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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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<strong>Das</strong> Ziel der kapitalistischen Produktion ist tatsächlich nicht die Befriedigung <strong>von</strong> Bedürfnissen, sondern die Verwertung<br />

des e<strong>in</strong>gesetzten Kapitals. <strong>Das</strong> mag durch humanitäre Geschenke sche<strong>in</strong>bar durchbrochen werden. In<br />

der Regel ist es dann aber die UNO oder es s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>zelne Staaten oder Hilfsorganisationen, die dem Kapitalisten<br />

die Waren abkaufen und verteilen, die im System mangels Kaufkraft eigentlich unverkäuflich waren.<br />

471 <strong>Das</strong> gilt <strong>in</strong> doppelter Weise, wenn es sich um die Erschließung neuer Märkte für neue Produkte handelt. Dann<br />

nämlich wird es e<strong>in</strong>erseits im Wettrennen um die neuen Märkte für die neuen Produkte zu Überkapazitäen kommen.<br />

Gleichzeitig wird man, was im neuen Sektor als Nachfrage gebunden wird, an anderer Stelle als Verlust <strong>von</strong><br />

zahlungsfähiger Nachfrage h<strong>in</strong>nehmen müssen und ebenfalls mit Überkapazitäten bezahlen, die angepaßt werden<br />

müssen. Die Entwicklung der Mobiltelefonie hat e<strong>in</strong>e Menge Kaufkraft <strong>in</strong> den letzten Jahren umgeschichtet,<br />

die natürlich an anderer Stelle fehlt.<br />

472 Doch auch mit solchen unternehmerischen Nachrichten muß man vorsichtig umgehen. Denn häufig werden<br />

nicht ausgelastete Kapazitäten herbeigerechnet, um den Belegschaften e<strong>in</strong>en Mitleidsbonus <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Lohnverzicht<br />

oder Mehrarbeit oder dem Betriebsrat Zugeständnisse <strong>in</strong> Sachen Leiharbeit abzuhandeln. Es macht eben<br />

e<strong>in</strong>en Unterschied, ob ich die berechenbare Auslastung der Anlagen zugrunde lege und dabei <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em (unüblichen)<br />

Vollschichtbetrieb ausgehe, oder ob ich die übliche Auslastung im 2-Schicht-Betrieb und realistische Ausfallzeiten<br />

kalkuliere. So bieten sich zahlreiche Tricks, um die Angaben Kapazitätsauslastung ganz nach Bedarf zu<br />

manipulieren.<br />

473 Die kapitalistische Produktionsweise wird <strong>von</strong> Krisen begleitet. <strong>Das</strong> ist gar ke<strong>in</strong> Streitpunkt mehr, zum<strong>in</strong>dest<br />

nicht <strong>in</strong> der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise. Jetzt wird allerorten <strong>von</strong> den "unvermeidlichen Verwerfungen"<br />

geschrieben, die jedes dynamische System begleiten müssen. "Verwerfung" gemahnt an die Unvermeidbarkeit<br />

geologischer Prozesse. Wer wollte da richten?<br />

Aber tatsächlich geht es um Krisen mit gesellschaftlichen Ursachen und tiefgreifenden Folgen. Es geht um Massenarbeitslosigkeit,<br />

Vernichtung wervoller Produktionsanlagen, Subventionierung <strong>von</strong> Banken und Unternehmen<br />

durch langwirkende Staatsverschuldung, um die Stornierung <strong>von</strong> ohneh<strong>in</strong> bescheidenen Hilfs- und Entwicklungsprogrammen<br />

und um millionenfache Verelendung <strong>in</strong> den ärmsten Ländern. Hier geht es um Mittelkürzungen im<br />

Sozialbereich, <strong>in</strong> der Klima- und Umweltpolitik. Es geht voraussehbar um die Entwertung <strong>von</strong> Sparvermögen<br />

durch Inflation, um die Umlenkung und Deformierung <strong>von</strong> Millionen Lebensläufen gegen den Willen der Betroffenen...<br />

<strong>Das</strong> gesamte Spektrum krisenbed<strong>in</strong>gter Grausamkeiten und Dummheiten ersche<strong>in</strong>t als unvermeidbarer<br />

Preis, den die Gesellschaft zu bezahlen hat, um sich an Autos, Handys und Navi-Systemen zu erfreuen.<br />

Tatsächlich bezahlt die Gesellschaft mit den Krisenfolgen nicht für Leistungen der Produktionsweise, sondern nur<br />

für deren Unfähigkeiten. Diese Produktionsweise kann offenbar nur auf die harte Tour, per Krise eben, die gesellschaftliche<br />

Forderung nach kont<strong>in</strong>uierlicher Produktion mit den privaten Verwertungs<strong>in</strong>teressen ihrer Betreiber<br />

synchronisieren - bis zu nächsten Krise.<br />

474 Bei der Erklärung der Krisen dom<strong>in</strong>iert derzeit ganz klar die psychologische Schule. Die Habgier der amerikanischen<br />

Arbeiter nach e<strong>in</strong>em eigenen Häuschen oder die Habgier der Banker oder die Dummheit der Wirtschaftspolitiker<br />

oder das Fehlen e<strong>in</strong>es ethischen Codes und entsprechender Regulierungen oder die übermäßigen Regulierungen,<br />

die den Markt erstickt haben und so weiter... Wieder hilft die Allerweltspsychologie aus der Patsche,<br />

die so wunderbar zur Beschreibung gesellschaftlicher Prozesse taugt, weil sie da<strong>von</strong> re<strong>in</strong> gar nichts erklärt.<br />

Wir zweifeln nicht am Wunsch der amerikanischen Arbeiter nach e<strong>in</strong>em eigenen Haus. Wir zweifeln nicht an der<br />

Habgier der (meisten) Banker. Wir haben nichts gegen ethische Codes und Good Governance und Eigenkapitalvorschriften...<br />

Welche Zwecke das auch immer erfüllen mag, den propagierten Zweck erfüllt es nicht. Es wird weder<br />

die nächste Spekulationsblase noch die nächste weltweite Krise verh<strong>in</strong>dern, weil diese Maßnahmen eben mit<br />

den Ursachen so wenig zu tun haben wie die psychologischen Deutungen.<br />

Darüber ist man sich auch auf der anderen Seite meist durchaus klar. E<strong>in</strong> bürgerlicher Wirtschaftswissenschaftler<br />

antwortete Ende 2008 auf die Frage "Wie endet die derzeitige Bankenkrise?" kurz und trocken und voller Überzeugung:<br />

"Wenn die nächste Blase beg<strong>in</strong>nt." (NZZ 20.12.2008) Der Aktionismus der Politiker ist überwiegend<br />

Kulisse. Die am Ende wirklich ergriffenen Maßnahmen sollen die Folgen kommender Krisen erträglicher gestalten<br />

- <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie für die Akteure des F<strong>in</strong>anzmakts, nicht für uns. Ob das gel<strong>in</strong>gt steht freilich auf e<strong>in</strong>em anderen<br />

Blatt, an dessen Text wir selber übrigens auch mitschreiben.<br />

475 Würde Mutter Teresa oder e<strong>in</strong>e andere Inkarnation der Menschenliebe an die Spitze der Deutschen Bank berufen,<br />

würde sie schon nach wenigen Tagen durch die vere<strong>in</strong>igte Front der Nadelstreifen aus dem Mammon-<br />

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