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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Gibt's e<strong>in</strong>en Tusch oder nur betretenes Schweigen? Zu viel Aufwand für e<strong>in</strong>e so simple Antwort?<br />

Haben wir vielleicht eher e<strong>in</strong>e komplizierte mathematische Formel mit der dritten Ableitung<br />

nach irgendwo erwartet? Oder die psychok<strong>in</strong>etische Aufdeckung der Quelle menschlicher<br />

Schöpferkraft? Lieber irgende<strong>in</strong> Gerede <strong>von</strong> kreativem Potential und Differentialproduktivität?<br />

Wir werden sehen, ob uns M.s Antwort zufriedenstellt.<br />

Die doppelte Freiheit<br />

Es wird Zeit, unsere strukturelle Analyse mal wieder näher an den historischen Stoff zu b<strong>in</strong>den.<br />

Unsere Frage nach dem Ursprung des Wertzuwachses <strong>in</strong> der Zirkulation, der ohne Lug und Trug<br />

zustande kommt, ist methodisch korrekt. Die Antwort, die M. gibt, ist dennoch alles andere als<br />

deduktiv. Dem Geldbesitzer e<strong>in</strong>e glückliche Zukunft vorauszusagen, wenn er nur e<strong>in</strong>e Ware auf<br />

dem Markt f<strong>in</strong>det, die ihm wertschöpfend tätig wird, basiert nicht auf Schlußfolgerungen, sondern<br />

auf der Kenntnis der historischen Umstände, die genau diese Ware hervorbr<strong>in</strong>gen.<br />

So beschreibt M. die historischen Voraussetzungen, die dem Geldbesitzer den Übergang zum<br />

Kapitalisten ermöglichen: "Zur Verwandlung <strong>von</strong> Geld <strong>in</strong> Kapital muß der Geldbesitzer also den<br />

freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorf<strong>in</strong>den, frei <strong>in</strong> dem Doppels<strong>in</strong>n, daß er als freie Person<br />

über se<strong>in</strong>e Arbeitskraft als se<strong>in</strong>e Ware verfügt, daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen<br />

hat, los und ledig, frei ist <strong>von</strong> allen zur Verwirklichung se<strong>in</strong>er Arbeitskraft nötigen Sachen."<br />

180<br />

Die Arbeitskraft, die nur <strong>in</strong> der lebendigen Person existiert, was sich schon bald als lästiger Umstand<br />

herausstellt, muß dieselben Bed<strong>in</strong>gungen erfüllen wie jede andere Ware. Der Besitzer der<br />

Ware muß diese Ware <strong>in</strong> eigener Person als ihr unbestrittener Eigentümer anbieten. Dafür muss<br />

er als eigene Person handeln dürfen und <strong>von</strong> allen rechtlichen Beschränkungen frei se<strong>in</strong>, die der<br />

Feudalismus über Jahrhunderte se<strong>in</strong>en leibeigenen, hörigen und sogar freien Mitarbeitern auferlegte.<br />

Doch wenn er frei <strong>von</strong> allen rechtlichen Beschränkungen ist: Warum sollte er so töricht se<strong>in</strong>, für<br />

andere zu arbeiten, statt se<strong>in</strong>e Arbeitskraft <strong>in</strong> eigener Regie als selbständiger Produzent zu betätigen?<br />

Die formale Freiheit muß durch den Zwang zur Lohnarbeit ergänzt werden. Der Besitzer<br />

der Ware Arbeitskraft muß zusätzlich <strong>von</strong> allem "befreit" se<strong>in</strong>, das ihn <strong>in</strong> die Lage versetzen<br />

würde, se<strong>in</strong>en Lebensunterhalt als selbständiger Produzent zu erzeugen. 181<br />

M. setzt das Zitat so fort: "Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm <strong>in</strong> der Zirkulationssphäre<br />

gegenübertritt, <strong>in</strong>teressiert den Geldbesitzer nicht, der den Arbeitsmarkt als e<strong>in</strong>e besondre Abteilung<br />

des Warenmarkts vorf<strong>in</strong>det. Und e<strong>in</strong>stweilen <strong>in</strong>teressiert sie uns ebensowenig." 182<br />

E<strong>in</strong>stweilen... denn auf die wichtige historische Seite dieses Prozesses müssen wir später unbed<strong>in</strong>gt<br />

noch zu sprechen kommen. Jetzt folgen wir erst e<strong>in</strong>mal der strukturellen Analyse, die sich<br />

mit den Besonderheiten der Ware Arbeitskraft beschäftigt, die sowohl ihren Gebrauchswert als<br />

auch ihren Tauschwert betreffen.<br />

Was haben wir uns als Arbeitskraft vorzustellen? M.s Antwort ist umfassend und allgeme<strong>in</strong>:<br />

"Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen<br />

Fähigkeiten, die <strong>in</strong> der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit e<strong>in</strong>es Menschen existieren<br />

und die er <strong>in</strong> Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgende<strong>in</strong>er Art produziert." 183<br />

Die Arbeitskraft ist untrennbar vom lebendigen Menschen. Mit dem Kauf der Arbeitskraft 184 erwirbt<br />

der Käufer, zeitlich befristet, das Kommando über die physischen und geistigen Fähigkeiten,<br />

über die Persönlichkeit e<strong>in</strong>es Menschen und se<strong>in</strong>e Schöpferkraft. <strong>Das</strong> ist nur e<strong>in</strong>e andere Be-<br />

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