Arbeit, Technik, Arbeitsteilung usw. als e<strong>in</strong>zelwirkende<br />

Faktoren ähnlich e<strong>in</strong>er Naturkraft zu betrachten, sondern dar<strong>in</strong> Kräfte zu sehen, die e<strong>in</strong>zig<br />

und alle<strong>in</strong> bestimmten sozialen Verhältnissen entspr<strong>in</strong>gen. Die Werttheorie macht die zugrunde<br />

liegenden Beziehungen zwischen den Klassen und die sich gegenüberstehenden ökonomischen<br />

Interessen sichtbar. Sie zeigt, dass gesellschaftliche Interessen und Verwertungs<strong>in</strong>teressen nicht<br />

identisch s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Das</strong> alles und noch e<strong>in</strong>iges mehr bildet unser werttheoretisches Fundament, ohne das jede Untersuchung<br />

<strong>von</strong> ökonomischen Details auch nur im Detail nützlich wäre - bestenfalls. Für die Kapitalakteure<br />

mag das reichen. Für das Verständnis der ökonomischen Vorgänge reicht das nicht.<br />

Ohne das werttheoretische Fundament, an dem wir <strong>in</strong> den folgenden Kapiteln noch zu arbeiten<br />

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