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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Zweifellos ist die Mehrwertproduktion so etwas wie die unverkennbare Signatur der kapitalistischen<br />

Produktionsweise, ihr typisches Merkmal. Betrachten wir aber die Frühzeit dieser Produktionsweise,<br />

sche<strong>in</strong>t sie sich im Grunde auch nicht sehr <strong>von</strong> der Hervorbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es Mehrprodukts<br />

unter feudalen Bed<strong>in</strong>gungen zu unterscheiden: Aneignung durch Fronarbeit dort, Aneignung<br />

durch Mehrarbeit hier. Dort stecken es die feudalen Grundbesitzer, Adel und Klerus e<strong>in</strong>.<br />

Hier s<strong>in</strong>d es die clevereren Fabrikanten, die sich mit Hilfe des Lohnsystems die Arbeitsergebnisse<br />

der eigentlichen Produzenten aneignen. Aber was <strong>in</strong> der Frühphase des Kapitalismus der alten<br />

feudalen Ökonomie äußerlich noch so ähnlich sieht, offenbart sehr schnell gewaltige Unterschiede.<br />

Jetzt kommen wir nämlich auf die <strong>in</strong>neren Triebkräfte zu sprechen. In dieser H<strong>in</strong>sicht<br />

erweist sich die kapitalistische Produktionsweise als ausserordentlich dynamisch.<br />

Deshalb spricht M. so abfällig über den absoluten Mehrwert. Der drehe sich "nur um die Länge<br />

des Arbeitstags", schreibt er. Diese quick&dirty Ausbeuter mit ihrem 14- und 16-Stunden-Tag:<br />

wie primitiv. Ähnlich primitiv wie die zahllosen Gewaltmaßnahmen, mit denen sich die Feudalherren<br />

das bäuerliche Mehrprodukt unter den Nagel rissen. Erst die Sache mit dem relativen<br />

Mehrwert macht den ganzen historischen Unterschied aus. Hier stoßen wir erstmals auf den<br />

Motor der kapitalistischen Entwicklung. Mehr noch: M. spricht nicht e<strong>in</strong>fach <strong>von</strong> "Entwicklung"<br />

oder, wie man das heute tut, vom "sozialen Wandel" oder anderen gemütlichen Veränderungen.<br />

Er spricht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er fortdauernden Revolutionierung des Arbeitsprozesses und der sozialen<br />

Strukturen, angetrieben durch die Produktion des relativen Mehrwerts.<br />

Die dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit<br />

Er<strong>in</strong>nern wir uns: Der relative Mehrwert entsteht durch Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit.<br />

<strong>Das</strong> ist die Arbeitszeit, die <strong>von</strong> der Arbeitskraft aufgewendet werden muß, um die eigenen Kosten<br />

zu ersetzen. Die dann noch übrig bleibende Mehrarbeitszeit dient der Mehrwerterzeugung.<br />

Je kürzer die notwendige Arbeitszeit, relativ zur Mehrarbeitszeit, desto höher der erzeugte<br />

Mehrwert auch bei ansonsten gleichbleibendem oder sogar verkürztem Arbeitstag. Aber wie<br />

kriegt man das h<strong>in</strong>?<br />

M. beschreibt für se<strong>in</strong>e Zeit die Revolutionierung der technischen Prozesse und die damit verbundenen<br />

tiefgreifenden Wandlungen <strong>in</strong> der sozialen Struktur der Gesellschaft. Es ist der Übergang<br />

<strong>von</strong> der Manufaktur zum Fabriksystem. In der Frühzeit, also im 17. und 18. Jahrhundert,<br />

gibt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen die ersten Veränderungen. Porzellan-, Glas-, Ton-, Seide- und<br />

Wollmanufakturen werden gegründet; dann greift der Prozess auf traditionelle Handwerke über.<br />

Die vorgefundene handwerkliche Produktion wird Kraft des Geldes auch hier zur neuen Form<br />

der Manufaktur zusammengefaßt. Alle<strong>in</strong> daraus ergibt sich im Selbstlauf e<strong>in</strong>e höhere Arbeitsproduktivität;<br />

M. bezeichnet diese Produktivkraft als Kooperation.<br />

Der Manufakturkapitalist nutzt die Kooperation zunächst als Gratisdienst, wie M. das nennt. Es<br />

ist Produktivkraft, die ihm <strong>in</strong> den Schoß fällt und sich alle<strong>in</strong> aus der Zusammenfassung der vielen<br />

Arbeitskräfte ergibt: Geme<strong>in</strong>same Nutzung <strong>von</strong> Werkstatt und Arbeitsmitteln, Rohstoffquellen,<br />

Hilfskräften usw. Schon der Gratisdienst der Kooperation sorgt dafür, das dort, wo die handwerkliche<br />

Produktion <strong>in</strong> die Manufaktur übergeht, dem alten Handwerk die Konkurrenzfähigkeit<br />

entzogen wird. Aber das ist nur der Anfangspunkt e<strong>in</strong>er sich beschleunigenden Entwicklung.<br />

Am Anfang ist sie noch urwüchsig, zufällig, punktuell, durch Versuch und Irrtum gesteuert; es<br />

liegt ihr ke<strong>in</strong> Plan zugrunde.<br />

Treibendes Motiv ist nicht wachsende Arbeitsproduktivität. Dieser Begriff bildet sich überhaupt<br />

erst <strong>in</strong>nerhalb dieses Prozesses heraus. Es geht schlicht um die optimale Ausnutzung der Ar-<br />

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